Entscheidungs- und Abrufkriterien bei emotionalen Erinnerungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Erinnerungen an emotional bedeutsame Tatsachen, Erfahrungen oder Ereignisse erscheinen uns häufig detaillierter, lebhafter und genauer als sonstige Erinnerungen. Dieser Eindruck ist tatsächlich trügerisch, denn kontrollierte Studien zeigen, dass emotionale Erinnerungen trotz hoher subjektiv empfundener Sicherheit oft falsch sind. Unser Projekt hat das Wesen dieses Phänomens näher beleuchtet und folgende Ergebnisse erbracht: 1. Es handelt sich um eine echte Gedächtnistäuschung und nicht etwa um einen veränderten Umgang mit Gedächtnisunsicherheit (z.B. eine erhöhte Neigung, etwas als wahr darzustellen, von dem wir uns eigentlich nicht sicher sind). Das Ergebnis hat uns überrascht, da wir ursprünglich vermutet hatten, dass das Phänomen auf der Ebene der Entscheidung über Gedächtnisinformation entsteht. 2. Die emotionsinduzierte Erinnerungsverzerrung tritt sowohl bei negativen als auch bei positiven Ereignissen auf, also sowohl bei der Erinnerung an einen Autounfall als auch bei der Erinnerung an eine bestimmte Liebesnacht. Offenbar ist es die erregende Konnotation von emotionalen Erinnerungen, die die Gedächtnistäuschung hervorbringt, nicht ihr motivationaler Wert. 3. Die Gedächtnistäuschung tritt besonders stark auf, wenn wir uns emotionale Wörter merken und später wiedergeben sollen. Sie ist schwächer bei emotionalen Bildern (Fotos, Gesichtsausdrücke) und Geschichten. Dies spricht dafür, dass der Effekt bei Wortlisten nicht nur von Emotionen getragen wird, sondern von einem weiteren, wortspezifischen Faktor abhängt. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Faktor um die Bedeutungsähnlichkeit emotionaler Wörter im Vergleich zu neutralen Wörtern ("Terror", "Horror", "Angst" und "Schrecken" sind sich in ihrer Bedeutung ähnlicher als "Hund", "Physik", "Gast" und "Garantie"). Es ist uns trotz umfangreicher Versuche nicht gelungen, diesen Faktor bei der Erstellung von Wortlisten zu eliminieren. 4. Die Gedächtnistäuschung ist unabhängig davon, wie gut das Gedächtnis ist. Selbst neurologische Patienten mit eingeschränkter Gedächtnisfünktion zeigen die emotionsinduzierte Erinnerungsverzerrung. Das spricht dafür, dass die Täuschung automatisch entsteht und nicht bewusst kontrolliert wird.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- WINDMANN, S., KIRSCH, P., MIER, D., STARK, R., WALTER, B., GÜNTÜRKÜN, 0., & VAUL, D. (2006). On framing effects in decision-making; unking lateral versus medial OFC activation to choice outcome processing. Journal of Cognitive Neuroscience, 18,1198-1211.
- WINDMANN, S., SCHNEIDER, T., RECZIO, J., GROBOSCH, M., VOELZKE, V., MANDRELU, W. et al. (2006). Intact emotion-induced recognition bias in neuropsychological patients with deficits in executive control functions. Cognitive, Affective, And Behavioral Neurosdence, 4, 270-276.