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Sozialistische Panazeen: Wirksamkeit, Gesundheitsideologien und multiple Modernität an der Schnittstelle von staatlichem und ethnischem medizinischem Wissen in der UdSSR
Antragstellerin
Maria Pirogovskaya, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Wissenschaftsgeschichte
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 544928375
Das interdisziplinäre Projekt untersucht sozialistische Allheilmittel ethnischer Herkunft während der langen Sowjetära, den Prozess ihrer Einhegung durch die Staatsmedizin und ihre Verwendung durch Laien. Indem das Projekt Panazeen untersucht und detailliert aufzeigt, wie sie von der sowjetischen Medizin entwickelt wurden und wie sie in der Öffentlichkeit zirkulierten, untersucht es die Verflechtungen von Ethnomedizin und staatlicher Medizin von den 1920er bis zu den 1980er Jahren. Das Projekt legt nahe, dass die Staatsmedizin und die ethnischen Praktiken keine strikt disparaten Einheiten waren, sondern eher einen medizinischen Nexus bildeten. Im Mittelpunkt des Projekts steht das Konzept der Wirksamkeit. Wenn man nachverfolgt, wie Wirksamkeit in verschiedenen sozialen Kontexten erzeugt wird und wie gelebte Erfahrungen und Überzeugungen sie formen und vermitteln, erhält man einen Einblick in Ideologien der Gesundheit. Wirksamkeit hilft zu entschlüsseln, wie das Medikament konzeptualisiert wird, was als Wirkung angesehen wird, welches Verständnis von Gesundheit es erschließt und wie Technologien, Gesundheitsregime und medizinische Substanzen aufeinander abgestimmt sind. Da bestimmte Medikamente in öffentlichen Diskursen regelmäßig als Panazeen bezeichnet und in Umlauf gebracht wurden, wird diese volkstümliche Namensgebung als primäre Analyse verwendet. Insgesamt geht das Projekt von Panazeen aus, um zu erörtern, wie die positivistische Medizin Räume für volksmedizinisches Wissen schuf und wie die Staatsmedizin Synergien mit medizinischen Laienkulturen entwickelte. In dieser Hinsicht leistet es einen Beitrag zu einer breiteren Diskussion über die multiple Modernität, die der sowjetische Staat verkörpert. Das Projekt geht der Frage nach, wie verschiedene Formen medizinischen Wissens interagieren und welche Arten von Interaktionen möglich sind. Konkret geht es um drei Gruppen von Forschungsfragen: Welche Faktoren begünstigten das Aufkommen von Panazeen in der UdSSR und wie förderte die medizinische Laienkultur die Nachfrage nach diesen Medikamenten? Wie tauschten Volksmedizin und Staatsmedizin Ideen, Ressourcen und Erfahrungen aus? Wie wurde die Wirksamkeit von Wundermitteln verhandelt und wessen Fachwissen und Autorität waren an diesem Prozess beteiligt? Um diese Fragen zu beantworten, befasst sich das Projekt mit den Fallstudien von Pantocrin (Hirschgeweihextrakt), zentralasiatischem Mumiyo (Hochgebirgsbitumen) und tibetischen Arzneimittelformeln. Ihr Erfolg/Misserfolg und ihre Anerkennung tragen dazu bei, die strukturellen Faktoren zu erfassen, die zu ihrem pharmakologischen Status und ihrem sozialen Ansehen beigetragen haben. Diese Fallstudien werden sowohl von oben, anhand von offiziellen Dokumenten und Laborberichten untersucht, als auch von unten, anhand der Rekonstruktion der Spuren, die die Allheilmittel in privaten Archiven und mündlichen Überlieferungen hinterlassen haben. Beide Zugänge zeigen, wie Wirksamkeit im Alltag getestet wurde.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen