Simulation der elektronischen Wechselwirkung schneller, schwerer Ionen mit Festkörpern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Dieses von der DFG geförderte Projekt befasst sich mit der Entwicklung einer Computersimulation, die zum ersten Mal in der fast 100-jährigen Geschichte der Wechselwirkung von Ionen mit Materie sowohl den Ladungs- und Anregungszustand des Ions als auch die deponierte Energie im Target berechnet. Dies geschieht in einer geschlossenen Form, so dass bis auf den anfänglichen Projektil- und Targetzustand keine weiteren Parameter benötigt werden. Damit unterscheidet sich diese Methode von allen bisherigen Modellen und Theorien, die allesamt den Projektilladungszustand im Target als freien Parameter behandeln. Im Gegensatz dazu berechnet die hier entwickelte Simulation die Entwicklung des Projektilladungs- und Anregungszustand sowie seinen Energieverlust während des Eintritts und Flugs durch das Target auf intrinsische Art und Weise. Diese Methode ist vor allem für all jene Anwendungen wichtig, die nicht im Ladungsgleichgewicht stattfinden, also etwa die Nanostrukturierung von Oberflächen oder elementspezifische Tiefenprofile nahe der Oberfläche mit atomarer Auflösung. Im Oberflächenbereich befindet sich das Projektil nicht im Gleichgewichtszustand, den es erst im Target erreichen kann. Alle Methoden jedoch, die den Ladungs- und Anregungszustand des Projektils als freien Parameter benutzen, können somit die Situation weit weg vom Gleichgewicht nicht adäquat beschreiben. Über solche anwendungsorientierten Fragestellungen hinaus hat unsere Simulation auch wesentlich zum theoretischen Verständnis bislang kontrovers diskutierter Konzepte beigetragen. Hier soll vor allem die Frage genannt werden, warum der spezifische Energieverlust im Festkörper höher ist als in einem Gastarget. Die genaue quantitative Aufteilung zwischen höherem Ladungszustand und höherer Anregung wurde erst mit unserer Methode möglich. In einer noch laufenden Diplomarbeit wird darüber hinaus untersucht, warum der Energieverlust in dichten Plasmen nochmals höher als in kalten Festkörpern ist. Überraschenderweise stellte sich im Verlauf des Projekts heraus, dass unsere Simulation besondere Bedeutung in einem an sich völlig separaten und relativ neuem Gebiet der Physik findet, nämlich der Beschleunigung von Ionen mit Hochleistungslasern. Die dabei gemessenen Ladungs- und Energieverteilungen stellen im Lichte unserer Simulationen die bisherigen Vorstellungen über den zugrunde liegenden Beschleunigungsmechanismus in Frage und führten bereits zu neuen Experimenten. Möglich wurden diese komplexen Computersimulationen durch einen aus mittlerweile 48 einzelnen CPUs bestehenden Recrmer-Cluster. Auf internationalen Konferenzen und Seminaren ist gezeigt worden, welche Vorteile solche zeitaufwendigen Simulationen gegenüber analytischen Theorien mit ihren vielen freien Parametern haben können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- F. Grüner et al., Physical Review Letters, 92,213201 (2004)
- J. Schreiber et al., Applied Physics B, 79, 1041 (2004)