Transformation von Arbeitsbedingungen und Kategorisierungsmustern in der Softwareentwicklung in Deutschland im Internationalisierungsprozess der IT-Branche

• Antragstellerin: Privatdozentin Dr. Esther Ruiz Ben
• Fachliche Zuordnung: Empirische Sozialforschung
• Förderung: Förderung von 2005 bis 2010
• Projektkennung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5442228

• Erstellungsjahr: 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Alle betrachteten Organisationen charakterisieren sich durch eine zunehmende Orientierung an internationalen Kunden bzw. verstehen sich als internationale Dienstleister, die immer mehr ihre Portfolios mit Angeboten kundenindividueller Lösungen aufgrund unterschiedlichen Marktdrucks in den jeweiligen IT Segmenten der Branche erweitem müssen. Dies bestätigt die Untersuchungsergebnisse von Mayer-Ahuya und Feuerstein (2008) bez. einer „Ungleichmäßigkeit" in der Entwicklung der IT Branche. Nichts desto trotz bekommt internationales Projektmanagement allgemein eine zentrale Rolle, was sich in den Karrierestrukturen in allen untersuchten Untemehmen widerspiegelt, und wird zunehmend professionalisiert, was die neuesten Ergebnisse der Untersuchung von Kalkowski und Mickler (2009) bestätigen. Gleichzeitig hat die Internationalisierung der Arbeit in allen Fällen eine grundlegende berufliche Transformation und Intensivierung der Arbeit mit sich gebracht, die allerdings unterschiedliche Auswirkungen auf den Stellenwert „technischer" Arbeitsbereiche in den Organisationen zeigen. Je nach IT Segment, Kerngeschäftskonzentration und Positionierung im Mutterkonzem unterscheiden sich die substitutiven, fragmentierten sowie expansiven internationalen Beschäftigungspolitiken der Firmen und damit die jeweiligen internationalen Arbeitsteilungen und Stellenwerte „technischer" und „Management-"Tätigkeiten sowie Karriereformen und Asymmetrien zwischen Mitarbeiter/innen. Dementsprechend wird Expertise in unterschiedlichen Formen internationaler Professionalität institutionalisiert, die den klassischen professionellen Wert der Entscheidungsverantwortung von Experten/innen mit organisationalen bürokratischen Kontrollformen der Arbeit und des Wissens in Organisationen ergänzt und gleichzeitig die vorgesehene beruflicher Transformation unterschiedlich unterstützt (Evetts 2008; Ruiz Ben 2010 i. V.). Damit werden die institutionalistischen Divergenztheorien der Internationalisierung von Arbeit von Morgan und Quack (2005) bestätigt. Zeit, Mobilität und Expertise fungieren dabei als entscheidende Ressourcen mit wichtigen Implikationen für die Institutionalisierung von Geschlechtertollen in den Organisationen (s. dazu Ruiz Ben 2007a, 2007b). In Bezug auf Geschlechterasymmetrien wird der Zugang zu den Firmen für Frauen nach wie vor durch „mangelnde technische" Qualifikationen bestimmt. Denn auch für das neue zentrale Profil des internationalen Projektmanagers und -beraters werden sehr hohe technische Qualifikationen vorausgesetzt, die besonders in Dienstleistungsfeldem in Interaktion mit Kunden/innen in Verbindung mit Managementkompetenzen inszeniert werden soll. Vor allem in Firmen mit expansiven Beschäftigungspolitiken ist eine Qualifikation in Informatik zentral, aber auch in Firmen mit einer fragmentierten Beschäftigungspolitik. Anders gesehen bekommen Frauen mit solchen Qualifikationen große Chancen in solchen Firmen, wo sie als mögliche Multiplikatorinnen fungieren, um potentielle Informatikerinnen in die Firmen zu bekommen. In Firmen mit einer substitutiven Beschäftigungspolitik herrscht nach wie vor der Kostendruck und werden vor allem Mütter als potentieller Kostenfaktor gesehen. Asymmetrien zwischen Mitarbeiter/innen im Zusainmenhang mit der Internationalisierung von Informationsarbeit laufen quer zu den Kategorien Mutterschaft, Qualifikation, Alter, Nationalität und Expertise, die je nach Beschäftigungspolitik in den Organisationen unterschiedlich kombiniert und institutionalisiert werden. Damit werden die Ergebnisse von Funder (2006) bestätigt. Doch wichtig ist, die konkrete Expertisebedürfnisse der Organisationen sowie die spezifische kontextuelle Institutionalisierung solcher Expertise in verschiedenen Standorten langfristig zu berücksichtigen, um klare Erkenntnisse über die Verbindungen mit der internationalen Institutionalisierung von Geschlechterasymmetrien zu gewinnen. Unsere Studie kormte leider nur zeitlich punktuelle Ergebnisse in dieser Hinsicht liefern. Gerade im Laufe der aktuellen wirtschaftlichen Krise ist wichtig zu untersuchen, inwieweit die Internationalisierungsabsichten der Firmen sich realisiert haben oder ob die Firmen eher ihre Arbeitskapazitäten rezentralisieren. Allerdings ist sehr wahrscheinlich, dass verschiedene Flexibilisierungsoptionen immer mehr miteinander ergänzt werden (Flecker 2005; Bermer 2002), sodass innerhalb der gleichen Organisationen unterschiedliche Professionalisierungsniveaus von Arbeitsfeldem und entsprechende Intensivierungsgrade der Arbeit möglich sind, die auch eme schnellere Reaktion nach Krisenzeiten erlaubt. Wahrscheinlich werden solche Professionalisierungsprozesse sich zugunsten der Mitarbeiter/innen entwickeln, die eine solche Arbeitsintensivierung folgen und sich an die deutschen bzw. an die kundenbezogenen Erwartungen bezüglich Berufshabitualisierungen anpassen können. Solche Annahmen sollten empirisch überprüft werden. Offen bleibt, inwieweit sich in Firmen mit expansiven Beschäftigungspolitiken das Profil des Informatikers hin zum „Berater*' verschiebt und wie die ausländischen Mitarbeiter/innen besonders aus den neuen osteuropäischen Mitgliedsländern - bevorzugtes deutsches Arbeitsauslagerungsziel - langfristig in die Organisation integriert werden. Möglich ist auch, dass diese Firmen aufgrund des wachsenden Marktdrucks und der zunehmenden Orientierung am IT Dienstleistungssegment ähnlich wie bei Firmen mit substitutiven Beschäftigungspolitiken immer mehr nach tayloristischen und kosteneinsparenden Modellen agieren. Solche Fragen und auch künftige intemational vergleichende Folgeprojekte wurden u. a. mit internationalen Experten/innen im Abschlussworkshop des Projektes am 25. September 2009 diskutiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

