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Prinzipienorientierte Ansätze in der biomedizinischen Ethik: Tragweite und Grenzen

Antragsteller Professor Dr. Jochen Vollmann, seit 7/2005
Fachliche Zuordnung Praktische Philosophie
Förderung Förderung von 2004 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5437032
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Beauchamp und Childress vertreten eine Common morality-Theorie der Rechtfertigung, ergänzt mit einer Kohärenztheorie. Dieser Ansatz kann nicht überzeugen. Verstanden in der 4. Auflage ihres Buches als herrschende moralische Überzeugungen einer Gesellschaft, kann die Common morality keine normative Relevanz jenseits ihrer faktischen Geltung entwickeln. In der 5. Auflage wird unter Common morality die gemeinsame Moral aller moralisch seriösen Personen verstanden. Dieser Ansatz hat große konzeptionelle Schwierigkeiten mit moralischem Fortschritt. Entweder ist kaum jemand als moralisch seriös qualifiziert oder kaum eine moralische Norm ist Bestandteil der Common morality oder kaum eine Handlung wird von der Common morality als unmoralisch ausgeschlossen. Zudem ist eine Common morality als fundamentistischer Ansatz konzeptionell unvereinbar mit einer Kohärenztheorie der Rechtfertigung, weil kohärentistische Ansätze gerade anti-fundamentistisch konstituiert sind. Die Methode der Spezifizierung erwies sich entgegen aller Kritik als ein sehr leistungsfähiges Werkzeug, um abstrakte Normen und Prinzipien in konkreten Kontexten zum Tragen zu bringen, moralische Konflikte klar herauszuarbeiten und die Komplexität der moralischen Überzeugungen und Anschauungen angemessen abzubilden. Sie beinhaltet per se keine Vorgabe, wie Normen zu spezifizieren und konfligierende Spezifizierungen zu lösen sind, sondem erfordert eine strukturierte, diskursive Rechtfertigung. Dafür ist die Anbindung an eine Begründungstheorie notwendig. Im Praxistest erwies sich der prinzipienelhische Ansatz als fruchtbar, um eine strukturierte Problemanalyse und Urteilsbildung konkreter Fälle und Problembereiche anzuleiten. Sein Problemlösungspotenzial hängt wesentlich von der verwendeten Begründungstheorie ab. Ausgehend von dem Prima facie-Charakter der Prinzipien ergeben sich für den prinzipienethischen Ansatz gute Aussichten, für eine kulturübergreifende Bioethik fruchtbar gemacht werden zu können. Dabei kann plausibel die Position eines moderaten ethischen Pluralismus entwickelt werden. Diese erlaubt eine kontextsensitive Differenzierung der moralischen Beurteilung verschiedenen Kulturen ohne in einen Kulturrelativismus zu verfallen. Die Anerkennung, dass es nicht für jedes moralisches Problem eine eindeutige Lösung geben muss, fordert die Möglichkeit der Toleranz in bioethischen Kontroversen ohne eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber bioethischen Fragestellungen zu verbreiten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2005): Die Begründung medizinethischer Prinzipien - Common Sense oder Kohärenz? In: Düwell M, Naumann J (Hg.): Wie viel Ethik verträgt die Medizin? Paderbom (Mentis), S. 87-104.
    Rauprich O
  • (2008): Common Morality - Comment on Beauchamp and Childress. Theoretical Medicine and Bioethics 29 (1): 43-71
    Rauprich O
  • (2008): Prinzipienethik und Common Morality - zum kulturübergreifenden Anspruch des Ansatzes von Beauchamp und Childress. In: Biller-Andomo N, Schulz-Baldes A, Schaber P (Hg.): Gibt es eine universale Bioethik? Paderbom (Mentis), S. 227-242
    Rauprich O
  • (2008): Universelle ethische Prinzipien und Vielfalt ethischer Überzeugungen. Skizze eines moderaten Pluralismus für die Medizinethik im Anschluss an den Prima-facie-Ansatz nach Ross. In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hg.): Pluralität in der Medizin. Werte - Methoden - Theorien. Freiburg (Alber), S. 131-155
    Rauprich O
 
 

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