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Axonale Lenkung in substratgebundenen Gradienten

Fachliche Zuordnung Entwicklungsneurobiologie
Förderung Förderung von 2004 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5443376
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die retinotektale Projektion ist ein Modell zur Erforschung der Mechanismen embryogenetischer axonaler Lenkung. Dabei projizieren Millionen retinaler Ganglienzellen nachbarschaftstreu in das Mittelhirn (topographische Projektion). Der Mapping-Mechanismus ist zugleich präzise und außerordentlich robust gegen massive Störungen, wie z.B. Halb-Ablationen. Vor Beginn unserer Arbeit war bekannt, dass bei der Projektion entlang der anterior/posterior-Achse das ephrin-A/EphA- System axonaler Lenkungsmoleküle eine zentrale Rolle spielt. EphAs und ephrin-As sind entlang dieser Achse auf Retina und Tektum jeweils gegengradiert verteilt und weisen bidirektionale Signaltransduktion auf (Ligand > Rezeptor: forward (fwd), Rezeptor > Ligand: reverse (rev)). Beide Signale wirken repulsiv auf retinale Wachstumskegel. Es existieren attenuierende cis Interaktionen auf demselben Wachstumskegel und Faser/Faser (FF)-Wechselwirkungen bis dahin unbekannter molekularer Natur. Ein kohärentes Modell fehlte. Versuche die Topographie-Ausbildung mit reinem ephrin-A oder EphA in vitro zu rekonstituieren, waren unbefriedigend verlaufen. Beispielsweise reagierten nur temporale Axone auf ephrin-A. Dies ist zwar topographisch differenziell, aber weder topographisch korrekt (nasale Axone sollten nicht unresponsiv sein) noch topographisch gradiert. Während der ersten Förderphase haben wir mit Hilfe von Explantat-Assays und hochpräzisen durch microcontact printing strukturierten Gradienten das Verhalten retinaler Axone auf ephrin-A-Gradienten quantifiziert. Temporale Axone reagierten verschieden auf verschiedene Gradienten, aber alle Temporalen gleich und Nasale gar nicht. Zudem hing der Stopppunkt zwar von der lokalen Konzentration ab, war aber von starken Adaptationseffekten beeinflusst. Wir vermuteten deshalb ein tiefergehendes Problem beim Verständnis des Lenkungsmechanismus. In der zweiten Förderphase wollten wir einerseits durch Kombination von Computer-Modellierung und in vitro Validierungsexperimenten den Lenkungsprozess konzeptionell besser verstehen und andererseits Prinzipien und Mechanismen der überraschenden Adaptationsfähigkeit der topographischen Wachstumskegel erhellen. Zuerst fanden wir, dass fwd wie auch rev Signale nur monoton monofunktionell wirken und deshalb je alleine nicht hinreichen, um ein Potentialminimum am Zielort zu erzeugen. Mit Hilfe neuartiger double cue Streifen-Assays gelang es, durch simultane Aktivierung beider Signalwege erstmals topographisch richtiges Entscheidungsverhalten in vitro auszulösen. Deshalb entwickelten wir ein Modell, das sich ausschließlich auf alle theoretisch möglichen Signalwege des ephrin/Eph-Signaling stützt. Dabei exploriert der Wachstumskegel das Zielgebiet solange bis totales forward und reverse Sigaling in der Balance sind. Dieses Modell erklärt topographische Kartierung und Streifen-Assay- Resultate, aber nicht die außerordentliche Robustheit. In vitro fanden wir, dass die Fasern auch untereinander mittels des ephrin-A/EphA-Systems interagieren. Erst die Implementation derartiger FF-Wechselwirkungen, ergibt die Robustheit und ein kohärentes Modell, das alle wichtigen experimentellen in vivo und in vitro Resultate reproduziert. Hieraus lässt sich das neue Konzept der FF-Chemoaffinität ableiten, die topographisches Mapping stärker zu dominieren scheint als klassische Faser/Target-Chemoaffinität. Bezüglich der Adaptation zeigten wir, dass die retinalen Wachstumskegel gegen fwd und rev Signale gleichermaßen