• (2005) Internationalisierung der IT-Induslrie und Gender-Segregation. In: Wissenschafisforschung als Geschlechterforschung - Interdisziplinäres Forschungscolloquium des Zentrums für Interdisziplinäres Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG) TU Berlin - 1 1 . Mai
  Ruiz Ben, E.
  
• (2005) Internationalisierungsprozess der IT-Branche in Deutschland: Auswirkungen auf Kategorisierungsmuster von Tätigkeitsprofilen und Fachkräften. In: Forschungskolloquium Technik und Innovationsforschung, Institut für Soziologie, TU Berlin. 19. April
  Ruiz Ben, E.
  
• (2005). Arbeit, Technik und Geschlecht bei der Internationalisierung der IT Branche. Herbsttagung der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie (DGS) „Arbeitmarkt und Beschäftigung - Krise und Wandel der Arbeitsgesellschaft", im Landesmuseum fur Technik und Arbeit in Mannheim, 04.-05. November
  Ruiz Ben, E.
  
• (2006) Expertise, time and institutionalisation of leam work in intemational software development environments. In: IWOT X. International Workshop on Teamwork. University of Groningen. 7th-8th of September
  Ruiz Ben, E.
  
• (2006) Grenzenlose Chancen? Professionalisierung und Geschlecht im Interntionalisierungsprozess der IT Industrie. In: Workshop „Grenzflächen der Informatik". Dagstuhl, l5th-16th May
  Ruiz Ben, E.
  
• (2006) Growing Easl. Nearshoring und die neuen ICT-Arbeitsmärkte in Europa. In: FIfF-Ko. 23. Jg. / 3. S. 36-42
  Ruiz Ben, E. / Wieandt, M.
  
• (2006) Methodentriangulation im Rahmen der Studie Analyse von Tätigkeits- und Qualifikationsprofilen in der IT-Branche in Deutschland (Poster). Beriiner Methodenlreffen, Freie Universität Berlin, 14.-15.07.2006
  Ruiz Ben, E. / Wieandt, M. / Maletzky, M.
  
• (2006). "Die menschliche Komponente" - Beziehungsgestaltung in Beratungsprozessen der IT-Branche, in: Organisationssoziologisches Forschungscolloquium, Institut fiir Soziologie, TU Berlin, 04. Mai 2006
  Wieandt, M.
  
• (2006). Teamwork when implementing offshoring: Exploring the German ICT sector. In: IWOT X. International Workshop on Teamwork, University of Groningen, Netherlands, September 7th-8th 2006
  Wieandt, M.
  
• (2006). Unternehmensberatung und Offshoring in der IT-Induslrie - Gestaltung von Zusammenarbeit. Berliner Methodentreffen, FU-Berlin, 14.-15.07.2006
  Wieandt, M.
  
• (2006). Unternehmensberatung und Offshoring in der IT-Industrie - Gestaltung von Zusammenarbeit. Beriiner Methodentreffen, Freie Universität Berlin, 14.-15.07.2006
  Wieandt, M.
  
• (2007) Global expertise and quality standards in ICT offshore projects: time and institutionalization aspects. Information Systems Workshop on Global Sourcing. Val d'lsére. London School of Economics. 13th-15th March 2007
  Ruiz Ben, E.
  
• (2007) Globalization and Time in Gendered Organization Theory. Gender, Work and Organization Conference - Keele, 27th - 29th of June
  Ruiz Ben, E.
  
