Methodik zum Ausgleich von Interessensasymmetrien in Kooperationsbeziehungen produzierender Unternehmen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Stand des Wissens weist Lücken bei der Betrachtung von Kooperationen auf, welche im Zuge der Forschungsarbeiten geschlossen werden konnten. Bisher erfolgten in der Wissenschaft zumeist einseitige Untersuchungen von Kooperationen. So werden häufig entweder nur vorgelagerte Bereiche der unternehmenseigenen Wertschöpfung oder nachgelagerte Bereiche betrachtet. Porter weist jedoch darauf hin, dass eine einseitige Betrachtung zur Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nicht ausreichend ist und beschreibt das beidseitige Zusammenspiel eines Unternehmens mit seinen Zulieferern und Kunden als Wertsystem. Der Wettbewerbsvorteil hängt insbesondere davon ab, wie gut ein Unternehmen das eigene Wertsystem beherrscht. Des Weiteren ist festzuhalten, dass bis heute ein Defizit bei zeitabhängigen Untersuchungen der Entwicklung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen besteht. Den meisten Forschungsarbeiten liegt die Annahme zugrunde, dass die Beziehungen statischer Natur seien und sich nicht über die Zeit hinweg verändern. Dies macht eine Betrachtung dynamischer und unsicherer Größen, wie beispielsweise Qualität, Liefertreue, Herstellungskosten oder Stückzahlen, welche sich zeitabhängig verändern, unmöglich. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der bisher untersuchte Betrachtungsraum nicht den realen Gegebenheiten der industriellen Praxis entspricht und daher auch die durchgeführten Untersuchungen nicht ausreichend sind. Durch eine Erweiterung des Betrachtungsraumes von einzelnen Kunden-Lieferanten- Beziehungen zu Wertschöpfungskonfigurationen wird eine Untersuchung beidseitiger Beziehungen möglich. Eine Wertschöpfungskonfiguration beinhaltet sowohl die Beziehungen zu Kunden als auch zu Lieferanten. Des Weiteren findet eine lebenszyklusorientierte Berücksichtigung des Zeitraumes eines ganzen Fahrzeugprojektes statt. Ein Fahrzeugprojekt umfasst hierbei die Entwicklung und Herstellung eines bestimmten Fahrzeugmodells bzw. bestimmter Komponenten für die Zeit, in der das entsprechende Fahrzeug vertrieben werden soll. Somit wird eine in der Forschung bestehende Lücke von beidseitigen und zeitabhängigen Untersuchungen von Kunden-Lieferanten-Beziehungen geschlossen. Zudem konnten bisher die Wirtschaftlichkeit und das Gesamtrisiko einer Wertschöpfungskonfiguration nicht gemeinsam quantitativ ermittelt und bewertet werden. Mit der in diesem Forschungsprojekt erarbeiteten Methode wird dies durch die Bildung eines Modells von Wertschöpfungskonfigurationen möglich. Hierbei werden insbesondere Kosten und Risiken der Zusammenarbeit der Unternehmen berücksichtigt. Des Weiteren werden Risikosteuerungsmechanismen in der Zusammenarbeit von Unternehmen in das Modell integriert. Eine mögliche Risikoreduktion kann somit quantifiziert werden. Dies macht einen fundierten und quantitativen Vergleich von Wertschöpfungskonfigurationen möglich. Zentrales Ergebnis der Forschungsarbeit ist daher eine Methode und die dazugehörige softwaretechnische Umsetzung zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit und des Risikos von Wertschöpfungskonfigurationen in der Automobilindustrie, die es ermöglicht, unterschiedliche Konfigurationen quantitativ zu bewerten und vergleichbar zu machen. Hierdurch werden die im Antrag gesetzten Forschungsziele einer lebenszyklusorientierten Bewertung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen, der Bewertung von Ausgleichsmechanismen durch eine Veränderung der Risiko- und Kostenstruktur und der Umsetzung in einem Softwaretool erfüllt. Die erarbeitete Methode kann von Unternehmen in der frühen Planungsphase eingesetzt werden, um unterschiedliche Wertschöpfungskonfigurationen zu bewerten und zu vergleichen. Somit steht ein Entscheidungsunterstützungssystem zur Verfügung, welches es erlaubt, die wirtschaftlichere und risikoärmere Wertschöpfungskonfiguration quantitativ zu bestimmen und auszuwählen. Des Weiteren können in der Bewertung unterschiedliche Mechanismen zur Risikosteuerung berücksichtigt werden. Dies ermöglicht die Bestimmung der Mechanismen, die eine bestmögliche Risikoreduktion versprechen. Durch die erarbeitete Methode werden Unternehmen in der Verhandlungsphase mit Kunden und Lieferanten unterstützt. Es