Verhaltensplastizität am Beispiel der Schreckreaktion bei Mäuse-Inzuchtstämmen und Mausmutanten
Final Report Abstract
Die Schreckreaktion (SR) ist das Verhalten mit der kürzesten Latenzzeit (ab 7 ms). Dies wird möglich durch eine Schreckreaktionsbahn, welche sehr kurz ist, bei der akustisch auslösbaren SR primäres und sekundäres akustisches Neuron, letzteres ist auf Riesenneurone in der pontinen Formatio reticularis (PNC) verschaltet; diese Riesenneurone sind dann teilweise direkt mit Motoneuronen verbunden. Trotz diesem einfachen (und gut untersuchbaren) Signalweg wird die SR durch vielfaltige Lernverhalten plastisch moduliert, weswegen sie ein exzellentes Modell zur Untersuchung der neuronalen Grundlagen des Lernens ist. Im vorliegenden Projekt wurde die Modulation der SR durch Habituation (Reaktionsabnahme bei wiederholter Reizung), Sensitivierung (Reaktionserhöhung nach Erfahrung eines aversiven Reizes) und Präpulsinhibtionslernen (s.u.) untersucht. Allen drei Lernformen ist gemeinsam, dass sie über Synapsen auf die Riesenneurone im PNC, der sensomotorischen Umschaltstelle der SR, vermittelt werden. Bei der Habituation bestärkten wir die Vermutung, dass dieses nichtassoziative Lernen in der Präsynapse von sekundären sensorischen Neuronen auf PNC-Neurone stattfindet. Die SR kann nicht nur durch akustische, sondern auch durch taktile (z.B. trigeminale) Reize ausgelöst werden. Wir haben in Verhaltenstest und begleitenden elektrophysiölogisehen Untersuchungen zuerst einen der beiden sensorischen Eingänge wiederholt stimuliert und dabei Habituation bzw. synaptische Depression (das zelluläre Korrelat der Habituation) ausgelöst. Die Frage war dann, ob bei Reizung des anderen sensorischen Astes die SR ebenfalls habituiert ist (in dem Fall sollte die Habituation in der gemeinsamen Endstrecke der SR stattfinden), oder ob die andere Modalität nicht habituiert ist (was ein Beweis wäre, dass Habituation im sensorischen Ast stattfindet). Letzteres war der Fall. Mit weitern Untersuchungen wurde dann gezeigt, dass dieses Lernen wahrscheinlich hauptsächlich in der Präsynapse des sensorischen Eingangs auf die PNC-Neurone stattfindet, und es gibt erste Hinweise, dass der metabotrope Glutamatrezeptor 8 (mGluRS) daran beteiligt ist. Bei der Sensitivierung widerlegten wir unsere eigene Hypothese, dass Glyzin dabei beteiligt ist. Wir zeigten auch, dass bei NCAM-knockout-Mäusen, welche allgemeine Lerndefizite aufweisen, die Sensitivierung verschlechtert ist. Die Präpulsinhibition (PPI) ist ein Paradigma, in welchem im Tierversuch und beim Menschen die Funktionalität eines sensorischen Filters auf gleiche Weise gemessen wird. Werden zwei Reize in kurzem Abstand (z.B. 50 ms) gegeben, dann wird die Verarbeitung des zweiten Reizes inhibiert, um zu ermöglichen, dass der erste Reiz zu Ende verarbeitet wird. Bei der PPI ist der zweite Reiz ein reflexauslösender Reiz; bei uns wird dabei eine SR ausgelöst, welche durch den Präpuls in der Amplitude vermindert wird, was als PPI gemessen wird. Wir haben in früheren Arbeiten bemerkt, dass PPI durch Erfahrung bei Mäusen verbessert werden kann. Dies ist umso spannender, weil ein Defekt der PPI bei Patienten mit Schizophrenie (und anderen Krankheiten) nachgewiesen ist, und dieser PPI-Defekt zurzeit nach Meinung vieler Labors das beste Paradigma zur Erforschung der Positivsymptomatik dieser Krankheit ist. Wir haben bewiesen, dass dieses Präpulsinhibtionslernen ein assoziativer Prozess ist. Nur wenn Präpuls und Schreckreiz gepaart geboten werden, findet dieser Lernprozess statt, nicht aber, wenn nur Erfahrung mit einem der beiden Reize oder mit dem Schreckreiz und dem Präpuls in ungepaarter Weise geboten wird. In Zukunft wollen wir uns auf die beiden Mechanismen konzentrieren, welche sich auf sensorische Filterung auswirken, auf Habituation und PPI, und versuchen, dies als Grundlagenforschung für Erkenntnisse zu Krankheitsbildern wie der Schizophrenie auszubauen.
Publications
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