Technologie für die duktile Zerspanung von TiAl-Werkstoffen mit geometrisch bestimmter Schneide
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bei der Zerspanung intermetallischer Titanaluminide erfolgt, ähnlich wie bei konventioneilen metallischen Titanwerkstoffen, die Spanbildung stark lokalisiert. Der Werkstoff neigt bei ungünstigen Eingriffsbedingungen zu Rissen und Ausbrüchen in der Schnittflächenrandzone. Darüber hinaus sind die erreichbaren Standzeiten der Werkzeuge gering. Innerhalb des hier beschriebenen Vorhabens sind Modeiluntersuchungen zur Identifizierung des Einflusses der Prozessparameter auf die Spanbildungsmechanismen und die Verschleißerscheinungsformen erfolgt. Darüber hinaus wurden umfangreiche Untersuchungen mit dem Ziel vorgenommen, die Randzonenbeeinflussung infolge der spanenden Bearbeitung zu charakterisieren. Unter Berücksichtigung der im Vorfeld ermittelten Erkenntnisse runden Untersuchungen zum Standverhalten der Werkzeuge beim Drehen, Bohren und Fräsen die Versuchsmatrix ab. Es konnte gezeigt werden, dass die Spanbildung im breiten untersuchten Schnittgeschwindigkeitsbereich von vc = 0,01 m/min bis 360 m/min durch lokalisierte Scherung und Schubbruch erfolgt. Die mittleren Spantemperaturen erreichen bei hohen Schnittgeschwindigkeiten die Spröd-Duktil-Übergangstemperatur. Der Übergang vom Fließ- zum Segmentspan tritt nicht auf, da der Werkstoff kristallographisch bedingt lokalisiert. Auch ein thermisch bedingter Übergang vom Segment- zum Fließspan durch Überschreitung der Spröd- Duktil-Übergangstemperatur tritt nicht auf. Die sich beim Restbruch in der primären Scherzone ausbildenden Scherflächen zeigen bereits bei konventioneller Schnittgeschwindigkeit von vc = 30 m/min Strukturen, die auf das Erreichen der Schmelztemperatur hinweisen. Neben der Reibung ist die bezogene Spanungsdicke als wesentlicher Einflussfaktor auf den Anteil der Stauzone in der Spanbildungszone ermittelt worden. Die Stauzone ist durch das Vorliegen hoher hydrostatischer Druckspannungszustände gekennzeichnet. In Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen konnte in Simulationen mit der Finiten-Element-Methode (FEM) darüber hinaus gezeigt werden, dass die hydrostatischen Druckspannungen zu einer Abnahme des Scherwinkels im Bereich der Stauzone vor der Schneidkante bis auf den Wert 0=0° führen. Sowohl die thermische Erweichung als auch die Bildung von Rissen im Bereich nahe der freien Werkstückoberfläche konnten nicht als primäre Ursachen der Scherlokalisierung bestätigt werden. Vielmehr erfolgt die Lokalisierung kristallographisch bedingt wegen der fehlenden plastischen Verformbarkeit unterhalb der Spröd-Duktil-Übergangstemperatur. Für den Spannungsabbau durch plastische Verformung stehen nicht ausreichend qualitativ hochwertige Gleitsysteme zur Verfügung. Die geringe Versagensdehnung ermöglicht damit nur eine geringe Erwärmung der primären Scherzone. Erst die geometrisch bedingte Induzierung hoher Druckeigenspannungen verhindert den Spannungsabbau durch Schub- oder Trennbruch. Die durch das Vorliegen hoher hydrostatischer Druckspannungen gesteigerte Verformungsfähigkeit ermöglicht eine Verfestigung mit zunehmender Verformung. Dadurch setzt sich die weitere Verformung in einem vorgelagerten Bereich fort. Dies hatte bereits Kreis als Ursache für die Bildung von Fließspänen angegeben [Kre73]. Als Folge wird ein großer Anteil der Spanbildungszone plastisch verformt. Die spezifischen Schnittkräfte steigen, da weniger Material durch spröde Materialtrennmechanismen energiearm abgetrennt wird. Gleichzeitig steigt jedoch die Schnittflächenqualität. Das Vorliegen des hydrostatischen Druckspannungszustands im Bereich