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Familiennamenatlas: Sprach- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen des Familiennamenbestandes in Deutschland

Antragstellerinnen / Antragsteller Professor Dr. Peter Auer; Professorin Dr. Damaris Nübling
Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2005 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5443941
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die vor 600-800 Jahren entstandenen Familiennamen sind, vor allem auch in ihrer räumlichen Verbreitung, eine hervorragende Quelle für verschiedenste Wissenschaften von der Linguistik bis zur Genetik. Gerade die Verbreitung der Familiennamen war bisher aber nicht nur in Deutschland, sondern überall nur für Einzelfälle, nirgends in ihrer Gesamtstruktur erfasst. Ihre Aufdeckung ist in der BRD nur anhand von Telefon-Festnetzanschlüssen möglich. Diese wurden auf dem Stand vom 30. Juni 2005, als noch 92% aller Haushalte einen Telekom-Festnetzanschluss hatten, in anonymisierter Form (Familienname, Anzahl pro Postleitzahlbezirk) für wissenschaftliche Zwecke erworben und archiviert. Die Datenbank enthält 1.095.991 verschiedene Namen, davon 245.330 Bindestrich-Doppelnamen. Damit gelang es im letzten Moment, ein einzigartiges Kulturerbe zu sichern, das mittlerweile wegen der Zunahme nicht lokalisierbarer Mobilanschlüsse und aufgrund konkurrierender Telefonanbieter unwiederbringlich verloren wäre. Das Projekt ergänzt die Reihe monumentaler Atlaswerke wie „Deutscher Sprachatlas“, „Deutscher Wortatlas“ usw. um einen Atlas zum umfangreichsten Bereich des Wortschatzes, den Familiennamen. Es ist weltweit der erste Versuch, den Familiennamenbestand eines Landes in seiner statistischen Dimension und seiner räumlichen Struktur umfassend zu erheben, systematisch zu konturieren und anhand repräsentativer Beispiele in Form kommentierter Karten zu dokumentieren. Dabei zeigte sich, dass die historisch gewachsenen Namenräume erstaunlich stabil erhalten sind, trotz aller Mobilität der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund heben sich umso deutlicher die Befunde ab, die durch Migrationsschübe vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert verursacht sind. Dem DFA geht es nicht um die Verbreitung einzelner Namen, sondern erstens um die Aufdeckung einzelner namengeographischer Oppositionen und der Diffusion von Varianten („Einzelkarten“: Dahms, Dahmen, Dahm), zweitens um die systematische Einordung der aufgedeckten Einzelphänomene in thematische Zusammenhänge („Kartenkomplexe“: schwacher Genitiv in Patronymen), drittens um die Konturierung der grundlegenden Strukturen des Namenschatzes. („Kapitel“: Genitiv in Familiennamen). Eine systematische Heuristik kartierenswerter Phänomene war überraschend ergiebig. Generell entwickelte sich das Projekt von der Verifizierung erwartbarer Befunde weg zunehmend hin zur Entdeckung unerwarteter Ergebnisse. Daher mussten die ursprüngliche Planung von vier Bänden mit ca. 970 Karten auf sechs Bände (plus Registerband) mit 2245 Karten und der Forschungszeitraum von ursprünglich sieben auf zehn Jahre erweitert werden mussten. Damit konnte das Ziel erreicht und die zentralen Aspekte der räumlichen Variation der deutschen Familiennamen umfassend erschlossen und dokumentiert werden, jedenfalls in ihren großräumigen Dimensionen. Der grammatische Teil (Bd. 1-3) gilt sprachgeographischen Phänomenen (-hofer, -höfer) in den Bereichen Graphematik, Phonematik und Morphematik. Der lexikalische Teil (Bd. 3-6) ist nach den Sachbereichen geordnet, aus denen die Vergabe der Namen motiviert ist, nach