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Die Transformation religiöser Landschaften in der Gallia Narbonensis

Fachliche Zuordnung Alte Geschichte
Förderung Förderung von 2005 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5445451
 
Die Gallia Narbonensis erscheint besonders repräsentativ um die Dynamik der "Romanisierungsprozesse" am Beispiel der Religion zu studieren, da man dort durch die Fülle an Material, die uns fast lückenlos Informationen zur Religionsausübung gerade auch in der brisanten Phase zwischen vorrömischer Epoche und Kaiserzeit bietet, besonders gut die Spannungen zwischen den verschiedenen religiösen, sozialen und kulturellen Vorstellungen der Römer und Kelten erkennen kann. Die Hellenisierung Südfrankreichs ist dabei nicht als Störfaktor zu betrachten, sondern als eine Chance, unterschiedliche Entwicklungen im Sozial- und Kulturwandel genauer zu untersuchen, wobei zu erklären ist, warum 100 Jahre nach der römischen Eroberung die auglisteische Epoche ein im Vergleich zur vorangegangenen, eher oberflächlichen Hellenisierung derart tief eingreifendes Ereignis für Kultur und Religion war. Aufgrund ihrer Lage als Bindeglied zwischen Mittelmeerwelt und Gallien verspricht die Untersuchung der religiösen Landschaften in der Gallia Narbonensis wichtige Erkenntnisse zu Übernahme, Transformation, aber auch Abgrenzung zwischen zentralrömischen und regional traditionell gewachsenen religiösen Vorstellungen und den diesbezüglichen Kultpraxen. Damit ist sie zudem eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Regionalstudien im DFG-Schwerpunktprogramm, da sie etwa zur Interpretation des Befundes in den Rhein- und Donauprovinzen neue methodische und interpretative Ansätze für die Fragestellungen des DFG Projekts liefert. Dies betrifft sowohl die Formation kultureller Räume als auch deren Komplexität und Heterogenität. Somit können im Hinblick auf die Entwicklung und Transformation religiöser Landschaften im Westen des Römischen Reiches die Erkenntnisse zu anderen Regionen wie den Rheinprovinzen - vor allem der Germania Inferior -, Rätiens und Pannoniens aufgrund anders gearteter historischer Voraussetzungen in der Narbonensis um wesentliche Gesichtspunkte erweitert werden. Statt Soldaten und teilweise auch Immigranten, die ihre Götter vielfach importieren, sind die Akteure in der Narbonensis größtenteils der einheimischen Bevölkerung zuzurechnen, deren Kultaktivitäten und Entscheidungen von einer kulturellen Interaktion zwischen einer bodenständigen, keltischen Religion und der gesellschaftlich und ideologisch tonangebenden stadtrömischen Religion motiviert werden. Wie nur selten in einer römischen Provinz zeigt sich deshalb in unserem Studiengebiet die Komplexität der Religionsausübung, wodurch Modelle, wie Polisreligion und "Globalisierung", genauer hinterfragt werden können. So überrascht beispielsweise in dieser sozial und wirtschaftlich besonders "romanisierten" Provinz der widersprüchliche Einfluss der "stadtrömischen" Religion, denn "ideale" römische Götter sind selten. An der Tagesordnung sind Fälle der "interpretatio Gallica", was auf den ersten Blick erstaunt, wenn man die Rolle einer "romanisierten" Elite als Stifter, Priester und Förderer von Kultstätten im urbanen und ländlichen Kontext bedenkt. Die großen prähistorischen Heiligtümer wie Glanum passen sich der neuen kaiserzeitlichen Gesellschaft an. Zusammen mit den römischen Koloniegründungen werden sie zu Zentren für die Verbreitung von Kulten, die aber selbst hier nur oberflächlich stadtrömischen Ursprungs sind, sondern von Anfang an indigene Attribute aufweisen. Auch wenn im ländlichen Raum die Beharrungstendenzen bzw. der "kulturelle Widerstand" zu überwiegen scheinen, so dominiert doch in der gesamten Provinz die Leichtigkeit, mit der römische und einheimische Religionsvorstellungen zu etwas Neuem verschmelzen. Nachdem die sehr verstreuten epigraphischen und archäologischen Quellen in den letzten Jahren gesammelt, gesichtet und aufgenommen wurden, können auf der Basis dieser Daten komparative Modelle für regionale und globale Prozesse und eine Kulttopographie des Untersuchungsraumes entwickelt werden. Da die Narbonensis bisher in der Religionsforschung relativ wenig Beachtung gefunden hat, bietet sich hier die Möglichkeit, eine wichtige Forschungslücke zu schließen. Grundlegende Vorarbeiten des vorgesehenen Bearbeiters, Dr. Ralph Häussler, liegen bereits vor.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
 
 

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