Die Stilisierung einer Region zum nationalen Wertezentrum in den Diskursen der "mitteldeutschen" Heimatbewegung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Während die betont nationale Interpretation des mit einem Deutungsanspruch belegten regionalen Territoriums im Falle des "Thüringerwald-Vereins" bereits unmittelbar mit der Gründung des Vereins in der Zeit des Kaiserreichs einsetzte und dabei auf bereits zuvor geprägte Deutungsmuster zurückgegriffen wurde, die sich seit dem frühen 19. Jahrhundert der "Herz-,, und "Mitte"-Metaphorik bedienten, trat diese nationale Deutungsebene in der Arbeit des "Erzgebirgsvereins" wie in den bereits zuvor für das Erzgebirge geprägten Deutungsmustern, die auch hier in der Vereinsarbeit eine herausragende Rolle spielten, erst im Zuge des i. Weltkrieges deutlicher hervor, Grundlegend wirkte sich hierbei aus, das Sachsen über eine lange eigenstaatliche Tradition verfügte, wahrend die kulturelle wie die staatliche Einheit Thüringens bis 1920 ein Gestaltungsziel blieb. Die betont nationale Interpretation diente so im thüringischen Falle bis zum Ende des i. Weltkrieges der Stiftung einer regionalen Identität und wurde zugleich als Beitrag zur Gründung und inneren gesellschaftlichen Gestaltung eines deutschen Nationalstaates verstanden, ein Aspekt, der in den auf das Erzgebirge gerichteten Projektionen bis dahin deutlich zurücktrat. In beiden Vereinen spielten in der Zeit des Kaiserreiches auf ein effektives Regionen-Marketing abzielende Ambitionen, insbesondere hinsichtlich der Förderung des Tourismus, eine wichtige Rolle, ein Aspekt, der in der bisherigen Heimatvereinsforschung nicht nur im Falle Thüringens und Sachsens, bisher noch kaum Berücksichtigung gefunden hat und in denkbaren Folgeuntersuchungen unter wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten noch genauer zu betrachten wäre. Wie bereits in der Zeit des Kaiserreichs im "Thüringerwald-Verein" einsetzend, so zeigte sich auch in der Heimatpropaganda des "Erzgebirgsvereins" seit dem Ende des i. Weltkrieges die zunehmende Tendenz, die propagierten Heimat-Bilder immer stärker ihres regionalen Charakters zu entkleiden und im Sinne einer völkisch-rassistisch determinierten "deutschen Heimat" zu interpretieren. Dies kam nach 1933 der Volksgemeinschaftsideologie der Nationalsozialisten entgegen. Dagegen traten die tourismusfördernden Aktivitäten der Vereine immer mehr zurück. Nach 1945 verschwanden zwar die völkischrassistischen Konnotationen, die neuen Machthaber bedienten sich jedoch weiter einer national bestimmten Heimatpropaganda, nun allerdings unter sozialistischen Vorzeichen, zu deren Verbreitung und Durchsetzung sie sich auch des Kulturbundes bedienten. Hatten regionale Identifikationsangebate in den nationalsozialistischen Kulturkonzepten und so auch in der Arbeit der gleichgeschalteten Vereine nach 1933 durchaus weiterhin eine wichtige Rolle gespielt, wurden diese nach 1945, den zunächst offensiv vertretenen nationalen Kulturkonzepten der kommunistischen Machthaber in der SBZ/DDR entsprechend, so gut wie völlig ausgeblendet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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"Deutsches Geistes Standquartier" - Die Wartburg als Sujet deutsch-nationaler Weltkriegs-Lyrik. In: Wartburg-Jahrbuch 2005. Regensburg 2007, S. 88-104.
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"Die Geister der Burg Saaleck". Hans Wilhelm Stein im Schnittpunkt von völkischer Bewegung und Heimatbewegung. In: Deutsche Erinnerungslandschaften: Rudelsburg - Saaleck - Kyffhäuser. Halle 2004 (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, 32), S. 50-72.
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"Mythen der Mitte". Regionen als nationale Wertezentren. Konstruktionsprozesse und Sinnstiftungskonzepte im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Monika Gibas und Rüdiger Haufe. Weimar 2005; darin: Einleitung [der Hrsg.], S. 5-22; Der "deutsche Wald" und seine "Tempelhüter". Heimat- und Wandervereine als Produktions- und Vermittlungsinstanzen zeitgenössischer "Thüringen"-Diskurse im 19. und 20. Jahrhundert, S. 59-77.
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"Männer von Thüringens Pforte". Akteure eines bildungsbürgerlichen Netzwerkes im 20. Jahrhundert. In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 57 (2003) [2004], S. 205-234.
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Das "grüne Herz Deutschlands". Landschaft als regionales und nationales Narrativ. In: Im Herzen Europas. Nationale Identitäten und Erinnerungskulturen. Hrsg. von Detlef Altenburg, Lothar Ehrlich und Jürgen John. In Vorbereitung: Köln, Weimar, Wien 2008.
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Ein Weg als Ziel im "grünen Herzen Deutschlands" - Rennsteig- und Thüringer-Wald-Diskurse im 19. und 20. Jahrhundert. In: Deutsche Erinnerungslandschaften II: "Rotes Mansfeld" - "Grünes Herz". Hrsg. von Justus H. Ulbricht in Verb, mit Annette Schneider und Edith Spanknebel. Halle 2005, 8.157-179.