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Zeitbereichsformulierungen instationärer Windlasten infolge böigem Wind für Schädigungsanalysen hoher Bauwerke

Fachliche Zuordnung Konstruktiver Ingenieurbau, Bauinformatik und Baubetrieb
Förderung Förderung von 2004 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5437052
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Basierend auf den Messdaten, die vom Institut für Stahlbau der Technischen Universität Braunschweig am 344 m hohen Mast Gartow II gewonnen werden, wurden die Charakteristiken der Windturbulenz in der atmosphärischen Grenzschicht ermittelt. Durch die seit 1989 durchgeführten Messungen konnte die Datenbasis statistischer Eigenschaften der natürlichen Windströmung validiert und so das mikrometeorologische Ingenieurmodell der Windturbulenz auf eine abgesichertere Basis gestellt werden. In Erweiterung früherer Auswertungen vorliegender Messergebnisse der Windstruktur wurden für über 400 Zeitreihenmessungen die Profilexponenten des Geschwindigkeits- und des Turbulenzintensitätsprofils mittels robuster Funktionsapproximation ermittelt und bezüglich der mittleren Windgeschwindigkeit klassiert. So konnte gezeigt werden, dass auch bei Windgeschwindigkeiten unterhalb U < 16 m/s eine Approximation der Profile für Windgeschwindigkeit und Turbulenzintensität mittels Exponentialfunktionen möglich ist. Durch die Erweiterung der Messanlage mit 2-dimensionalen Ultraschallanemometern konnte gezeigt werden, dass die von Kármán’schen Leistungsdichtespektren sowohl der longitudinalen als auch der lateralen Turbulenz stets eine gute Approximation der gemessenen Spektralverläufe auch bei niedrigen Windgeschwindigkeiten darstellen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag auf einer Beschreibung des mathematischen Zusammenhangs zwischen den turbulenten Schwankungen der longitudinalen sowie der lateralen Windgeschwindigkeiten und den damit verbundenen Schwankungen der Windkräfte. Es wurde ein quasistationäres Zeitbereichsmodell für die Wirbelerregung in turbulenter Strömung hergeleitet, welches auf der analytischen Darstellung eines monofrequenten Signales in der komplexen Zahlenebene beruht. Dieses Modell kann die in Windkanalmessungen an Kreiszylindern beobachtete Breitbandigkeit der Wirbelablösung sehr gut simulieren. Mittels Hilbert-Transformation konnte nachgewiesen werden, dass die Momentanfrequenz solcher Signale der turbulenzabhängigen Strouhal-Frequenz äquivalent ist. Zur Identifikation instationärer Übertragung wurde ein lineares, zeitinvariantes und ausgangsgestörtes Übertragungsmodell mit den beiden Turbulenzkomponenten eines Windsensors als Systemeingänge und der gemessenen Windkräfte des verkleideten Mastschaftes in longitudinaler oder lateraler Richtung als Systemausgang angenommen. Hieraus wurden für unterschiedliche Windereignisse die komplexen aerodynamischen Admittanzen aus konditionierten Leistungsdichtespektren der Systemprozesse gewonnen. Die Forderung von Kausalität an physikalische Systeme verbietet eine direkte Rücktransformation dieser Admittanzen in den Zeitbereich, da unvermeidbare Störungen zu komplexen Admittanzen führen, deren Real- und Imaginärteile keine Paare der Hilbert-Transformation sind. Durch Approximation der komplexen aerodynamischen Admittanzen im Frequenzbereich mittels rationaler Funktionen konnten Impuls- und Sprungantwortfunktionen gefunden werden, die den Bedingungen der Kausalität genügen. Die mittels genetischen Algorithmus identifizierten Funktionen beschreiben den gemessenen Amplitudengang gut und ermöglichen eine Berücksichtigung der frequenzabhängigen instationären Übertragung der Windturbulenz im Zeitbereich. Die Frage, welche physikalische Deutung hinter dem Verlust semi-positiv definiter Eigenschaften der Spektraldichtematrix steht, ist nach Kenntnis des Verfassers nicht geklärt. Eine mögliche Ursache mag in der verwendeten Kohärenzfunktion nach Davenport liegen. Diese Funktion führt für f -> 0 stets zur Kohärenz 1, auch wenn die betrachteten Punkte sehr weit auseinander liegen. Hierdurch wird das Auftreten komplexer Hauptdiagonalelemente bei einer Cholesky-Zerlegung begünstigt. Bei der numerischen Simulation eines Windfeldes ist man auf Parameter aus verschiedenen Quellen angewiesen. Für die Beschreibung der vertikalen Kohärenzen haben die Messungen am Mast Gartow II eine Vielzahl von Daten geliefert. Zur vollständigen Beschreibung des Windfeldes sind aber auch Angaben über die horizontale Kohärenz nötig. Hier ist nahezu keine Datenbasis aus Naturmessungen vorhanden, da die Messungen vergleichsweise schwierig sind. Die Möglichkeiten, die der Messmast Gartow II bereits bietet, sollten ausgebaut werden, um zusätzliche Windsensoren an den Pardunen anzubringen, damit zukünfig verlässliche Aussagen auch über die horizontale Korrelation möglich sind. Ziel weiterer Untersuchungen bezüglich der aerodynamischen Übertragung muss die Beschreibung der in dieser Arbeit als Störprozess interpretierten Anteile sein. So lassen sich große Teile, vor allem des Quertriebs, nicht mittels linearer Modelle über die Anströmung beschreiben. Eine Nichtlinearität als Ursache von Teilen des Störprozesses wurde in der vorliegenden Arbeit nicht identifiziert. Auch wenn eigene Untersuchungen sowie vorangegangene Arbeiten keinen Zusammenhang mit den quadratischen Schwankungsgliedern vermuten lassen, sollte in der Erfassung von nichtlinearen Effekten bei der aerodynamischen Übertragung der Fokus zukünftiger Arbeiten liegen. Abhilfe könnten Windkanalversuche schaffen, um erstens die in Naturmessungen stets vorhandenen Störungen zu vermeiden und zweitens durch gesteuerte Parameterstudien Modellunschärfen durch häufige Wiederholung zu reduzieren. Die Gestalt von Impulsantworten für andere Baukörper, wie zum Beispiel Fachwerkstrukturen oder Brückenquerschnitte, könnte dort ebenfalls mit der hier vorgestellten Methode ermittelt werden. Systematische Windkanaluntersuchungen sind auch zur Validierung für den zumindest theoretisch gangbaren Weg einer Ermittlung der aerodynamischen Admittanzen aus den aeroelastischen Derivativa notwendig. Vergleichende Kraftmessungen an starr gelagerten und schwingenden Modellen in turbulenter Strömung könnten diese theoretische Äquivalenz bestätigen oder falsifizieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Peil, U.; Clobes, M.: Effect of unsteady aerodynamic admittances on life cycle of guyed masts. 1st International Symposium on Life-Cycle Civil Engineering (IALCCE'08), 2008, Varenna, Italy.

