Geologische und geochemische Entwicklung des Iznik Sees (NW-Türkei)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Iznik See, größter, aber heute nur ca. 80 m tiefer See der Marmara Region (NW-Türkei), befindet sich durch seine Lage an der Nordanatolischen Störungszone in einem tektonisch höchst sensiblen Gebiet und bietet daher die Gelegenheit, die Verknüpfung von sedimentologischen und tektonischen Prozessen genauer zu untersuchen. Im Rahmen einer Pilotstudie (dieses Teilprojekt) wurde der See mit seismischen Methoden untersucht, um das Potential für weitere Forschungsvorhaben zu bewerten. Die Ergebnisse zeigen eine bis zu ca. 1100 m mächtige geschichtete Sedimentfüllung des Seebeckens, die sehr wahrscheinlich bis ins Tertiär zurückreicht. Die geometrischen Verhältnisse im Untergrund ergeben einen nach Süden abtauchenden Halbgraben, der durch eine der Hauptverwerfungen des Nordanatolischen Störungszone begrenzt wird. Bedingt durch lang anhaltende Lateral- und Vertikalbewegungen seit dem Pliozän kommt es durch kontinuierliche Absenkung an der Nordanatolischen Störungszone mit zeitgleicher Sedimentation im Becken des Iznik Sees, wobei der See wahrscheinlich kaum jemals wesentlich tiefer war als heute. Die Sedimente des Beckens werden ebenso langfristig wie kontinuierlich an kleinen Verwerfungen verstellt, deren vertikale Versatzbeträge aber verschwindend gering sind im Vergleich zu denen an der südlichen Hauptverwerfung. Die Verwerfungen in den Sedimenten setzen sich interessanterweise nicht im Holozän fort, was eine deutliche Veränderung der Kinematik der Nordanatolischen Störungszone andeuten könnte. Deren Auswirkung auf Erdbebenhäufigkeit in der Region der letzten 10.000 Jahre oder in Zukunft ist aber noch zu untersuchen. Die Ergebnisse des Projektes liefern insgesamt einen weiteren Baustein zum besseren Verständnis der Kinematik entlang der verschiedenen Hauptverwerfungen der Nordanatolischen Störungszone in der Marmara Region. Die Tatsache, dass im Iznik See die Hauptstörungen an den Beckenrändern verlaufen und die mehr als 1000 m mächtigen Sedimente relativ wenig gestört sind, lässt ein großes Potential auch für paläolimnologische und paläoklimatische Langzeitstudien durch Tiefbohrungen erkennen. Zudem signalisieren völlig unterschiedliche Geometrien in den seismischen Einheiten vor allem der obersten 200 m der Sedimentfüllung drastische Veränderungen früherer Ablagerungsbedingungen. In den tieferen Schichten sind immer wieder Deltaschüttungen zu erkennen, die auf Sequenzen deuten, deren Wechsel durch Wasserspiegel Schwankungen - vermutlich während des Pleistozän - hervorgerufen wurde. Besonders auffällig ist die seismische Einheit 2, die anders als heute, nicht in den tieferen Becken die höchsten Ablagerungen anzeigt, sondern in Seemitte. Die Struktur muss als Konturit-Drift interpretiert werden, die laut einer ersten Kernbeprobung im letzten Glazialen Maximum abgelagert wurde. Sie impliziert stärkere Strömungen am Rande der Drift, die zur damaligen Zeit die Gebiete der heutigen Becken weitestgehend von Sedimenten frei gehalten haben, wodurch u.a. das nördliche Becken erst entstanden ist. Die Konturite geben wahrscheinlich Hinweise auf starke Winde in der Region während des letzten Hochglazials, die im See möglicherweise zu rotierenden Strömungssystemen geführt haben. Am Ende der Konturitphase deuten weit verbreitete Erosionsspuren bis in eine Tiefe von etwa 50 m unter dem heutigen Seespiegel einen Wasserspiegel-Tiefstand an, der sich zeitlich im Übergang vom Pleistozän zum Holozän ereignet haben muss. In der nachfolgenden Zeit beschränkt sich die Sedimentation zunächst auf die tieferen Bereiche der Becken, wird danach aber wieder zunehmend flächenhaft mit weiterhin deutlicher Fokussierung in die Becken, was auf einen langsamen Anstieg des Seespiegels auf heutige Verhältnisse schließen lässt. Insgesamt ist eine sehr dynamische Sedimentationsgeschichte in den seismischen Profilen des Iznik Sees zu erkennen. Für die Überprüfung der hier formulierten Thesen bieten sich vor allem geochemische Untersuchungen an Sedimentkernen an, aber auch Modellierungen der physikalischen Paläolimnologie sowie der Paläohydrologie des Einzugsgebietes.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
2005. Geology and paleolimnology of Lake Iznik (Turkey) - Preliminary results. In: Özeler, M. & Sayin, E. (eds.), The Role of the Marine Processes in Ecosystems, ECOSYSTEM '03, Piri Reis Science Series, No. 7, 107-115; Izmir, Turkey (Dokuz Eyul University, Institute for Marine Sciences and Technology)
Franz, S.O., Niessen, F., Schwark, L., Brüchmann, C , Scharf, B., Klingel, R., Cagatay, M.N., Ülgen, U.B.
-
2006. Results from a multi-disciplinary sedimentary pilot study of tectonic Lake Iznik (NW'Turkey) - Geochemistry and paleolimnology of the recent past. Journal of Paleolimnology, 35 (4): 715-736
Franz, S.O., Schwark, L., Brüchmann, C., Scharf, B., Klingel, R., Van Alstine, J.D., Cagatay, M.N. und Ülgen, U.B.
-
2006. Sediments of Lake Iznik as a monitor of long-term tectonic and climatic changes in the Marmara Region (Turkey): evidence from seismic pilot studies. 10th Paleolimnology Symposium, Duluth, MN, USA
Niessen, F. und Franz, S.O.