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Morphologische Verarbeitung polymorphematischer Wörter. Ver-präfigierte Verben im Deutschen

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2004 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5440774
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem hier berichteten Projekt wurde die online-Verarbeitung ver-präfigierter Verben untersucht, um zu ermitteln, wie diese morphologisch komplexen Wörter im mentalen Lexikon gespeichert sind und welche Faktoren ihre sprachliche Verarbeitung beeinflussen. Zur Untersuchung dieser Fragestellung wurde eine Serie von drei Reaktionszeit-Experimenten zum lexikalischen Entscheiden konzipiert, an denen insgesamt ca. 180 sprachgesunde Probanden teilnehmen. Alle drei Experimente versuchten zu klären, ob ver-präfigierte Verben ganzheitlich oder dekomponiert verarbeitet werden. Untersucht wurde der Einfluss der Faktoren Wortart des Stamms, morphologische Struktur, Vollformfrequenz, Stammfrequenz und semantische Transparenz. Die vorliegenden Ergebnisse belegen einen Einfluss der Wortart des Stamms, der Vollformfrequenz und der semantischen Transparenz auf die visuelle Worterkennung von ver-präfigierten Verben. Stammfrequenzeffekte konnten nicht eindeutig nachgewiesen, aber auch nicht definitiv ausgeschlossen werden. Hier wäre eine noch striktere Kontrolle des Materials erforderiich, wobei fraglich ist, ob dies anhand des restringierten Sets an ver-präfigierten Verben möglich ist. Die Effekte der Wortart des Stamms wurden im Zusammenhang mit der morphologischen Struktur der ver-präfigierten Verben betrachtet. Die Ergebnisse aus Experiment 1 sind kompatibel mit der Annahme, dass präfigierte Verben mit einen Verb- bzw. Nomen/Verb-Stamm eine rechtsverzweigende Struktur aufweisen, während Vollformen, die von einem Nomen oder Adjektiv abgleitet sind, ausschließlich flach zeriegt werden können. Experiment 2 überprüfte diese Hypothese mit Hilfe eines morphologischen Priming-Paradigmas und konnte diese nicht eindeutig bestätigen. Der Einfluss der internen morphologischen Struktur eines ver-präfigierten Verbs konnte somit nicht eindeutig geklärt werden. Ebenso ist der Status von Vollformen, die ein Unikalmorphem enthalten, unklar. Der Vollformfrequenzeffekt (Experiment 1 und Experiment 3) ist sowohl mit einer dekomponierten als auch mit einer holistischen Repräsentation ver-präfigierter Verben vereinbar. Die Tatsache, dass morphologisches Priming jedoch für niedrigfrequente Vollformen sehr viel effektiver ist als für hochfrequente Vollformen spricht für eine Zwei-Routen-Verarbeitung, wobei hochfrequente Vollformen holistisch und niedrigfrequente Vollformen dekomponiert verarbeitet werden. Unterschiedliche Reaktionszeiten für voll-transparente Vollformen gegenüber semi-transparenten und opaken Vollformen sprechen gegen eine graduelle Verarbeitung der semantischen Transparenz eines komplexen Wortes. Entscheidend ist, ob ein Wort vollständig transparent ist oder nicht. Innerhalb der nicht vollständig transparenten Zielwörter (unterschieden wurden semi-transparente und opake Formen) zeigten sich keine Unterschiede. Längere Antwortlatenzen für opake als für transparente Vollformen sprechen für eine obligatorische Präfixabspaltung bei ver-präfigierten Verben, die nur für transparente Vollformen erfolgreich ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2005). Die Verarbeitung von ver-präfigierten Verben im Deutschen. PathoLink, 7, 14-15
    Heide, J. & Lorenz A.
  • (2006). Der Einfluss der morphologischen Struktur auf die Verarbeitung ver-präfigierter Verben. Neurolinguistisches Forschungskolloquium, Universität Potsdam
    Heide, J.
  • (2006). How does morphological structure influence the processing of German prefixed verbs? 5th International Conference on the Mental Lexicon. Montreal/ Kanada
    Heide, J., Lorenz, A., Meinunger, A. & Burchert, F.
  • (2006). How does morphological structure influence the processing of German prefixed verbs? Second International Conference of the German Cognitive Linguistics Association. München
    Heide, J.
  • (2006). Warum verlaufen anders ist als verschlüsseln und vergessen: Zum Einfluss der morphologischen Struktur auf die Verarbeitung von ver-präfigierten Verben. PathoLink, 9, 8-9
    Heide, J.
  • (2007). How does morphological structure influence the processing of German prefixed verbs? 25th European Workshop on Cognitive Neuropsychology. Bressanone/ Italien
    Heide, J., Lorenz, A., Meinunger, A. & Burchert, F.
  • (2008). Der Einfluss der Stamm- und Ganzwortfrequenz auf die Verarbeitung von derivierten Verben im Deutschen. 1. Herbsttreffen Patholinguistik. Potsdam
    Bartels, L., Heide, J., Lorenz, A. & Burchert, F.
  • (2008). Der Einfluss der Stamm- und Ganzwortfrequenz auf die Verarbeitung von derivierten Verben im Deutschen. In: Wahl, M., Heide, J. & Hanne, S. (Hrsg.). Spektrum Patholinguistik 1 - Der Erwerb von Lexikon und Semantik. Universitätsverlag Potsdam
    Bartels, L., Heide, J., Lorenz, A. & Burchert, F.
  • (2008). Lexical decision on German prefixed verbs: Full form and root frequency effects. 14th AMLaP. Cambridge/ UK
    Heide, J., Bartels, L., Lorenz, A. & Burchert, F.
  • (2008). Lexical decision on German prefixed verbs: Full form and root frequency effects. 6th International Conference on the Mental Lexicon. Banff/ Canada
    Heide, J., Bartels, L., Lorenz, A. & Burchert, F.
  • (2008). Normal and impaired processing of German prefixed verbs. EMCL Guest Speaker Seminar, Universität Potsdam
    Heide, J.
 
 

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