Quartäre Landschaftsgeschichte am Lago Budi, IX. Region/Chile - Rekonstruktion von Küstenbewegungen durch paläolimnologische Untersuchungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die vorliegende Arbeit hatte das Ziel, die Entstehungsgeschichte der Küstenlagune Lago Budi zu rekonstruieren und ein zeitliches Modell ihrer genetischen Phasen zu erstellen. Zur Datenerhebung kamen neben geophysikalischer Erkundung (Sedimentechographie, Hammerschlagseismik) diatomologische und palynologische Untersuchungen und vor allem sedimentologisch/mineralogische und geochemische Analysen an Sedimentkernen zur Anwendung. Es zeigte sich einerseits, dass in den Ablagerungen des Lago Budi Referenzen des postglazialen Meeresspiegelanstiegs dokumentiert sind, und dass andererseits Möglichkeiten existieren, Tsunamiereignisse zu datieren, die weit über den Zeitraum der bisher bestehenden Rekonstruktionsversuche hinausreichen. Die Genese des Lago Budi ist auf eine fluviale Erosion durch ein lokales Entwässerungsnetz zurückzuführen. Seine ursprüngliche Form wurde durch strukturelle Lineamente des Untergrundes (Störungszonen, Schieferungsrichtung) vorgezeichnet. Im Zeitraum zwischen der Ablagerung organikreicher Basisschichten, die infinite Alter aufweisen (>41 ka B.P., >47 ka B.P.) und terrestrischer Bildungen mit Altern um 12,2 cal. ka B.P. sind im zentralen Becken des Lago Budi keine Sedimente erhalten. Frühestens ab 9,4 cal. ka B.P. erfolgte in einer Tiefe von 16,5 m unter dem heutigen NN die marine Transgression. In weiteren Sedimentkernen ist ein durchschnittlich um 6,8 m/ka ansteigender Meeresspiegel mit Altern zwischen 8,3 und 7,8 cal. ka B.P. belegt. Spätestens um 6,9 cal. ka B.P. erreichte der Meeresspiegel sein heutiges Niveau, während des holozänen Transgressionsmaximums lag sein Niveau mit <1,5 m über dem aktuellen Meeresspiegel. Zwischen 7,1 und 6,9 cal. ka B.P. ist das Ende offenmariner und der Beginn lagunärer Bildungen nachweisbar, die ohne den Einfluss einer limnischen Phase bis heute anhalten. In den lagunären Sedimenten sind zwei regressive Phasen um 6,0 cal. ka B.P. und sehr markant um 2,0 cal. ka B.P. dokumentiert, die jeweils mindestens 1.000 Jahre andauerten. Eine Koinzidenz dieser Regressionen mit Tsunamiereignissen legt den Schluss nahe, dass coseismische Vertikalbewegungen (Landhebungen) dafür verantwortlich waren, die sich im Folgezeitraum jedoch wieder regenerierten. Entlang der seismisch aktiven, südchilenischen Küste sind Meeresspiegelindikatoren, die unterschiedliche, tektonisch bedingte Hebungsbeträge der Krustenblöcke zwischen 2 und 6 m/ka belegen, bislang nur punktuell bekannt. Für das Gebiet des Lago Budi zeigen die Sedimentkerne eine relativ stabile tektonische Situation ohne größere Hebungstendenzen seit mindestens 7 cal. ka B.P. Markante, bis zu 18 cm mächtige, Magnetit führende Sandlagen in den Lagunensedimenten stellen Spuren vergangener Tsunamiereignisse außergewöhnlicher Magnitude dar, die spätestens ab 6,5 cal. ka B.P. dokumentiert sind. Während des holozänen Transgressionsmaximums sind mindestens vier Tsunamiereignisse zwischen 6,4 und 4,6 cal. ka B.P. belegt, die ein durchschnittliches Wiederholungsintervall von etwa 500 Jahren zeigen. Zwischen 2,7 cal ka B.P. und Christi Geburt sind zwei weitere seismische Events dokumentiert. Im Zeitraum zwischen 4,6 und 2,7 cal. ka B.P. und während der letzten 2.000 Jahre gibt es außer dem Ereignis vom Mai 1960 keine eindeutigen Hinweise auf Tsunamis. Die Pollendaten weisen im Gegensatz zu den Klimarekonstruktionen im Seengebiet auf ein relativ feuchtes kühlgemäßigtes Klima zwischen ~9,5 und ~7,0 ka cal BP hin. Zwischen ~7 und 5,1 cal. ka B.P ist ein markanter Wandel in der Florenzusammensetzung, hin zu trockeneren und wärmeren Bedingungen zu verzeichnen, die etwa bis ~3,8 cal. ka B.P. andauern. Im Zeitraum zwischen 8,2 und 8 cal. ka B.P. sind erstmalig relativ hohe Gehalte an Maispollen zu verzeichnen, die mit gleichzeitig deutlich zunehmenden Konzentrationen an Holzkohlepartikel auf eine Präsenz des Menschen in der unmittelbaren Umgebung des Lago Budi hindeuten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2005). Paleolimnologic Investigations at Lago Budi, IX. Region, Chile - recent insights -. LAK 2005
Wallner, J., Daut, G., Mäusbacher, R., Brückner, H., Schellmann, G. & Pino, Q. M.
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(2006). A first approach to trace paleo-tsunami events in coastal and limnic sediments in the area of Lago Budi (Chile). 1. Int. Tsunami Field Symp., March 2nd-4th Bonaire
Brückner, H., Wallner, J., Daut, G., Mäusbacher, R. & Schellmann, G.
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(2007). Cultivated wetlands and emerging complexity in south-central Chile and long distance effects of climate change. Antiquity 81, S. 949-960
Dillehay, T.D., Pino Quivira, M., Bonzani, R., Silva, C., Wallner, J. & Le Quesne, C.
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(2007). Late Glacial/Holocene Landscape Evolution at Lago Budi, Chile (38,9°S) - Paleoseismical Investigations on Lake Sediments -. INQUA 2007 Cairns
Wallner, J., Abarzúa, A.M., Brückner, H., Daut, G., Schellmann, G. & Mäusbacher, R.
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(2007). Late Glacial/Holocene Landscape Evolution at Lago Budi, Chile (38,9°S) - Paleoseismical Investigations on Lake Sediments -. LAK 2007 Kiel
Wallner, J., Abarzúa, A.M., Brückner, H., Daut, G., Schellmann, G. & Mäusbacher, R.
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(2007). Late Glacial/Holocene Landscape Evolution at Lago Budi, IX. Region/Chile - Paleolimnological and Palaeoseismical Investigations on Lake Sediments -. ILIC 2007 Barcelona
Wallner, J., Abarzúa, A.M., Brückner, H., Daut, G., Schellmann, G. & Mäusbacher, R.
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(2008). Holozäne Landschaftsentwicklung am Lago Budi, Chile (38,9°S) -Paläolimnologisch/paläoseismische Untersuchungen an Lagunensedimenten-. Dissertation, Friedrich Schiller Universität Jena, 146 Seiten
Wallner, J.