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Numerische Simulationen und Windkanalversuche zur aktiven mechanischen Flatterkontrolle von Brücken

Fachliche Zuordnung Angewandte Mechanik, Statik und Dynamik
Förderung Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5437054
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Flatterschwingungen von Brücken sind ein aeroelastisches Instabilitätsphänomen. Es handelt sich um Biege- und Torsionsschwingungen, die in kurzer Zeit zum Einsturz führen. Die schwingungsanfachenden Luftkräfte werden dabei durch die Verschiebungen des Brückenträgers im Strömungsfeld des Windes hervorgerufen und in ungünstiger Weise gesteuert. Die Möglichkeit, das Schwingungsverhalten durch gezieltes Einleiten zusätzlicher Kräfte (aktive Schwingungskontrolle) günstig zu beeinflussen, ist - wenigstens im Brückenbau - bisher nicht realisiert worden. Da die Schwingungsanfälligkeit von Brücken mit der Spannweite anwächst, kann aber davon ausgegangen werden, dass für künftige Großbrücken extremer Spannweite aktive Schwingungskontrollen sinnvoll zum Einsatz gebracht werden können - sei es in der fertig gestellten Brücke, sei es für kritische Bauzustände. Ziel des Forschungsvorhabens war die rechnerische und experimentelle Untersuchung aktiver mechanischer Dämpfer zur Unterdrückung von Flatterschwingungen von Brücken. Verschiedene Reglerentwürfe und Aktuatoren wurden untersucht und in ihrer Funktionsweise optimiert. Mit dem geplanten Vorhaben in der jungen Forschungsdisziplin der aktiven Flatterkontrolle von Brücken sollten Grundlagen für den baupraktischen Einsatz geschaffen werden. Im letzten Projektjahr wurde der vorgeschlagene, neuartige aktive mechanische Dämpfer mit Doppelunwuchtrotoren - auch Rotordämpfer genannt - näher untersucht und mit Hinblick auf Prototypenanwendungen weiterentwickelt. Diese Vorrichtung überzeugt durch einen einfachen mechanischen Aufbau, jedoch ist zum Betrieb eine nichtlineare Regelung des Dämpferantriebs zwingend erforderlich. Da sich der Literatur keine geeigneten Methoden einer derartigen Regelung entnehmen ließen, wurde ein eigener Ansatz verfolgt und verschiedene Regelungsstrategien entwickelt. Diese basieren auf der Einstellung der Phase zwischen der mit dem aktiven Dämpfer generierten Kraftgrößen (Kontrollkraft oder Kontrollmoment) und der Bewegung der zu kontrollierenden Brücke. Zur realitätsnahen Überprüfung des entwickelten Konzepts wurden für eine Anwendung in einer Beispielbrücke numerische Modelle erstellt und rechnerisch implementiert. Das nichtlineare Verhalten des geregelten Systems erfordert Simulationen im Zeitbereich. Die Ergebnisse umfangreicher numerischer Simulationen bestätigen die Wirksamkeit der entwickelten Schwingungskontrolle. Auf Basis der Simulationsergebnisse wurden die Komponenten der Kontrollvorrichtung für die Beispielanwendung vordimensioniert. Neben den Abmessungen und der Größe der Kontrollmassen der Vorrichtung wurden so die erforderliche Leistung und Drehmomente des Antriebs bestimmt. Selbst mit kleinen Verhältnissen der Kontrollmasse zur modalen Masse der Brücke von unter einem Prozent ist eine signifikante Erhöhung der kritischen Windgeschwindigkeit - der geringsten Windgeschwindigkeit, bei der Flatterschwingungen auftreten - möglich. Die bereitzustellenden Drehmomente können von Antrieben mit relativ kleinen Leistungen aufgebracht werden. Mit Hilfe von numerischen Simulationen konnte auch eine sehr hohe Energieeffizienz nachgewiesen werden. Im Vergleich zu anderen mechanischen Schwingungskontrollen entzieht die entwickelte Vorrichtung nahezu kontinuierlich Energie der schwingenden Brücke. Der zeitweise Eintrag von Energie in das System ist gering. Für ein vereinfachtes System wurden die überlegene Energieeffizienz und der vergleichsweise geringe Leistungsbedarf auch analytisch nachgewiesen. Diese vorteilhaften Eigenschaften sind in der andersartigen Arbeitsweise des entwickelten Schwingungsdämpfers begründet. Die zur Kontrolle der Brückenschwingung genutzten Kraftgrößen werden bei dem Rotordämpfer durch eine Bewegung der Kontrollmassen mit konstanter Geschwindigkeit generiert. Dagegen werden in allen anderen mechanischen Schwingungskontrollen die Kräfte oder die Momente