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Wechselbeziehung zwischen mykoparasitischen Pilzen und ihren Wirtspilzen - neue Ansätze zur Isolierung aktiver Naturstoffe

Fachliche Zuordnung Organische Molekülchemie - Synthese, Charakterisierung
Förderung Förderung von 2003 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5420875
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Seit geraumer Zeit werden Fruchtkörper Höherer Pilze als Quelle für bioaktive Sekundärmetabolite geschätzt, da diese als mögliche Leitstrukturen zur Entwicklung neuer Pharmazeutika und Pflanzenschutzmittel genutzt werden können. Allerdings gab es nur relativ wenige Erkenntnisse darüber, zu welchem Zweck Pilze bestimmte Sekundärmetabolite produzieren. Ziel des Forschungsvorhabens war es daher, nicht nur neue Sekundärmetabolite aus Pilzen zu isolieren und deren Strukturen aufzuklären, sondern deren Bedeutung für den Produzenten zu untersuchen. Insbesondere suchten wir gezielt nach Verbindungen, die bei der chemischen Verteidigung eine wichtige Rolle spielen könnten. Dabei interessierten wir uns nicht nur die chemische Ökologie Höherer Pilze, sondern auch dafür, von welchen äußeren Einflüssen die Sekundärmetabolitenproduktion abhängt. Dazu haben wir uns auf drei Themenbereiche konzentriert, nämlich auf die Isolierung neuer konstitutiv vorhandener Sekundärmetabolite aus noch wenig untersuchten Pilzarten, auf die Beeinflussung der Produktion pilzlicher Sekundärmetabolite in Kulturen und auf die Reaktion von Pilzfruchtkörpern als Antwort auf mechanische Verwundung. Eine große Anzahl neuer Naturstoffe fanden sich in roten Helmlingsarten, darunter waren viele Pyrrolochinolinalkaloide, die man bisher für typische marine Alkaloide hielt. Vertreter, die eine Iminochinoneinheit aufweisen, sind in der Lage, mit Aminogruppen zu reagieren und könnten eine Rolle in der chemischen Verteidigung spielen. Außerdem konnte aus dem Feurigen Helmling unter anderem Mycenaaurin A, ein antibakteriell wirkender Polyenfarbstoff isoliert werden. Neben der Isolierung und Strukturaufklärung der oben genannten konstitutiven Sekundärstoffe gelang es uns, in Pilzkulturen die Produktion von Sekundärstoffen zu beeinflussen. So produzieren Kulturen der Mycena alcalina anstelle der chlorierten Alkalinaphenole A−C die entsprechenden bromierten Alcalinaphenole D−F. In Zusammenarbeit mit Prof. Peter Mayser in Gießen konnten wir die Produktion bereits bekannter und neuer Indolalkaloide, z. B. des Exophialins, in schwärzenden Hautpilzen nach Zusatz von Tryptophan zum Kulturmedium induzieren. Für die Suche nach verwundungsaktivierten Verteidigungsmechanismen in Pilzen, dem dritten Schwerpunkt der Untersuchungen, erwies es sich als sehr hilfreich, HPLC-Metabolitenprofile intakter und künstlich verletzter Pilzfruchtkörper miteinander zu vergleichen. Auf diese Weise konnte gezeigt werden, daß Mycenarubin A im Rettichhelmling nach Freisetzung von Formaldehyd in Mycenarubin C umgewandelt werden kann. Mit ähnlichen Mitteln konnten wir nachweisen, daß der Weißmilchende Helmling aus inaktiven Benzoxepinestern antifungische Benzoxepinalkohole bildet. Die Orangefarbene Mehlscheibe verfügt mit dem Aleurodisconitril über einen maßgeschneiderten Blausäureether, aus dem nach Verletzung nach Enzymaktivierung oxidativ Blausäure über einen neuartigen Mechanismus in Freiheit gesetzt werden kann. Insgesamt belegen unsere Forschungsergebnisse, daß viele Pilzfruchtkörper über neue Naturstoffe mit originellen Strukturen verfügen, die für die Wirkstofforschung interessant sein können. Darüber hinaus läßt sich in Kulturen die Bildung neuer Sekundärstoffe induzieren. Die Untersuchung der chemischen Ökologie höherer Pilze zeigte, daß Pilze über genauso originelle Verteidigungsstrategien verfügen wie Pflanzen. Unsere Forschungsergebnisse beantworten eine Reihe von bisher ungeklärten Fragen. Die bisher erhaltenen Ergebnisse trugen maßgeblich dazu bei, daß mir verschiedene Preise, darunter im Jahr 2008 der ORCHEM-Preis, verliehen wurden, und daß mir ein Heisenbergstipendium für die vertiefte Untersuchung der chemischen Ökologie Höherer Pilze gewährt wurde. Wir möchten uns weiter mit chemischen Verteidigungsmechanismen und der Strukturaufklärung bioaktiver Naturstoffe beschäftigen, darunter mit der verwundungsaktivierten Freisetzung von Blausäure aus weiteren Pilzen, mit Bitterstoffen aus dem Gallenröhrling, mit der Produktion von Duftstoffen bei Verletzung und mit dem Nachweis der Induktion der Produktion von Wirkstoffen in Pilzkulturen unter Streß.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Chloro- and Bromophenols from Cultures of Mycena alcalina. J. Nat. Prod. 2006, 69, 1809−1812
    Silke Peters, Peter Spiteller
  • Die chemische Verteidigung des Rindenpilzes Aleurodiscus amorphus mithilfe eines maßgeschneiderten Blausäure freisetzenden Cyanhydrinethers. Angew. Chem. 2007, 119, 8222−8224
    Bernhard L. J. Kindler, Peter Spiteller
  • Sanguinones A and B, Blue Pyrroloquinoline Alkaloids from the Fruiting Bodies of the Mushroom Mycena sanguinolenta. J. Nat. Prod. 2007, 70, 1274−1277
    Silke Peters, Peter Spiteller
  • The Mycenarubins A and B, Red Pyrroloquinoline Alkaloids from the Mushroom Mycena rosea. Eur. J. Org. Chem. 2007, 1571−1576
    Silke Peters, Peter Spiteller
  • Chemical Defence Strategies of Higher Fungi. Chem. Eur. J. 2008, 14, 9100−9110
    Peter Spiteller
  • Defence Strategies of Fungi. Encyclopedia of Chemical Ecology (Hrsg. S. E. Jorgensen, Brian Fath), Elsevier, 2008, Bd. 1, S 1702−1708
    Dieter Spiteller, Peter Spiteller
  • Elucidation of a Chemical Defence Mechanism in Mycena galopus. Eur. J. Org. Chem. 2008, 1187−1194
    Silke Peters, Robert J. R. Jaeger, Peter Spiteller
  • Red Pyrroloquinoline Alkaloids from the Mushroom Mycena haematopus. Eur. J. Org. Chem. 2008, 319−323
    Silke Peters, Robert J. R. Jaeger, Peter Spiteller
  • Mycenaaurin A, an Antibacterial Polyene Pigment from the Fruiting Bodies of Mycena aurantiomarginata. J. Nat. Prod. 2010, 73, 1350−1354
    Robert J. R. Jaeger, Peter Spiteller
 
 

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