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Menasse ben Israel - Biographie eines jüdischen Intellektuellen im 17. Jahrhundert

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2004 to 2009
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5426508
 
Final Report Year 2008

Final Report Abstract

Menasse ben Israels Leben (1604-1657) fiel in die Hochphase chrisflicher Hebraica. Überall im Europa des 17. Jahrhunderts studierten Gelehrte die hebräische und aramäische Sprache, setzten sich mit dem Talmud, den Midraschim und den rabbinischen Kommentaren des Mittelalters auseinander, befassten sich mit den politischen und religiösen Einrichtungen des Aken Israel, der Geschichte der Juden seit biblischen Zeiten sowie den Riten und Praktiken des Judentums. Menasse ben Israel erkannte den Markt, der für das jüdische Wissen existierte, und reagierte, indem er seit 1633 systematisch für Christen publizierte. Mit seinen Publikationen erhoffte der Rabbiner für sich eine feste Position in der christlichen Gelehrtenrepublik und für seine Nation Anerkennung und eine Verbessemng ihrer Lebensbedingungen. Insgesamt lassen sich für Menasses Wirken in christlichen Gelehrtenkreisen fünf Phasen ausmachen. Die erste dieser Phasen begann mit dem Conciliador (1632) und dessen lateinischer Übersetzung durch Dionysius Vossius (1633). In dem Buch kompilierte Menasse die Stellungnahmen jüdischer und christlicher Gelehrter zu scheinbar widersprüchlichen Stellen in der Tora. In einer zweiten Phase bemühte sich Menasse, durch den Erfolg des Conciliador ermutigt, mit dem Konzept einer Abrahamitischen Theologie an sein christliches Publikum heranzutreten. Bei dieser Theologie handelte es sich um eine Gotteslehre, die auf den gemeinsamen Stammvater Abraham zurückging und Probleme beinhaltete, die Judentum und Christentum gemein waren. Zwei Bestandteile dieser Gotteslehre, die Schöpfung und die Auferstehung, behandelte Menasse in seinen Schriften De creatione problemata XXX {\(iiS) und De resurrectione mortuorum libri III (1636). Doch Menasses Konzept stieß in christlichen Gelehrtenkreisen auf Widerspmch. So wandte sich der Rabbiner in einer dritten Phase wieder von seiner Idee einer Abrahamitischen Theologie ab und reagierte statt dessen auf die Anfragen christlicher Gelehrter, die für ihre Polemik in innerchristlichen Auseinandersetzungen an jüdischen Standpunkten Interesse zeigten. Hierzu musste Menasse christiiche Lehren - wie im Falle der De termino vitae libri tres (1639) diejenige von der doppelten Prädestination oder im Falle der Dissertatio de fragilitate humana (1642) diejenige von der Erbsünde - in jüdische Kontexte übersetzen. Trotz der anfänglichen Befürchtungen des Rabbiners gingen diese Übersetzungen konfliktfrei aus. So fühlte sich Menasse in einer vierten Phase und seiner Esperanga de Israel (1650) ermutigt, mit der Frage nach der Zukunftserwartung der Juden wieder seine eigenen Themen in christliche Kreise zu tragen. Gleichzeitig verkündete er erstmals sein Programm: Durch ihr Wissen konnten die Juden zu Ansehen und Einfluss und damit auch zu einer Verbessemng ihrer Stellung in den christiichen Gesellschaften ihrer Zeit gelangen. Die Wiederansiedelung der Juden in England, die der Rabbiner in einer fünften Phase betrieb, war die konsequente Fortsetzung dieses Programms. Doch offensichtlich hatte Menasse seine Grenzen überschritten. Bereits 1655 wandten sich bekannte Philosemiten und ehemalige Freunde ab. Darm endete auch die Whitehall-Konferenz ohne Ergebnisse. Menasse antwortete in seinen Vindiciae Judaeorum (1656) noch einmal auf die antijüdischen Vorwürfe, die im Zusammenhang mit den Englandverhandlungen laut geworden waren. Danach zog er sich aus der christlichen Öffentlichkeit zurück. Seine Vermittlungsbemühungen waren an ihre Grenzen gelangt. Seine Bücher wurden von christiichen Gelehrten als Belege für die Verbreitung christlicher Lehren im Judentum zitiert. Seine jüdischen Glaubensgenossen begegneten Menasse mit Vorsicht und Distanz. Am Ende glich Menasse ben Israels Schicksal demjenigen frühneuzeitlicher Konvertiten, die sich als Kulturvermittler zwischen der christlichen Welt, in der sie lebten, und der jüdischen, aus der sie kamen, hin und her bewegten und gleichzeitig in keiner der beiden Welten angenommen und akzeptiert wurden. - In meinem Buch, das ich im Winter 2008 als" Manuskript abschließen werde, stelle ich Menasse ben Israel als einen Kulturvermittler im Dienste des Judentums vor. Ich untersuche Menasses Strategien der Übersetzung jüdischen Wissens in christliche Kontexte. Und ich überprüfe, wie christliche Gelehrte ihrerseits die Schriften Menasses so übersetzten, dass sie in dem Rabbiner einen Vertrauten der Art erkermen konnten, wie er selbst es nie war. Am Ende meiner Darstellung widme ich mich der Frage nach Menasse ben Israels Stellung in der christlichen Gelehrtenpublik seiner Zeit und - mit dieser Frage verbunden - derjenigen nach Erfolg und Scheitem des von Menasse ben Israel initiierten Kulturtransferprozesses in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Insgesamt ist mein Ziel, mit meiner Arbeit zu allen neueren Studien beizutragen, die sich mit der Rolle von Rabbinern und Konvertiten in der Geschichte der christlichen Hebraica beschäftigen, und gleichzeitig die Fördemng nach einer Verbindung von Jüdischer Geschichte und Kulturtransferforschung zu unterstützen, die in der Literatur neuerdings verstärkt erhoben wird.

Publications

  • Über die Auferstehung der Toten. Uriel da Costa, Menasse ben Israel und die christliche Respublica litteraria, in: Wilhelm Schmidt-Biggemann, Georges Tamer (Hg.), Kritische Religionsphilosophie. Eine Gedenkschrift für Friedrich Niewöhner, Berlin, New York 2010, 167-191.

  • Von der gelehrten zur intellektuellen Debatte. Die Indianer und die englische Diskussion über die Wiederzulassung der Juden im 17. Jahrhundert
    Rainer Bayreuther, Meinrad von Engelberg, Sina Rauschenbach, Isabella von Treskow
  • Judentum für Christen. Vermittlung und Selbstbehauptung Menasseh ben Israels in den gelehrten Debatten des 17. Jahrhunderts, Berlin 2012
    Sina Rauschenbach
  • Mediating Jewish Knowledge. Menasseh ben Israel and the Christian Respublica Litteraria, in: The Jewish Quarterly Review 102,4 (2012), 661-688.
    Sina Rauschenbach
 
 

Additional Information

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