durch Beschleunigen der Kontrollmassen erzeugt - ein Prozess wofür zyklisch Antriebsleistung und -energie aufgebracht werden muss. Zum Nachweis der Funktionalität der entwickelten Flatterkontrolle unter realistischen Bedingungen wurde eine einfache Konfiguration der Vorrichtung experimentell untersucht. Ein entsprechend ausgerüstetes Brückenteilmodell wurde am Institut hergestellt und im institutseigenen Windkanal getestet. Das Modell wurde anpassungsfähig ausgestaltet, so war z.B. das Frequenzverhältnis der beiden beteiligten Eigenmoden der gekoppelten Brückenschwingungen einstellbar. Die Größe der gesamten Kontrollmasse zu der der Gesamtmasse des Modells betrug in einem Fall 0,5 % und in einem zweiten 1,0 %. Mit Hilfe des Software-Pakets „Matlab" wurden verschiedene Regelgesetze implementiert. Die Versuche mit der entwickelten Flatterkontrolle waren erfolgreich, und es konnten sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Die kritische Windgeschwindigkeit des aktiv kontrollierten Brückenteilmodetls konnte im Experiment mit beiden Kontrollmassegrößen gegenüber dem Modell ohne Schwingungskontrolle verdoppelt werden. Tatsächlich war es mit der Flatterkontrolle möglich, das Flattern des Modells komplett zu verhindem. In diesen Fällen trat in den Versuchen Torsionsdivergenz auf, die eine statische Versagensart des aeroelastischen Systems ist und mit keiner mechanischen Schwingungskontrolle beherrschbar ist. Allgemein lässt sich zeigen, dass unter idealen Bedingungen beliebig kleine Kontrollmassen in der entwickelten Schwingungskontrolle verwendet werden können, um Flattern einer Brücke auszuschließen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass durch Variation des verwendeten Konzepts der entwickelten mechanischen Flatterkontrolle und Kombination von mehren Vorrichtungen gleicher oder ähnlicher Bauart eine Vielzahl von neuartigen Schwingungskontrollen mit vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten entwickelt werden können. Aufgrund des andersartigen zugrunde liegenden Prinzips bilden diese eine neue Kategorie innerhalb der Klasse der aktiven mechanischen Schwingungsdämpfer. Neben der Nutzung der entwickelten Vorrichtung zur Kontrolle von Flatterschwingungen wurde auch die Anwendbarkeit zur Dämpfung von böeninduzierten Schwingungen eines Brückenträgers nachgewiesen. Außerdem wurde aus einer Variante eine Vorrichtung zur Dämpfung von fußgängerinduzierten Brückenschwingungen entwickelt und die Wirksamkeit analytisch und numerisch nachgewiesen. Die Funktionsfähigkeit wurde in Versuchen experimentell bestätigt. Es ist geplant, einen Prototypen dieser Vorrichtung in einer Fußgängerbrücke zu installieren und zu testen. Da das Konzept des Schwingungsdämpfers sehr wandelbar ist, sind vielfältige Anwendungen im konstruktiven Ingenieurbau - auch außerhalb des Brückenbaus - sowie im Maschinenbau möglich. Wegen der Möglichkeit, sehr effizient große Kontrollkräfte und -momente zu generieren, bietet sich vor allem ein Einsatz zur Dämpfung schwingungsanfälliger Strukturen mit großer Masse wie Brückenträger mit großer Spannweite, Brückenpylone, Hochhäuser, Türme, Masten, Krane und Offshorebauwerke an. Künftige Forschungsarbeiten sollen weitere Anwendungsmöglichkeiten des neuartigen Schwingungsdämpfers, z.B. bei Windenergieanlagen, untersuchen. Dabei muss ein Schwerpunkt auf die Entwicklung geeigneter Regelgesetze gelegt werden, da die bereits entwickelten nicht den jeweiligen besonderen Anwendungsbedingungen gerecht werden können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006). "Passive und aktive Flatterikontrolle von Brücken". Forschungskolloquium Baustatik - Baupraxis, Obergurgl, Osterreich, 19.-22. September 2006
    Scheller, J. und Starossek, U
  • (2008). "A new energy-efficient device for active control of bridge vibrations". In: Creating and Renewing Urban Structures — Tall Buildings. Bridges and Infrastructure (IABSE). Chicago, USA
    Scheller, J. und Starossek, U.
  • (2008). "A novel active mass damper for vibration control of bridges". In: 4th International Conference on Bridge Maintenance, Safety, and Management (IABMAS'08), Seoul. Korea
    Starossek, U. und Scheller, J.
 
 

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