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"Muschelgeld". Die frühkoloniale Verbreitung und Indigenisierung von Wertgegenständen in Neuguinea am Beispiel einer Molluskenschale

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2004 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5424161
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, anhand von Museumsobjekten frühkoloniale Handelswege in Neuguinea zu untersuchen. Unter Verwendung von Erkenntnissen aus der ethnologischen Globalisierungsforschung sollte den dynamischen Prozessen der Aneignung, Umwandlung und Bedeutungszuweisung nachgegangen werden. Dabei stand die Schale der Schneckengattung Melo, eine bis zu 50 cm große Meeresschnecke, im Zentrum der Betrachtung. Ihre Wege von der Küste ins Hochland und von dort durch den ganzen Westteil der Insel Neuguinea, die Provinz Papua (Indonesien), sollten mittels der Methode der multi-sited ethnography so weit als möglich verfolgt werden. Die Erforschung der Spuren ethnografischer Objekte unterschiedlichster Form, jedoch alle wenigstens zum Teil aus der Melo-Schale bestehend, bedeutete das Herstellen einer Verbindung zwischen „immobilen" Museumsobjekten im „Hier" (Europa) und dynamischen kulturellen Aneignungs- und Umdeutungsprozessen im „Dort" (Papua). Aus dem Heute heraus wurden, so weit als möglich, frühkoloniale Verhältnisse, die Handelswege, Tauschaktionen, die Bearbeitungs- und Verwendungsformen nachgezeichnet. Diese Verbindungen zeitlicher und räumlicher Art waren unabdingbar, um der Faszination, die diese Schneckenschale mit ihren wundersamen Wegen, auf denen sie sich zu bewegen schien, ergründen zu können. Obwohl die Forschung in Papua durch militärische Sperrgebiete beschnitten worden war, bot sich die Gelegenheit, eine Zeit politisch bedingter Zäsur wissenschaftlichen Arbeitens in Papua zu überwinden. Dadurch konnte an wissenschaftliche Resultate der 1960er und 1970er Jahre angeknüpft werden. Die Forschung hat zu einem vertieften Verständnis der unterschiedlichen Erscheinungsformen dieser Schneckenschale und ihrer kulturellen Einbindungen geführt: als männlicher Schmuck bei Stammeskriegen und als Sakralobjekt, welches der Gemeinschaft Kraft spendete. Ebenso wurden die verschiedenen Dimensionen ihres Wertes und die mit der Melo verbundenen kosmogonen Vorstellungen rund um ihre Herkunft untersucht. Neue Erscheinungsformen ethnografischer Objekte konnten ebenfalls dokumentiert werden, bisher unbekannte kulturelle Bedeutungen aufgedeckt und zoologische Hypothesen erhärtet werden. Die aus der Forschung entstandene Ethnografie über die Melo-Schnecke besteht aus einer Reihe von Essays, welche die unterschiedlichen Forschungszugänge und die verschiedenen Verwendungskontexte der Melo verdeutlichen. Sie gewährt auch Einblick in einstige Austauschverhältnisse und die Art und Weise des Handels in Papua zur frühkolonialen Zeit. Heutzutage besitzt die Schneckenschale im Zusammenhang mit Mission und Tourismus nur noch wenig von den einstigen kulturellen Bedeutungen; diese neuen Zusammenhänge verdeutlichen die tiefgreifenden, dynamischen Veränderungsprozesse, die seit den 1960ern stattgefunden haben.

 
 

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