• (2007) Internationalisierung der IT-Branche und Gender-Segregation. In: Lucht, P./ Paulitz, T. (Hg.) Technologien und Wissen. Geschlechterforschung zu Natur- und Ingenieurwissenschaften. Campus Verl.
  Ruiz Ben, E.
  
• (2007) Moving boundaries in time: Gender in global ICT arenas. Gender, Work and Organization Conference - Keele, 27th - 29th of June
  Ruiz Ben, E.
  
• (2007). Macht in IT-Beratungsprojekten mit Offshore-Anteilen - das Theoriekonzept [Weiterentwicklung], in: Organisationssoziologisches Forschungscolloquium, Institut für Soziologie, TU Berlin, 20.Dezember 2007
  Wieandt, M.
  
• (2007). Macht in IT-Beratungsprojekten mit Offshore-Anteilen - das Theoriekonzept, in: Organisationssoziologisches Forschungscolloquium, Institut für Soziologie, TU Berlin, 12.Juli 2007
  Wieandt, M.
  
• (2007). Macht in IT-Offshoring-BeratungsProjekten - Versuch einer Operationalisierung, in: Forschungscolloquium, Institut für Soziologie, TU Berlin, 08. Februar 2007
  Wieandt, M.
  
• (2007). The Development of Knowledge transfer and Collaboration in a Nearshoe Software Development Project. Information Systems Workshop on Global Sourcing. Val d'lsére. London School of Economics. 13th - 15th March 2007
  Wieandt, M
  
• (2008) Global expertise and quality standards in ICT offshore projects: time and institutionalization aspects. In: Leslie Wilcocks/ Mary Lacity. Technology and Globalization. London: Palgrave
  Ruiz Ben, E.
  
• (2008) ICT Offshoring in Europe: Trends and Scenarios. In: Handbook of Research in Global Information Technology, hrsg. M. Raisinghani, IGI Group
  Ruiz Ben, E. / Wieandt, M. / Maletzky, M.
  
• (2008) Ingenieria Informatica: mäs que un solo titulo, menos que una profesión?. Implicaciones de la internacional izac iön de la industria informatica en Espafta y Alemania. In: Novática. Barcelona: Ati.
  Martin Quetglas, G./ Ruiz Ben, E.
  
• (2008) Intercultural Collaboration in the ICT sector. In: Handbook of Research in Global Information Technology, hrsg. M. Raisinghani, IGI Group
  Maletzky, M.
  
• (2008) IT consulting and information technology implementation. In: Handbook of Research in Global Information Technology, hrsg. M. Raisinghani, IGI Group
  Wieandt, M.
  
• (2008) IT consulting in global information technology. In: Handbook of Research in Global Information Technology, hrsg. M. Raisinghani, IGI Group
  Wieandt, M.
  
• (2008) Professionalism, Gender and the Internationalization of Work. In: ISA Forum, Barcelona. 5.-8. September
  Ruiz Ben, E.
  
• (2008) Quality Standardization Pattems in ICT Offshore Projects. In: Handbook of Research in Global Information Technology, hrsg. M. Raisinghani, JGJ Group
  Ruiz Ben, E.
  
• (2008). Herausforderungen internationaler Offshorezusammenarbeit bei IT Dienstleistem - ein virtueller Kulturschock?, Multikonferenz Wirtschafts informatik, München, 26- 28.Februar2008
  Maletzky, M.
  
• (2008). IT-Berater in Offshoring-Projekten: Mittler und Partner, Multikonferenz Wirtschaftsinformatik, München, 26.-28.Febmar2008
  Wieandt, M.
  
• (2008). Power Games in Processes of Organizational Change: Client-Consultant Relationships in IT Projects, 24. EGOS Colloquium, Amsterdam, 9.-11. Juli 2008
  Wieandt, M.
  
• (2008). Step by Step. The Development of Knowledge Transfer and Collaboration in a Nearshore Software Development Project. In: Leslie Wilcocks/ Mary Lacity. Technology and Globalization. London: Palgrave
  Wieandt, M.
  
• (2009) Fronteras de Genero y Profesionalidad en la Division Internacional del Trabajo Informätico. I Congreso Internacional Genero y Frontera lUEM- Universidad de La Laguna. Tenerife 11-13 November
  Ruiz Ben, E.
  
• (2009) Geschlecht als Institution in der Internationalisiemng von Informationsarbeit. Kolloquium Kommunikations-/Mediensoziologie und Geschlechterforschung, Institut für Soziologie, TU Berlin. 22. June
  Ruiz Ben, E.
  
• (2009) Internationalisierung von Informationsarbeit. Kolloquium Techniksoziologie. Institut für Soziologie, TU Beriin, 17. June
  Ruiz Ben, E.
  
• (2009) Professionalism patterns in the Internationalization of Information Work. 9th European Sociological Association (ESA) Conference, Lisboa. 2nd - 5th of September
  Ruiz Ben, E.
  
• (2009) Professionalität in intemationalen Arbeitsfeldem. Kolloquium Allgemeine Soziologie. Institut fur Soziologie, TU Berlin. 8th July
  Ruiz Ben, E.