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Untersuchungen zur dualen Codierung von "Farbe": Perzeptuelle Materialfarben

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5434009
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projektes konnten - neben einer Vielfalt von neuen experimentellen Detailbefunden zu den Triggerbedingungen von Metallglanz sowie von Materialqualitäten wie ‚glasartig‘ – theoretische Einsichten in grundlegende interne Prinzipien gewonnen werden, die der Beziehung von sensorischem Input und Wahrnehmungsleistung zugrunde liegen. Bisherige Untersuchungen zur ökologischen Physik von Szenen, die zu den entsprechenden optischen Inputmustern führen, hatten bereits gezeigt, daß eine angemessene physikalische Beschreibung dieser Inputs eine hochgradig komplexe Beschreibung lokaler und globaler statistischer Beleuchtungseigenschaften und Oberflächeneigenschaften voraussetzt. Unsere Befunde zeigen nun am Beispiel des phänomenalen Metallglanzes darüber hinaus, daß keine Art der Beschreibung externer physikalischer Regularitäten des Zusammenwirkens von Oberflächen und Beleuchtung für ein theoretisches Verständnis der entsprechenden Wahrnehmungsleistungen ausreichend ist. Insbesondere zeigen sie, daß die bislang gängigen theoretischen Konzeptionen über die für diese Leistungen verantwortlichen Wahrnehmungsmechanismen in grundlegender Weise unangemessen sind. Die Eigenschaften der internen Codierung von Materialqualitäten lassen sich nicht - wie etwa die als ‚inverse Optik‘ bezeichneten computationalen Zugangsweisen oder inferentielle Zugangsweisen, wie dem Bayesschen Ansatz, vorgeben - aus externen physikalischen Regularitäten gewinnen. Vielmehr basieren sie auf spezifischen und bezogen auf externe physikalische Regularitäten hochgradig idiosynkratischen internen Kausalanalysen auf der Basis der beteiligten abstrakten Datenformate bzw. Konzeptformen. Vorrangige Aufgabe für die Wahrnehmungsforschung ist es also, die Natur dieser internen Kausalanalysen sowie die Struktur der beteiligten Konzeptformen zu identifizieren. Im Falle der Materialqualität ‚Metallglanz“ konnten wir zeigen, daß sich die beteiligten Kausalanalysen auf die Trennung von ‚akzidentellen‘ und ‚essentiellen‘ Attributen für Konzeptformen für ‚Oberflächen‘ beziehen (in Einklang mit einer entsprechenden Vermutung von Ewald Hering). Für das Attribut ‚glasartig‘ gestaltet sich, unseren Befunden zufolge, die Identifikation von Triggeringbedingungen sehr viel schwieriger als im Falle des Metallglanzes, doch konnten wir nachweisen, daß dieses Attribut intrinsisch mit der Codierung des sog. ‚Zwischenmediums‘ und somit direkt mit Eigenschaften der internen Raumorganisation zusammenhängt. Zu möglichen Anwendungsaspekten unserer Befunde: Für den technischen Bereich des Rendering von Materialqualitäten im Medium der graphischen Bildschirmdarstellung zeigen unsere Befunde, daß es wenig fruchtbar ist, sich dabei ausschließlich von externen Regularitäten der ökologischen Optik leiten zu lassen. Vielmehr müssen hier die durch die spezifische Struktur interner Datentypen bzw. Konzeptformen bedingten Codierungseigenschaften identifiziert werden. Von besonderer Bedeutung für Belange des Rendering ist dabei die von uns aufgezeigte Dissoziation zwischen der phänomenalen Ausgeprägtheit einer Materialqualität (wie z.B. phänomenalen Metallglanz) und dem Grad ihrer ‚phänomenalen Realität‘. Unsere Befunde zeigen, daß sich das Attribut ‚phänomenal real‘ auf theoretischer Ebene gleichsam als eine besondere ‚Materialqualität‘ ganzer ‚Szenen‘ bzw. ‚Situationen‘ (als temporale mentale Objekte) auffassen läßt und ein eigenständiges und unabhängiges Attribut von Konzeptformen für Objekttypen der Art ‚Szene‘ bzw. ‚/Situation‘ ist (was im Einklang mit entsprechenden Intuitionen von Michotte steht). Dieser Befund ist wiederum für den technischen Bereich der sog. Immersionsforschung von Bedeutung (z.B. bilden die theoretischen Projektarbeiten die Grundlage einer soeben fertiggestellten Dissertation in der Informatik mit dem Thema „Visuelle Voraussetzungen für Immersion in Fulldome-Umgebungen“).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006). Material appearances under minimal stimulus conditions: Lustrous and glassy qualities. Perception, 35, Suppl., 213-214
    Mausfeld, R. & Wendt, G.
  • (2007). The contribution of binocular cues to gloss perception. Perception, 36, Suppl., 83
    Wendt, G., Faul, F. & Mausfeld, R.
  • (2008). Highlight disparity contributes to the authenticity and strength of perceived glossiness. Journal of Vision, 8(1):14, 1-10
    Wendt, G., Faul, F., & Mausfeld, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1167/8.1.14)
  • (2010). Colour within an internalist framework: The role of 'colour' in the structure of the perceptual system. In: J. Cohen & M. Matthen (eds.). Color Ontology and Color Science (pp. 123-148). Cambridge, Mass: MIT Press
    Mausfeld, R.
  • (2010). Disparity, motion, and color information improve gloss constancy performance. Journal of Vision, 10(9): 7
    Wendt, G., Faul, F., Ekroll, V. & Mausfeld, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1167/10.9.7)
  • (2010). Intrinsic Multiperspectivity: On the Architectural Foundations of a Distinctive Mental Capacity. In Frensch, P.A. & Schwarzer, R. (eds.) Cognition and Neuropsychology: International Perspectives on Psychological Science, Vol.1 (pp. 95-116). Psychology Press.
    Mausfeld, R.
  • (2010). The perception of material qualities and the internal semantics of the perceptual system. In: L. Albertazzi, G. van Tonder & D. Vishwanath (eds.). Perception beyond Inference. The Information Content of Visual Processes. (pp. 159-200). Cambridge, Mass: MIT Press
    Mausfeld, R.
  • (2011). Intrinsic Multiperspectivity. Conceptual Forms and the Functional Architecture of the Perceptual System. In: W. Welsch, W. J. Singer & A. Wunder (eds.). Interdiciplinary Anthropology: Continuing Evolution of Man (pp. 19-54). Berlin: Springer
    Mausfeld, R.
  • (2012). Der Schein des Realen. Die empiristische Fehlkonzeption der Wahrnehmung und das Wahrnehmungsattribut ,phänomenal real'. In: Kluck, S. & Volke, S. (Hrsg.) Näher dran? Zur Phänomenologie des Wahrnehmens. (S.192-219). Freiburg: Alber
    Mausfeld, R.
  • (2013). The attribute of realness and the internal organization of perceptual reality. In: L. Albertazzi (ed.). Handbook of Experimental Phenomenology; Visual Peception of Shape, Space and Appearance (pp. 91-118). Chichester: Wiley
    Mausfeld, R.
  • (2013). Zur Phänomenologie und internen Semantik der Wahrnehmungsattribute 'phänomenal real' und 'phänomenal unreal'. In K. Mertens & I. Günzler (Hrsg), Wahrnehmen, Fühlen, Handeln. Phänomenologie im Wettstreit der Methoden. Mentis Verlag
    Mausfeld, R.
  • (2014). Lustrous material appearances: Internal and external constraints on triggering conditions for binocular luster. I-Perception, 5, 1-19
    Mausfeld, R., Wendt, G. & Golz, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1068%2Fi0603)
 
 

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