  • Clobes, M.: Identifikation und Simulation instationärer Übertragung der Windturbulenz im Zeitbereich. Dissertation TU Braunschweig, Shaker-Verlag, Aachen 2008, ISBN 978-3- 8322-7206-7

  • Peil, U., Clobes, M.: Impulsantwortfunktionen zur Beschreibung turbulenzinduzierter Windlasten - Ein Vergleich mit Naturmessungen und quasistationären Berechnungsansätzen. 2005, , Luzern, Schweiz, 9. WtG-Dreiländertagung D-A-CH 2005

  • Peil, U., Clobes, M.: Modelle zur instationären Übertragung der Windturbulenz im Zeitbereich - Verifikation an Naturmessungen. 2006, VDI-Berichte Nr 1941, S. 263-276, VDIVerlag, Düsseldorf, Kassel, VDI-Tagung Baudynamik

  • Peil, U., Clobes, M.: Time domain model for buffeting wind loads verified in full scale measurements. 2005, Structural Dynamics-Eurodyn 2005, S. 2231-2236, Millpress, Rotterdam, Paris, 6th international conference on structural dynamics

  • Peil, U., Clobes, M.: Time domain model for buffeting wind loads verified in full-scale measurements. 2005, , Paper 154, EACWE 4 - The fourth European & African Conference on Wind Engineering, ITAM ASCR Prague

  • Peil, U.; Clobes, M.: Beschreibung der instationären Übertragung der Windturbulenz mittels transienter Funktionen - numerische Untersuchungen an abgespannten Masten. Praktische Anwendungen in der Windingenieurtechnik, S. 73-88, 2007, 10. Dreiländertagung D-ACH 2007 der Windtechnologischen Gesellschaft e.V., ISBN 3-928909-09-6, WTG-Berichte Nr. 10

  • Peil, U.; Clobes, M.: Böenwindlasten auf abgespannte Maste - Vergleichsrechnungen zum Bemessungsverfahren in EDIN 4131. Bauingenieur 82, 2007

  • Peil, U.; Clobes, M.: Ersatzlastverfahren zur Böenwirkung auf abgespannte Maste nach E DIN 4131 - Validierung und Parameterstudie. Praktische Anwendungen in der Windingenieurtechnik , 2007, 10. Dreiländertagung D-A-CH 2007 der Windtechnologischen Gesellschaft e.V., ISBN: 3-928909-09-6, WTG-Berichte Nr. 10, S. 213-228, Windtechnologische Gesellschaft e.V..

  • Peil, U.; Clobes, M.: Identification and simulation of transient unsteady admittance on guyed masts. 7th European Conference on Structural Dynamics, 2008, Southampton.

 
 

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