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Die Rolle der limbischen Funktionsschleife der Ratte beim Klassisch-Instrumentellen Transfer

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5422822
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Auswahl von Handlungen und die Intensität ihrer Ausführung wird stark von Umweltsignalen beeinflusst, die Informationen über potentielle Belohnungen oder Gefahren enthalten. So erhöht die Präsenz eines belohnungsprädiktiven, klassisch konditionierten Stimulus (CS+) generell die Intensität mit der instrumentelle Handlungen ausgeführt werden. Die Gegenwart eines belohnungsprädiktiven CS+, z.B. der Geruch mancher Speisen, kann außerdem die Präferenz für eine bestimmte Handlung selektiv erhöhen. Diese Vorgänge werden als genereller bzw. ergebnisbezogener „Klassisch- Instrumenteller Transfer“ (Pavlovian Instrumental Transfer, PIT) bezeichnet. Sie machen die enge Verschränkung von Lernvorgängen deutlich, die auf klassischer und instrumenteller Konditionierung beruhen und erfüllen wichtige biologische Funktionen. Zwei Teilstrukturen der limbischen Funktionsschleife, der Nucleus accumbens (ACB) und das ventrale tegmentale Areal (VTA), sollen Schlüsselpositionen bei der Vermittlung der aktivierenden Einflüsse von CS+ auf instrumentelles Verhalten einnehmen. Wir konnten diese Annahme erhärten und nachweisen, dass die Inaktivierung des Dopamin-Systems in der VTA bzw. dem ACB den generellen PIT blockiert. Das mesoaccumbale Dopamin-System reguliert demnach den Einfluss von konditionierten Umweltsignalen auf die Handlungssteuerung. Dieser bedeutsame Befund wurde unlängst, z.B. durch Arbeiten mit optogenetischen Manipulationen des mesoaccumbalen Dopamin-Systems, bestätigt. Glutamaterge Signalübermittlungswege unter Beteiligung ionotroper Glutamat-Rezeptoren sind offenbar nicht an der Steuerung des generellen PIT beteiligt. Überraschenderweise beeinträchtigte eine Blockade der mesostriatalen Dopamin-Transmission den ergebnisbezogenen PIT nicht. Das mesostriatale Dopamin-System scheint demnach an klassischen oder instrumentellen Lernvorgängen nicht maßgeblich beteiligt zu sein. Unlängst publizierten Arbeiten an Mäusen mit genetischer Manipulation dopaminerger Neurone der VTA kamen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Entgegen den Vorhersagen mancher theoretischer Lernmodelle (z.B. temporal difference learning, Rescorla-Wagner-Modell) führt also eine Blockade phasischer striataler Dopamin-Signale nicht zu Beeinträchtigungen der untersuchten assoziativen Lernvorgänge. Unsere Befunde zeigen weiter, dass akuter Stress, anders als Verabreichung eines Stresshormons, die Wirkung klassisch konditionierter Stimuli im PIT nicht verstärkten konnte. Dieser Befund widerlegt die Annahme nicht, dass Stresshormone, möglicherweise durch eine Stimulation der Dopamin-Transmission im ACB, eine solche Wirkung entfalten könnten. Allerdings scheinen die physiologischen Wirkungen von akutem Stress komplexer als die einzelner Stresshormone zu sein und potentiell verstärkte Wirkungen konditionierter Stimuli aufzuheben. Unsere Arbeiten bestätigen demgegenüber, dass eine Glucocorticoid-Rezeptoraktivierung, wie sie z.B. unter akutem Stress auftritt, das Erlenen einer klassischen Konditionierung tendenziell verstärken kann, möglicherweise über eine erhöhte Dopamin-Transmission im ACB. Sie zeigen darüber hinaus auf, dass sich mit der etablierten Standard- Testaufgabe des PIT eine mutmaßlich erhöhte Wirksamkeit von unter Glucocorticoid- Rezeptoraktivierung konditionierten Stimuli nicht nachweisen lässt, vermutlich aus methodischen Gründen. Unsere Befunde tragen zu einem erweiterten Verständnis der grundlegenden Organisation zielgerichteter Handlungen beim Tier und Mensch bei. Denn PIT steuert in vergleichbarere Weise die Intensität und Auswahl von Handlungen des Menschen, z.B. bei Kaufentscheidungen oder beim Rückfall in süchtiges Verhalten durch Stimuli, die mit Suchtmittelwirkungen assoziiert sind. Darüber hinaus wurden mithilfe funktioneller Bildgebung deutliche Übereinstimmungen der neuralen Substrate des PIT bei Mensch und Tier festgestellt. Der PIT bildet deshalb ein geeignetes Modell für translationale Untersuchen von neuralen Grundlagen der Handlungssteuerung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2005). Effects of a systemic AMPA/KA and NMDA receptor blockade on Pavlovian-Instrumental transfer. Psychopharmacology, 182: 290-296
    Murschall A., Hauber W.
  • (2006). Inactivation of the ventral tegmental area abolished the general excitatory influence of Pavlovian cues on instrumental performance. Learning Memory, 13 123-126
    Murschall A., Hauber W.
  • (2008). Dopamine D1 and D2 receptors in the nucleus accumbens core and shell mediate Pavlovian-instrumental transfer. Learning Memory 15:483-495
    Lex, A., Hauber W.
  • (2009). Dopamine release in the prefrontal cortex and striatum: Temporal and behavioural aspects. Pharmacopsychiatry, 43:S32-S41
    Hauber W.
  • (2011). The role of dopamine in the dorsomedial striatum in general and selective Pavlovian-instrumental transfer. Eur. J. Neurosci. 33: 717-725
    Pielock S, Lex B., Hauber, W.
 
 

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