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Struktur-Eigenschaftskorrelation anisotroper Gläser

Fachliche Zuordnung Herstellung und Eigenschaften von Funktionsmaterialien
Förderung Förderung von 2005 bis 2007
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5438296
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gläser erfahren aufgrund herausragender Malerialeigenschaften breite Anwendung in den Bereichen Architektur, Verkehr, Energie und Umwelt. Die Richtungsunabhängigkeit (Isotropie) optischer und mechanischer Eigenschaften stellt eine Gmndvoraussetzung für ihre massenhafte Herstellung durch ein Heißformgebungsverfahren (Floaten, Ziehen, Pressen) dar und ist in der randomisierten Struktur des Glases und ihrer Relaxation begründet. Im Gegensatz hierzu können Gläser und Glaskeramiken in folge einer speziellen thermomechanischen Behandlung anisotrope, d.h. richtungsabhängige Eigenschaften erhalten, die für besondere Anwendungen, z.B. als optische Elemente (Filter) und in Glasfasem von Bedeutung sind. Eine Verknüpfung zwischen anisotropen Eigenschaften und der Glasstruktur bleibt jedoch im Detail unverstanden. Daher soll das Vorhaben zur Klärung der strukturellen Ursachen mechanischer und optischer Anisotropie in Gläsern sowie deren energetische Quantifizierung beitragen. Die wesentlichen Ergebnisse seit der Antragstellung sind: [Deubener, Wondraczek (2005)] • Die optische Anisotropie (spezifische Doppelbrechung) in silicatischen Gläsem ist nicht linear mit dem Polymerisiemngsgrad, d.h. der Anzahl Nichtbrückensauerstoffe pro Si- Tetraeder (NBO/T) verknüpft. Es werden in binären und ternären Alkalisilicaten Maxima der Anisotropie beobachtet, welche strukturelle Anomalien implizieren. Dabei hängt die Höhe der Maxima vom Gesamtalkaligehalt und von den molaren Anteilen der Alkalioxide im Glas in der Reihenfolge K2O > Na20 > Li20 ab. • Berechungen der Molrefraktion, d.h. des Produkts aus spezifischer Refraktion und optischem Raumausfüllungsgrad, sowie der effektiven Feldstärke zeigen, dass in doppelbrechenden Gläsem veränderte Kationen (Alkali)- und Anionen (NBO)- Polarisierbarkeiten wirken, welche durch Strukturmodifikationen wie Dehnungen und Orientiemngen von Netzwerkfragmenten veursacht sein können. [Martin, Wondraczek, Deubener, Yue (2005)]' • Anisotrope Metaphosphatgläser, die durch uniaxialen Druck bei T > Tg verformt und bis Raumtemperatur unter Last gekühlt wurden (Kühlrate =» 2 K min-1), geben beim Wiederaufheizen im sub-Tg Bereich zusätzliche Wärme ab. Durch Integration der Wärmemenge konnte die mechanisch induzierte Exzessenthalpie quantifiziert werden. Dabei sind die auf die optische Anisotropie normierten Wärmemengen von Phosphatgläsem ca. 2 Größenordnungen größer als die von Silicatgläsem. [Min, Deubener, Yue (2008)] • In Calcium-Boroalumosilicat (E-Glas) Fasem, die unter extremen Verformungsbedingungen (Ziehspannung < 100 MPa, Abkühlrate > 10hoch6 K s-1) gezogen wurden, führt eine anschließende thermische Behandlung bei T < Tg zur simultanen Relaxation von Überschussenthalpie und Doppelbrechung. Jedoch relaxiert die Doppelbrechung wesentlich schneller als die Enthalpieabgabe. Letztere wird in diesen hochabgeschreckten Glasfasern durch den thermisch induzierten Anteil dominiert, der zu einer bis zu 200 K höheren fiktiven Temperatur führt. Die zeitliche Abhängigkeit beider Relaxationsmechanismen kann durch Kohlrausch-Funktionen angepasst werden. Ein kleinerer Kohlrausch-Exponent der Doppelbrechungsrelaxation weist im Vergleich zur Enthalpierelaxation auf eine breitere Verteilung der partizipierenden Konfiguration hin. [Deubener, Yue, Bornhöft, Ya (2008)] • Die Messung der Relaxation von Doppelbrechung