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Die Evolution zentralsulawesischer Koboldmakis (Tarsius spp.)

Antragsteller Dr. Stefan Merker
Fachliche Zuordnung Evolution, Anthropologie
Förderung Förderung von 2005 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5448958
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Übergeordnetes Ziel der Arbeilen war das nähere Verständnis der (mikro-)evolutionären Kräfte, die der Radiation sulawesischer Koboldmakis (Tarsier) zugrunde liegen. Hierzu sollte die genetische, morphologische und akustische Diversität dieser kleinen, nachtaktiven Primaten in Zentralsulawesi erfasst und ein eventueller Zusammenhang zwischen der Biogeographie der Tarsier und plattentektonischen Verschiebungen im Bereich Sulawesis geprüft werden. Dabei war ich von der Hypothese ausgegangen, dass die Artgrenze mit einer Kontaktzone zweier Mikroplatten, die erst innerhalb der letzten 5 Mio. Jahre eine einheitliche Landmasse formten, zusammenfällt und sich somit der Verlauf der biologischen Grenze größtenteils mit Erkenntnissen aus geologischen Studien interpretieren läßt. Die Analyse maternal, paternal und biparental vererbter genetischer Marker sowie morphologischer und akustischer Charakteristika von insgesamt 182 Tarsiern zeigte eine biogeographische Grenze auf - die Artgrenze zwischen Tarsius dianae und 7. lariang - , welche grundsätzlich mit dem Verlauf der Kollisionszone zweier Mikroplatten korreliert. Die Divergenz der beiden Arten konnte ich auf ca. 1,4 Mio. Jahre datieren. Die rezente Verbreitung der Tarsier wurde somit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sowohl von plattentektonischen Verschiebungen als auch von pleistozänen Meeresspiegelschwankungen beeinflusst. Ein mögliches Szenarium der Ereignisse wird in diesem Bericht dargestellt. Zwischen den beiden Spezies existiert eine schmale Hybridzone (eine „hybrid tension zone"), in welcher ich in den grenznahen Populationen asymmetrischen Genfluss (hauptsächlich mitochondrialer DNA) detektiert habe. Angesichts des begrenzten Ausmaßes der Hybridisierung und der bereits mehrere Hundertausend Jahre währenden parapatrischen Verbreitung der Arten scheint jedoch die Selektion gegen Hybride stark genug zu sein, die Separation der Spezies aufrechtzuerhalten. Während der ersten Projektphase hatte ich überraschend eine bis dahin unbekannte Population von Koboldmakis mit spezifischen Duettgesängen, eine neue „akustische Form", entdeckt, deren extrem limitiertes Verbreitungsgebiet zum einen ein generell erhöhtes Aussterberisiko birgt, zum anderen nicht durch die Theorie der allopatrischen Artbildung durch Mikroplattenverschiebungen zu erklären ist. Während der zweiten Projektphäse nahm ich daher das Ausmaß und die räumliche Strukturierung der Merkmalsvariabilität der Tarsier im Bereich dieser Population, ihre Venwandtschaftsverhältnisse in Bezug auf die bekannten Arten sowie die Größe des Verbreitungsgebiets dieser Tiere auf. Die Ähnlichkeiten der Rufe der neuen Population zu den Lautäußerungen der „Tinombo-Form", einer weiter nördlich (von der neuen Gruppe isoliert) vorkommenden „akustischen Form" manifestierten sich auch auf genetischer Ebene. Relativ zu anderen rezenten Tarsiern bilden die beiden Populationen zweifelsfrei eine Abstammungsgemeinschaft, und ihre deutlichen Unterschiede zu bisher bekannten Taxa zeigen eine Separation auf Artniveau an. Die Beschreibung der neuen Art - einschließlich ihrer diskontinuierlichen Verbreitung - wird ein Ergebnis dieses Projektes sein. Die phylogenetische Stellung der neuen Art innerhalb der Tarsier ist noch nicht vollends geklärt, die kontrastierenden Baumrekonstruktionen anhand unterschiedlich vererbter Marker lassen noch keine schlüssige Aussage zu. Taxonomisch sowie um weitere Loci erweiterte Analysen sind in Planung und werden genauere Auskünfte zur Richtung und Geschwindigkeit der Ausbreitung der Tarsier auf Sulawesi und zu den Interaktionen von geologischen und biologischen Prozessen bei der Diversifizierung dieser faszinierenden Primatengattung erlauben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006): Species boundary in focus: Morphological, acoustic and genetic variation in central Sulawesi tarsiers. 21th Congress of the International Primatological Society (IPS), Entebbe, Uganda. Int J Primatol 27(S1):#98
    Merker S, Perwitasari-Farajallah D & Zischler H
  • (2007): Hybridisation in tarsiers. International Congress Prosimians 2007, Ithala, South Africa. Abstracts
    Merker S, DrillerC, Perwitasari-Farajallah D & Zischler H
  • (2007): Hybridisation in tarsiers. International Workshop "Natural Selection and Speciation", Mainz, Germany. Abstracts:26
    Merker S, Driller C, Perwitasari-Farajallah D & Zischler H
  • (2007): Isolation and characterization of 12 microsatellite loci for population studies of Sulawesi tarsiers (Tarsius spp.). Mol Ecol Notes 7:1216-1218
    Merker S, Driller C, Perwitasari-Farajallah D, Zahner R & Zischler H
  • (2008): Tarsius tumpara: A new tarsier species from Siau Island, North Sulawesi. Prim Conserv 23:55-64
    Shekelle M, Groves CP, Merker S & Supriatna J
  • (2008): The tick fauna of Sulawesi, Indonesia (Acari: Ixodoidea: Ixodidae and Argasidae). Exp Appl Acarol 45:85-110
    Durden LA, Merker S & Beati L
  • (2009): Introgressive hybridization in Sulawesi tarsiers. 11 th Congress of the German Primatological Society, Hannover, Feb 24-26, 2009. Abstracts
    Merker S, Driller C, Perwitasari-Farajallah D, Pamungkas J & Zischler H
  • (2009): Monogamy rules in Lariang tarsiers. Or not? 11th Congress of the German Primatological Society, Hannover, Feb 24-26. 2009. Abstracts
    Driller C, Perwitasari-Farajallah D, Zischler H & Merker S
  • (2009): The social system of Lariang tarsiers (Tarsius lariang) as revealed by genetic analyses. Int J Primatoi. Online early
    Driller C, Perwitasari-Farajallah D, Zischler H & Merker S
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10764-009-9341-6)
 
 

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