der Spanbildungszone wird durch die Spanflächenreibung gefördert. Die mit der Schnittgeschwindigkeit und damit der Reibgeschwindigkeit zwischen Spanunterseite und Spanfläche sinkenden Schubfestigkeiten in der Spanunterseite tragen somit vermutlich dazu bei, dass bei duktilen Werkstückwerkstoffen ein Übergang von der Fließspanzur Segmentspanbildung erfolgt. Der Verschleiß bei der Bearbeitung intermetallischer Titanaluminide kann insbesondere durch die thermisch bedingte Abnahme der Warmhärte des Schneidstoffs zurückgeführt werden. Bei hohen Vorschüben und konventioneller Schnittgeschwindigkeit tritt zudem abrasiv bedingter Kerbverschleiß auf. Die tribologischen Modellversuche bestätigen die Erkenntnis, dass unbeschichtete Hartmetalle bei konventionellen Schnittgeschwindigkeiten wegen der ausreichenden Zähigkeit und guten chemischen Beständigkeit gegenüber Titanwerkstoffen das höchste Anwendungspotenzial aufweisen. Keramische Dünnschichtsysteme konnten aufgrund der geringen Wärmespreizeffekte und der meist hohen Affinität zum Werkstückwerkstoff keine eindeutigen Leistungspotenziale gegenüber unbeschichteten Hartmetallen nachweisen. Für höhere Schnittgeschwindigkeiten sind Schneidstoffe auf Basis von Diamant aufgrund der ausgezeichneten Wärmeleitfähigkeit geeignet. Der Verschleißfortschritt kann bei allen eingesetzten Schneidstoffen durch ausreichende Kühlung mit Hilfe der konventionellen Flutungskühlschmierung deutlich verlangsamt werden. Alle durch Plandrehen hergestellten Proben weisen in der Schnittflächenrandzone Druckeigenspannungen auf. Die Randzonenbeeinflussung der plangedrehten Proben hinsichtlich der erreichten Oberflächenrauheit, der Einhärtetiefen und Aufhärtung sowie der induzierten Eigenspannungen zeigen keine signifikante Beeinflussung durch die Steigerung der Schnittgeschwindigkeit. Dies bestätigt die in den Modellversuchen erarbeitete Erkenntnis, dass die Spanbildungsmechanismen durch die Steigerung der Schnittgeschwindigkeit im untersuchten Bereich von vc= 10 m/min bis 360 m/min nur gering beeinflusst werden. Die mit der Schnittgeschwindigkeit steigenden Temperaturen, im Wesentlichen hervorgerufen durch Reibung, führen in der Schnittflächenrandzone zu abnehmenden Druckeigenspannungen in Verbindung mit geringeren Aufhärtungen und Einhärtetiefen, da der Temperaturgradient höher und die lokale Wirkdauer geringer wird. Zu berücksichtigen ist hier jedoch der rapide Verschleißfortschritt der eingesetzten Werkzeuge. Der bei quasistatischer Prozessführung identifizierte Temperaturgrenzbereich für die Erzeugung von Schnittflächen ohne grobe Risse von T= 300 °C bis 500 °C Kann bereits bei konventionellen Schnittgeschwindigkeiten im Bereich von vc = 30 m/min bis 60 m/min erreicht werden. Als wesentlicher Einflussparameter auf die Oberflächen- und Randzoneneigenschaften konnte der Vorschub identifiziert werden. Jedoch ermöglicht der Einsatz runder Wendeschneidplatten auch bei hohem Vorschub von f= 0,20 mm die Herstellung von rissfreien Schnittflächen mit geringer Rauheit. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die verwendeten Wendeschneidplatten der ISO-Spezifikation RCMX120400 eine gefaste Schneidkante aufweisen. Die Fasenbreite übersteigt insbesondere bei den geringen eingestellten Vorschüben die Spanungsdicke. Somit ist ein effektiv negativer Spanwinkel anzunehmen. In Analogie zur bei den Experimenten in der Kinematik des Orthogonaldrehens ermittelten Abhängigkeit der Spanbildungsmechanismen von der bezogenen Spanungsdicke h' = h/r& kann auch hier von einer Steigerung des plastischen Verformungsvermögens ausgegangen werden, da der Anteil der durch hydrostatischen Druck beanspruchten Stauzone am