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Die Rolle des primären und sekundären somatosensorischen Kortex bei perzeptuellem Lernen

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2005 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5446977
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel dieses Antrags bestand darin, die Rolle des primären (Sl) und sekundären (SU) somatosensorischen Kortex bei perzeptuellem Lernen unter Verwendung verschiedener passiver, nicht-invasiver Stimulationsprotokolle zu untersuchen. Es konnte gezeigt werden, dass kortikale Reorganisation in Sl eine Voraussetzung für perzeptuelles Lernen zu sein scheint. Dabei können unter Verwendung von Stimulationsprotokollen, die sich in der Frequenz und Dauer der Anwendung unterscheiden, bidirektionale Veränderungen in der kortikalen Erregbarkeit von Sl induziert werden. So wurden zum Beispiel unter Verwendung von hochfrequenten rTMS Protokollen (ITBS oder 5Hz rTMS) über dem Bereich von Sl signifikante Veränderungen der kortikalen Exzitabilität beobachtet, die über das Ende der Stimulation hinaus persistent waren. Diese kortikalen Veränderungen waren mit einer gleichzeitigen Verbesserung der individuellen taktilen Wahrnehmung des stimulierten Zeigefingers assoziiert. Im Gegensatz dazu führte eine niederfrequente (1Hz) rTMS über Sl zu einer deutlichen Verschlechterung des Tastsinns und zu einer Erhöhung der intrakortikalen Inhibition innerhalb des stimulierten Kortexareals. Analog zu den Veränderungen nach direkter kortikaler Stimulation von SI mittels hoch- und niederfrequenter rTMS konnten nach Applikation von peripheren Stimulationsprotokollen ebenfalls bidirektionale Veränderungen auf Verhaltensebene induziert werden. Dabei führte eine taktile hochfrequente Stimulation (t-HFS, 20Hz) des Zeigefingers zu einer Verbesserung des Tastsinns, wobei eine taktile niederfrequente Stimulation (t-LFS, 1Hz) die Diskriminationsfähigkeit des stimulierten Zeigefingers verschlechterte. Eine weitere Form der nicht-invasiven kortikalen Stimulation stellt die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) dar. Generell unterscheidet man zwischen einer anodalen und kathodalen tDCS Form. Aus der Literatur ist bekannt, dass die tDCS analog zur rTMS und peripheren Stimulationsprotokollen ebenfalls bidirektionale Veränderungen der kortikalen Erregbarkeit induziert. So kann z.B. nach anodaler tDCS eine transiente Erhöhung der kortikale Erregbarkeit beobachtet werden, wohingegen die kathodale tDCS die kortikale Erregbarkeit des stimulierten Kortexareals erniedrigt. Obwohl erste Ergebnisse aus klinische Studien im Bereich des motorischen Systems bei Patienten mit chronischem Schlaganfall auf einen therapeutischen Nutzen in der Rehabilitation von motorischen Funktionsdefiziten hoffen lassen, ist der Effekt der tDCS auf die taktile Wahrnehmung bislang unzureichend untersucht worden. Eine Studie an neurologisch gesunden Normalprobanden zeigte, dass nach Applikation einer anodalen tDCS über Sl die Diskriminationsleistung des Zeigefingers deutlich gesteigert werden konnte. Bei Patienten mit chronischem Schlaganfall konnte ebenfalls eine kurzzeitige Verbesserung der taktilen Wahrnehmung der paretischen Hand beobachtet werden. Zusammenfassend verdeutlichen die vorliegenden Arbeiten, dass periphere sowie kortikale Stimulationsprotokolle in der Lage sind, bei gesunden sowie neurologisch erkrankten Patienten die Funktion des somatosensorischen Systems gezielt zu modulieren und dadurch bidirektionale Veränderungen im Tastsinn zu induzieren. Basierend auf diesen Befunden wäre es denkbar, dass nicht-invasive Stimulationsprotokolle im Bereich der Somatosensorik in naher Zukunft als mögliche Therapie und Intervention bei Patienten mit somatosensorische Beeinträchtigungen (Dystonie, Neuropathien, Schlaganfall) eine wichtige Anwendung finden könnten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Differential effects of high- and low-frequency rTMS on different tactile perceptual tasks and on cortical excitability of human somatosensory cortex (SI). Program No. 53.28/P4. Society for Neuroscience, 2006
    Tegenthoff M, Franzkowiak S, Ragert P, Schwenkreis P, Boehmer GG, Dinse HR
  • Improvement of spatial tactile acuity by transcranial direct current stimulation (tDCS). Program No. 201. Human Brain Mapping Conference 2007
    Ragert P, Vandermeeren Y, Camus M, Cohen LG
  • Intracortical changes associated with intermanual transfer of the ability to perform a sequential pinch force task. Program No. 203. Human Brain Mapping Conference 2007
    Camus M, Ragert P, Vandermeeren Y, Cohen LG
  • (2008) Improvement of tactile perception and enhancement of cortical excitability through intermittent theta burst rTMS over human primary somatosensory cortex. Exp Brain Res. 2008 Jan; 184(1):1-11
    Ragert P, Franzkowiak S, Schwenkreis P, Tegenthoff M, Dinse HR
  • (2008). Contribution of transcranial magnetic stimulation to the understanding of cortical mechanisms involved in motor control. J Physiol. 2008 Jan 15; 586(Pt2): 325-51
    Reis J, Swayne OB, Vandermeeren Y, Camus M, Dimyan MA, Harris-Love ML, Perez MA, Ragert P, Rothwell JC, Cohen LG
  • (2008). Differential effects of tactile high- and low-frequency stimulation on tactile discrimination in human subjects. BMC Neurosci 2008 Jan 23, 9(1):9 [Epub ahead of print]
    Ragert P, Kalisch T, Bliem B, Franzkowiak S, Dinse HR
  • Improvement of spatial tactile acuity by transcranial direct current stimulation (2008). Clin Neurophysiol 2008 Jan 17, [Epub ahead of print]
    Ragert P, Vandermeeren Y, Camus M, Cohen LG
 
 

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