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Haben nachtaktive Fledermäuse Zapfen-Photorezeptoren und damit die Voraussetzung für Farbensehen?

Antragstellerin Dr. Brigitte Müller
Fachliche Zuordnung Biologie des Verhaltens und der Sinne
Förderung Förderung von 2005 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5447794
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die sehr artenreiche und diverse Säugetier-Ordnung der Fledermäuse besteht aus den Kleinfledermäusen (Microchiroptera) und den Großfledermäusen (Megachiroptera). Fledermäuse sind nachtaktiv und in ihrer Lebensweise sehr unterschiedlich. Während die Microchiroptera für ihre Echoortung berühmt sind, weiß man über ihr Sehvermögen sehr wenig. Das vergleichende Projekt hat zunächst mit immunhistochemischer Anfärbung der Photorezeptoren und Sehpigmente untersucht, ob die Retinae der Groß- und Kleinfledermäuse neben den für niedrige Lichtintensitäten zuständigen Stäbchen-Photorezeptoren auch die für Tageslichtsehen und Farbensehen notwendigen Zapfen-Photorezeptoren enthält. Es wurden bei allen untersuchten Spezies Zapfenpopulationen gefunden, aber es zeigten sich auch Unterschiede. Einige Fledermaus-Familien und -Arten besaßen die für Säuger charakteristischen zwei Zapfentypen (L für langwelliges und S für kurzwelliges Licht), die „dichromatisches“ Farbensehen ermöglichen. Bei anderen Familien und Arten war nur der L-Zapfentyp vorhanden, der S-Zapfentyp fehlte, was üblicherweise Farbenblindheit bedeutet. Molekulargenetische und Elektroretinogramm-Untersuchungen an den Kleinfledermäusen zeigten, dass ihr S-Zapfenpigment UV-empfindlich ist, statt wie bei vielen Säugern blauempfindlich. Diese UV-sensitiven Zapfen helfen den Fledermäusen, sich auch bei höheren Lichtintensitäten zu orientieren (Dämmerung), sich gegen Fressfeinde zu schützen und UV-reflektierende Blüten zu erkennen. Die Veröffentlichung zum UV-Sehen der Fledermäuse hat ein breites internationales Medienecho, besonders auf Websites, gefunden. Im Hessischen Rundfunk wurde zum Thema ein Radio-Interview mit der Projektleiterin gesendet. Als zweiter Schwerpunkt wurden die den Photorezeptoren nachgeschalteten Bipolarzellen bei Kleinfledermäusen untersucht. Bei Säugern werden die Signale der Stäbchen und Zapfen getrennt an Stäbchen-Bipolarzellen (ein Typ) und Zapfen-Bipolarzellen (mehrere Typen) weitergegeben. Durch Kombination von selektiven immunhistochemischen Färbungen und Farbstoffinjektionen in einzelne Zellen konnten bei der Fledermaus Stäbchen-Bipolarzellen und sieben Typen von Zapfen-Bipolarzellen identifiziert werden. Es zeigte sich die für Säuger typische schichtspezifische Unterteilung in ON-Bipolarzellen (die von Lichtreizen erregt werden) und OFF-Bipolarzellen (die von Dunkelreizen erregt werden). Allerdings hatte die ON-Schicht eine untypisch größere Dicke als die OFF-Schicht. Eine weitere Überraschung war, dass die Axone der Stäbchen-Bipolarzellen in der inneren Retina in zwei Etagen Synapsen ausbilden. Bei anderen Säugern wurde das noch nicht beobachtet. Die für Säuger ungewöhnliche Bistratifizierung der Stäbchen- Bipolarzellen könnte eine Besonderheit der stäbchendominierten Fledermausretina sein, in der die Axonterminalien der Stäbchen-Bipolarzellen mehr Platz brauchen als bei weniger stäbchendominierten Spezies. Die außergewöhnlich dicke ON-Schicht wäre nützlich, um hellere Objekte (z.B. Blüten) vor dunklem Nacht-Hintergrund zu detektieren, was für Früchte und Pollen fressende Fledermausarten relevant ist. Die verschiedenen Zapfen-Bipolarzelltypen lassen bei Kleinfledermäusen, wie bei anderen Säugern, parallele Bahnen für bestimmte Aspekte der visuellen Information, wie z.B. Farbe, Form und Bewegungsrichtung eines Reizes, vermuten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2007). Cone photoreceptor diversity in the retinas of fruit bats (megachiroptera). Brain Behav Evol. 70: 90-104
    Müller B, Goodman SM, Peichl L
  • (2007). Flughunde sind auch für das Sehen bei Tag gerüstet. BIOforum 5/2007: 40-41
    Müller, B, Peichl, L
  • (2007). Nachtflugspezialisten haben auch tagsüber den Durchblick. Biologie in unserer Zeit 37(4): 218-219
    Müller, B, Peichl, L
  • (2008). Wachen Auges durch den Tag. DFG-Forschung 4/2008: 18-20
    Müller, B.
  • (2009). Bat eyes have ultraviolet-sensitive cone photoreceptors. PLoS One. 4(7):e6390
    Müller, B, Glösmann M, Knop GC, Hagemann, C, Peichl, L, Ammermüller J
 
 

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