Berufen, persönlichen Merkmalen, Herkunft, Wohnstätte und Rufnamen. Bezüglich der drei Letzteren werden erstmals die Beziehungen zwischen der Toponymie bzw. dem Rufnameninventar eines Landes und seinem Familiennamenbestand systematisch aufgewiesen. Vom DFA gingen und gehen Impulse aus einerseits zur Erfassung regionaler Namenprofile und zur Erstellung kleinräumiger Atlanten (Rheinland-Pfalz, Oberösterreich, Luxemburg), andererseits für die europäische Namenforschung, ferner für die Geographie anderer Namenklassen (Gasthausnamen; Vornamen). Weitere Arbeiten erwiesen sein Erklärungspotential insbesondere für die Sprachgeschichte und Dialektologie sowie den Status einen Grundlagenwerkes für die Bevölkerungs-, Sozial-, Wirtschafts- Kultur-und- Mentalitätsgeschichte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2007): Der Deutsche Familiennamenatlas (DFA). Konzept, Konturen, Kartenbeispiele. In: Beiträge zur Namenforschung 42/2, S. 125-172
    Kunze, Konrad/Nübling, Damaris
  • (2009): Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 1: Graphematik/Phonologie der Familiennamen I: Vokalismus, Berlin/New York
    Bochenek, Christian/Dräger, Kathrin
  • (2009): Personennamen als Quelle der Grammatikalisierung. Der -ing- Diminutiv in Mecklenburg-Vorpommern. Beiträge zur Namenforschung 44/1, 35–65
    Schmuck, Mirjam
  • (2010): Die Entstehung des s-Plurals bei Eigennamen als Reanalyse vom Kasus- zum Numerusmarker. Evidenzen aus der deutschen und niederländischen Dialektologie. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 77/2, 145-182
    Nübling, Damaris/Schmuck, Mirjam
  • (2011): Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 2: Graphematik/ Phonologie der Familiennamen II: Konsonantismus, Berlin/New York
    Dammel, Antje et al.
  • (2011): Familiennamengeographie. Ergebnisse und Perspektiven europäischer Forschung. Berlin/New York
    Heuser, Rita/Nübling, Damaris/Schmuck, Mirjam (Hgg.)
  • (2012): Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 3: Morphologie der Familiennamen, Berlin/Boston
    Fahlbusch, Fabian et al.
  • (2012): The German Surname Atlas Project. Computer-Based Surname Geography. In: Darlu, Pierre u. a.: The Family Name as Socio-Cultural Feature and Genetic Metaphor: From Concepts to Methods. In: Human Biology 84, S. 172-177
    Dräger, Kathrin
  • (2013): Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 4: Familiennamen nach der Herkunft und Wohnstätte, Berlin/Boston
    Bochenek, Christian et al.
  • (2013): Familiennamen aus dem Rufnamen Nikolaus in Deutschland. Regensburg [Peter von Polenz-Preis der Gesellschaft für germanistische Sprachgeschichte 2013]
    Dräger, Kathrin
  • (2015): Der Deutsche Familiennamenatlas (DFA). Grundprobleme, Lösungsstrategien, Erfahrungen. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 82/1, S. 1-25
    Dräger, Kathrin/Kunze, Konrad
  • (2016): Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 5: Familiennamen nach Beruf und persönlichen Merkmalen, Berlin/Boston
    Fahlbusch, Fabian/ Peschke, Simone
  • (2016): Heiligenverehrung und Namengebung. Berlin/Boston
    Dräger, Kathrin/Fahlbusch, Fabian/Nübling, Damaris (Hgg.)
  • Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 6: Familiennamen aus Rufnamen, Berlin, Boston: De Gruyter, 2017. ISBN 9783110424508
    Dräger, Kathrin
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110424508)
  • Deutscher Familiennamenatlas, Bd. 7: Index. Literaturverzeichnis, 2017
    Konrad Kunze, Damaris Nübling et al.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110611922-004)
 
 

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