Untersuchung zu Wirksamkeit, Wirkweise und Effizienz eines Stepped-Care Programms mit computerbasiertem Selbsthilfemodul bei Sozialer Phobie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Es wurde erstmals ein gestuftes Behandlungsprogramm für sozialphobische Patienten entwickelt und an einer großen klinischen Stichprobe untersucht. Das Programm startete mit einem spezifisch dafür entwickelten DVD-basierten Selbsthilfeprogramm. Diejenigen Patienten, die das Behandlungsprogramm protokollkonform durchlaufen hatten, profitierten genauso gut wie diejenigen Patienten, die reguläre Einzeltherapie erhielten. Für die psychotherapeutische Praxis könnten solche therapeutengestützen Behandlungsprogramme eine niederschwellige Alternative zur herkömmlichen ambulanten Einzeltherapie darstellen bzw. als vorgeschaltete Intervention die Therapieeffizienz positiv beeinflussen. Auf der Grundlagenebene leisten kognitive Variablen nur einen minimalen Beitrag zur Differenzierung zwischen generalisiertem und nicht generalisiertem Subtyp. Eine deutlichere Unterscheidung lässt sich anhand der ausgelösten Angstreaktionen (z. B. Anstieg der Herzrate) treffen. Weiterhin erwies sich die reine Rededauer als bester Prädiktor für das Erwecken des Eindrucks guter sozialer Performanz. Ein geringer Redeanteil lässt sich als Sicherheitsverhalten interpretieren, das wiederum durch die erlebte Angst und dysfunktionale Kognitionen begünstigt wird. Eine Verbesserung der sozialen Kompetenz sollte folglich durch eine Reduktion der erlebten Angst und Modifikation dysfunktionaler Kognitionen zu erzielen sein. Die Rede vor Publikum löste bei den Personen mit sozialer Phobie eine signifikant stärkere situative Angstreaktion aus als die soziale Interaktion, und ebenso signifikant stärkeres Post-Event Processing (PEP). Für beide Situationen war PEP am folgenden Tag substantiell vorhersagbar durch das Ausmaß dysfunktionaler Kognitionen und subjektiver Angst in der Situation, sodass PEP als verlängerte situative kognitiv-emotionale Angstreaktion verstanden werden kann. Eine therapeutische Bearbeitung dysfunktionaler Kognitionen und subjektiven Angstniveaus könnte andere störungs-relevante Mechanismen in ihrer Intensität reduzieren. Nach der Therapie erlebten die Patienten in beiden Situationen des Verhaltenstests signifikant weniger Angst, ebenso war eine Verminderung dysfunktionaler kognitiver Verarbeitungsprozesse und Sicherheitsverhalten zu beobachten. Allerdings waren auch in der Gruppe der nicht erfolgreich therapierten Patienten deutliche Verbesserungen zu beobachten, was möglicherweise auf Übungseffekte/Habituation zurückzuführen ist. Eine Überprüfung der Retest-Reliabilität über einen Zeitraum von 6 Monaten bei unbehandelten hoch sozial ängstlichen Personen (N = 15) ergab: Trotz Stabilität der sozialen Angst zeigten sich eine deutliche Abnahme der Angstreaktion und der in situ dysfunktionalen kognitiven Verarbeitung, nicht jedoch auf der physiologischen Ebene. Dies legt nahe, dass ein Verhaltenstest als Indikator klinisch bedeutsamer Veränderungen sozialphobischer Symptomatik nur bedingt geeignet ist. Überraschend im Projektverlauf war die hohe Abbrecherquote von 52 % im Stepped-Care Behandlungsarm, von denen 50 % bereits während der ersten Stufe (DVD-basierte Selbsthilfe) die Behandlung abgebrochen hatten. Eine Durchsicht der Daten ergab einen Abbrecher-Höhepunkt nach der dritten DVD-Sitzung, innerhalb der die Patienten im Rahmen eines Verhaltensexperimentes dazu aufgefordert waren, das gefürchtete Verhalten oder Symptom absichtlich zu zeigen. Persönliche Gespräche mit den Abbrechern zeigten, dass sich viele hierdurch überfordert fühlten und sich durch die Email-Kontakte zu wenig unterstützt fühlten. Durch unsere vielseitige Art der Patientenrekrutierung (u. a. mittels Fernsehbeiträgen, Radiobeiträgen) erreichten wir eine breite Masse an Betroffenen, aber auch an Ärzten/Therapeuten, die sich mit der Behandlung sozialer Ängste befassen. Auch weit nach Ende der Rekrutierungsphase erreichten uns interessierte Anfragen bezüglich des von uns entwickelten Selbsthilfemoduls.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2006). Therapie-Manual Soziale Phobic. Ein interaktives Therapiemedium in 8 DVD-Sitzungen. Pullach im Isartal: Medizinische Publikationen
Steil, R., Kiko, S., Mall, A. & Mehl, A.
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(2010). What determines observer-rated social performance in individuals with social anxiety disorder? Journal of Anxiety Disorders, 24, 830-835
Stevens, S., Hofmann, M., Kiko, S., Mall, A.K., Steil, R., Bohus, M. & Hermann, C.
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(2010). Wirksamkeit eines Stepped-Care Programms zur Behandlung Sozialer Phobie. Dissertation, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim, Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg
Mall, A.K.