und Exzessenthalpie (E-Glasfasem) in Zeit- und Temperaturdomänen macht eine Entkopplung beider Mechanismen deutlich. Während der Abbau der optischen Anisotropie eine Aktivierungsenthalpie von nur 25 kJmol-1 benötigt, die geringer ist als die Barriere für Alkalidiffusion (50-70 kJmol-1), werden für den Enthalpieabbau deutlich höhere Werte (nahe denen für strukturelle Relaxation des Netzwerkes) bestimmt. Die Relaxation optischer Anisotropie in Gläsern wird daher auf lokale Strukturgrößen zurückgeführt, die ein Zeitspektrum von 10hoch2-10hoch4 Sekunden im untersuchten sub-Tg Bereich aufweisen, jedoch im Gegensatz zur Alkalibeweglichkeit stehen, für die Relaxationszeiten im Bereich Mikro- bis Nanosekunden gemessen werden. Somit kann die Doppelbrechungsrelaxation nicht in die Abfolge von a-, ß-, y- Relaxationen (innere Reibung) in Gläsem eingereiht werden. [Celarie, Rädlein, Mroz, Deubener, in Vorbereitung] • Bruchoberflächen gezogener Metaphosphatg äser zeigen eine anisotrope Rauhigkeit, die auf der Ausrichtung von Glashügelmuster zu kammartigen Strukturen basiert, jedoch auch den Einfluss der Rissausbreitungsrichtung erkennen lässt. Es wird angenommen, dass die Oberflächentextur eine Ausrichtung auf molekularer Ebene der Glasstruktur widerspiegelt. Die maximale Differenz der Rauhigkeit, als Maß der Anisotropie, ist in gezogenen Gläsem mit 2.5 nm ca. doppelt so groß wie in unbehandelten Referenzgläsern. Die quantitative Bestimmung der strukturellen Anteile erfordert jedoch die Kontrolle der Rissausbreitungsrichtung, die zurzeit in weiteren Versuchen einbezogen wird. Um zu prüfen, ob das Fließen einer Glasschmelze unter uniaxialen Druckspannungen mit der kooperativen Bewegung von Struktureinheiten korreliert, die thermisch eingefroren werden können, soll die Druckabhängigkeit der Bor-Koordination in E-Glas untersucht werden. Hierzu wurden bereits Gläser unter isostatischem Druck (bis 500 MPa) von H. Behrens (LU Hannover) und unter einaxialem Dmck (bis 140 MPa) in Clausthal hergestellt. Es ist geplant für beide Glasreihen die Bor-Koordination mittels NMR zu bestimmen. Hieraus wird Aufschluss erwartet zur möglichen Überlagerung von thermischen und druckabhängigen Anteilen, die einen direkten Nachweis einer strukturellen Anisotropie in abgeschreckten EGlas Fasem durch Bor-NMR verhindem. Das Verständnis struktureller Charakteristika kann dazu eingesetzt werden, die beobachtete höhere Festigkeit anisotroper Glasfasem weiter zu optimieren und technisch nutzbar zu machen. In Bezug zur Festigkeit von Glasfasem stehen auch die geplanten Untersuchungen mechanischer Eigenschaften anisotroper Gläser insbesondere hinsichtlich des plastischen Verhaltens (Fließen vs. Verdichtung) und zur Rissöffnung (COD) bei Eindruckverfahren mit dem Ziel strukturelle Beiträge zur Bruchzähigkeit zu identifizieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • F. Celarie, A. Dittmar, A. Peters, L. Wondraczek, J. Deubener (2006) Sub-micro stmcture in anisotropic phosphate glass, 80. Glastechnische Tagung, Dresden, 2006, Verlag der Deutschen glastechnischen Gesellschaft (DGG) Offenbach 2006.

  • 'Y. Min, J. Deubener, Y. Yue (2008) Enthalpy and Anisotropy Relaxation of Glass Fibers, J. Am. Ceram. Soc. 91, 745-752

  • B. Martin, L. Wondraczek, J. Deubener, Y. Yue (2005) Mechanically induced excess enthalpy in inorganic glasses, Appl. Phys. Let. 86, 121917.

  • J. Deubener, L. Wondraczek (2005) Anisotropic alkali silicate glasses by frozen-in strain, in: H. Li (Ed.) Melt chemistry, relaxation, and solidification kinetics of glasses, The American Ceramic Society Westerville 2005, Ceram. Transact. 170, 47-56.

 
 

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