adaptieren können. Hierzu entwickelten wir neuartige Lücken-Assays und neue Methoden für eine erfolgreiche Oberflächenstrukturierung des EphA3-Proteins. Mittels Simulation schlossen wir auf die Existenz eines Mechanismus, bei dem die Antennen für fwd und rev Signale strikt gekoppelt moduliert werden, selbst wenn nur ein Signal anliegt, um Adaptation und topographische Richtigkeit zu vereinbaren. Mit double cue Lückenassays bewiesen wir diese neuartige Co-adaptation und ihre Spezifität für das ephrin-A/EphA-System. Wir vermuten, dass sie benötigt wird, um die Sensitivität des Wachstumskegels nach Maßgabe von Signalen auf dem Weg zu adjustieren (z.B. bei der Invasion des Zielgebietes über eine steile EphA-Schwelle). Allgemeiner ergibt dies ein neues Verdrahtungsprinzip zwischen genetischem hardwiring und Verdrahtung durch synaptische Plastizität, das wir hardwiring plasticity nennen. Pharmakologische in vitro Experimente belegten, dass Adaptation weder auf Clathrin-abhängiger Endozytose noch auf Proteinbiosynthese beruht. Allerdings scheint ein Tyrosin-Dephosphorylierungsschritt beteiligt zu sein, der jedoch nicht im primären Signalweg der EphA-Rezeptortyrosinkinase liegt. Nach Entwicklung neuer Methoden zur Erhöhung der Transfektionseffizienz von Retina-Explantaten konnten wir mit Hilfe eines rekombinaten SNAP-Tags als Sensor für Proteinoberflächendynamik zeigen, dass die Co-adaptation auf Desensitivierung durch Endozytose und auf Resensitisierung wahrscheinlich durch Exozytose aus dem recycling endosome beruht. Dies beweisen wir gegenwärtig abschließend experimentell.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006) Growth cone navigation in substrate-bound ephrin gradients. Development 133: 2487-2495. mit: Follow the guidelines, Research Highlights, Nature 441: 910
    von Philipsborn AC, Lang S, Loeschinger J, Bernard A, David C, Lehnert D, Bonhoeffer F and Bastmeyer M
  • (2006) Microcontact printing for generation of graded patterns of axon guidance molecules. Nature Protocols 1: 1322-1328
    von Philipsborn AC, Lang S, Bernard A, Loeschinger J, David C, Lehnert D, Bastmeyer M and Bonhoeffer F
  • (2007) Axon guidance in ephrin gradients produced by microfluidic networks. Anal. Bioanal. Chem 390: 809-816
    Lang S, von Philipsborn AC, Bernard A, Bonhoeffer F and Bastmeyer M
  • (2007) Mechanisms of gradient detection: A comparison of axon pathfinding with eukaryotic cell migration. Int. Rev. Cytol. 263:1-62
    von Philipsborn A. C. and Bastmeyer M.
  • (2007) Protein gradients produced by microfluidic networks. Science STKE 414: 16
    von Philipsborn AC, Lang S, Bonhoeffer F and Bastmeyer M
  • (2011). In vitro experiments reconstituting topographic map formation. Neuroforum 17: 22-28
    Gebhardt C, Weth F and Bastmeyer M
  • (2012). Balancing of ephrin/Eph forward and reverse signaling as the driving force of adaptive topographic mapping. Development 139: 335-345
    Gebhardt C, Bastmeyer M and Weth F
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1242/dev.070474)
  • (2013). Microcontact Printing of substrate-bound protein patterns for cell- and tissue culture. Methods in Molecular Biology 1018: 247-259
    Fritz M and Bastmeyer M
  • (2013). The stripe assay - Studying growth preference and axon guidance on binary choice substrates in vitro. Methods in Molecular Biology 1018: 229-246
    Weschenfelder M, Weth F, Knöll B and Bastmeyer M
  • (2014). Chemoaffinity in topographic mapping revisited - Is it more about fiber-fiber than fiber-target interactions? Semin Cell Dev Biol. 2014 Jul 30 [Epub ahead of print]
    Weth F, Fiederling F, Gebhardt C and Bastmeyer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.semcdb.2014.07.010)
 
 

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