Spanungsquerschnitt steigt. Dies zieht höhere Prozesskräfte nach sich, da bis zu einer Temperatur von 850 °C keine thermische Entfestigung wirkt. In Verbindung mit dem großen Eckenradius resultieren geringe Rauheiten, hohe Einhärtetiefen und Druckeigenspannungen insbesondere in Schnittrichtung. Mit größer werdendem Spanwinkel sinken bei duktilen Werkstoffen durch die Reduzierung der Umformgrade die Schnittkräfte. Daher ist zunächst untersucht worden, wie sich diese Erkenntnis auf die Zerspanung intermetallischer Titanaluminide mit bei RT sprödhartem Materialverhalten übertragen lassen. Durch die Änderung des Spanwinkels beim Außen-Längs-Runddrehen der stranggepressten Gefügemodifikation sinkt die Zerspankraft im untersuchten Bereich stetig. Hinsichtlich des Standverhaltens der eingesetzten Werkzeuge kann zusammengefasst werden, dass bei allen verwendeten Schneidstoffen die Schnittgeschwindigkeit die erreichbaren Standzeiten determiniert. Mit steigendem Spanwinkel sinken wie bei duktilen Werkstoffen auch bei der Zerspanung intermetallischer Titanaluminide die statischen Zerspankräfte. Dies wirkte sich jedoch bei den hier durchgeführten Versuchen nicht steigernd auf die Standzeiten aus. Die Schnittgeschwindigkeiten sind bei Verwendung von Wendeschneidplatten aus Hartmetall auf maximal 40 m/min zu beschränken. Keramische Dünnschichtsysteme konnten nicht zur Steigerung der erreichbaren Standzeiten beitragen. Trotz der geringeren Warmhärte im Vergleich zu Keramik, PCBN und Diamant weisen Wendeschneidplatten aus Hartmetall ein hohes Anwendungspotenzial auf. Die verwendeten runden RCMX-Wendeschneidplatten mit dem durch eine Schutzfase effektiv negativem Spanwinkel führten zu den besten Resultaten hinsichtlich der Standvolumina. Polykristalliner Diamant bietet die Möglichkeit, die Schnittgeschwindigkeiten bis 120 m/min bei vergleichbaren Standvolumina zu steigern. Höhere Schnittgeschwindigkeiten führen auch hier zu spontanem thermisch bedingtem Werkzeugversagen. Der Vorschub kann bei Verwendung von runden Wendeschneidplatten gesteigert werden, ohne dass die Schnittflächen- und Randzonenqualität signifikant verschlechtert werden. Da mit dem Vorschub auch die Kontaktfläche zwischen Span- und Spanfläche steigt, nimmt die thermische Belastung der Schneidkante signifikant zu. Die Steigerung des Vorschubs führt wegen der unterproportional sinkenden Standzeit bei Verwendung der RCMX-Wendeschneidplatten zu höheren Standvolumina. Die Erkenntnisse, die bei den orthogonalen Modellversuchen und Zerspanexperimenten in den Kinematiken des Planund Runddrehens hinsichtlich der Verschleißerscheinungsformen erarbeitet wurden, konnten auf die Verfahren Bohren und Fräsen übertragen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Uhlmann, E.; Herter, S.: Betrachtungen zu Spanbildung und Randzonenbeeinflussung beim Drehen intermetallischer Titanaluminide. DGM-Fachausschuss intermetallische Phasen, Dresden, 09.01.2008.
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Uhlmann, E.; Herter, S.: Studies on conventional cutting of intermetallic nickel and titanium aluminides. In: Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part B: Journal of Engineering Manufacture, Volume 220,9,2006, S. 1391-1398.
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Uhlmann, E.; Herter, S.: Zerspanung mit rotierender Wendeschneidplatte. Industriearbeitskreis CVD-Diamant-Werkzeuge, Berlin, 27.09.2007.
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Uhlmann, E.; Herter, S.; Zettier, R.: Rotation macht die Schneiden leistungsfähiger - Drehen intermetallischer Titanaluminide mit rotierenden Wendeschneidplatten. In: WB Werkstatt + Betrieb, 5, 2007, S. 32-36.