ist möglich, im Vorhinein Grenzen einzelner Parameter von Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu bestimmen. Dies können beispielsweise Preis- und Stückzahlgrenzen, Grenzen für Mindestabnahmemengen oder Materialpreisgleitklauseln sein. Mit dem Wissen über Verhandlungsgrenzen und der spezifischen Wirksamkeit von Ausgleichsmechanismen zur Risikosteuerung können gezielt Verhandlungsstrategien erarbeitet werden. Die Methode deckt in der vorliegenden Form den Untersuchungsbereich von Wertschöpfungskonfigurationen ab. Dieser Untersuchungsbereich kann in Zukunft auf ganze Liefernetze ausgeweitet werden. Hierzu ist im Vergleich zur vorliegenden Arbeit ein geringerer Detaillierungsgrad des zugrunde liegenden Simulationsmodells zu wählen und sinnvolle Vereinfachungen zu treffen. Dies ermöglicht eine Quantifizierung des getragenen Risikos eines jeden Unternehmens in einem Liefernetz. Bereits vorhandene Risikosteuerungsmechanismen sind um neue zu erweitern und ein Portfolio möglicher Mechanismen für Liefernetze ist zu entwickeln. Hierbei muss das Ziel sein, Risiken nicht nur umzuverteilen, sondern mit Hilfe technischer und betriebsorganisatorischer Lösungen real zu senken und ein positives Verhältnis von Aufwand zu Nutzen nachzuweisen. Eine solche Methode würde es erlauben, vorhandene Optimierungspotentiale in Liefernetzen zu ermitteln. Der Nutzen von eingesetzten Risikosteuerungsmaßnahmen könnte für die partizipierenden Unternehmen quantitativ ausgewiesen werden. Hierdurch ergeben sich neue Möglichkeiten der Umverteilung, der zur Risikoreduktion entstehenden Investitionskosten oder laufender Kosten. Somit können Potentiale einer ganzheitlichen Risikosteuerung und Finanzierung von Steuerungsmaßnahmen in Liefernetzen erschlossen werden. Die bisher immer noch dominierende und egoistische Absicherung einzelner Unternehmen könnte durch ein ganzheitliches, effizienteres und effektiveres Risikomanagement abgelöst werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Methoden zur Bewertung von Flexibilität in der Produktion. Industrie Management 22 (2006) 4, S. 29-32
Zäh, M. F.; Bredow, M. v.; Möller, N.; Müssig, B.
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Methoden zur Gestaltung und Optimierung von Wertschöpfungsnetzen. wt -online 96 (2006) 7/8, S. 561-565
Reinhart, G.; Bredow, M. v.
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Produzieren in globalen Netzwerken. In: Zäh, M. et al. (Hrsg.): 8. Münchener Kolloquium; 9.-10. März 2006. München: Utz 2006, S. 175-192
Reinhart, G.; Bredow, M. v.; Neise, P.; Sudhoff, W.
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Changeability in Supply Management. 2nd International Conference on Changeable, Agile, Reconfigurable and Virtual Production (CARV 2007). Toronto: 22.-24.07.2007
Zaeh, M. F.; Bredow, M. v.
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Bewertung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen in der Automobilindustrie. Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (ZWF); Jahrg. 103 (2008) 12
Reinhart, G.; von Bredow, M.
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Flexibilitätsprofile im Wertschöpfungsnetz. wt-online; Jahrg. 98, (2008) 4
Reinhart, G.; Schellmann, H.; von Bredow, M.
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Interessensasymmetrien mit Lieferanten in Deutschland und China - ein Vergleich. Industrie Management (2008) 1
Oehmen, J.; Schönsleben, P; Bredow, M.v.; Reinhart, G.
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Bewertung von risikobehafteten Fahrzeugprojekten in der Automobilindustrie mit Hilfe des „NPV at Risk“. wt - online; Jahrgang 99 (2009) 4
Reinhart, G.; von Bredow, M.; Karl, F.
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Führungskräftegipfel (Münchener Kolloquium), Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TU München, Garching, 15.10.2009
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Ganzheitliche Risikobewertung für produzierende Unternehmen. Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (ZWF); Jahrg. 104 (2009) 3
Krebs, P.; Reinhart, S.; Schellmann, H.; von Bredow, M.; Reinhart, G.
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Method to Evaluate the Profitability and Risk Structure of Projects in the Automotive Industry. 2009 International Conference on Industrial Engineering and Engineering Management (IEEM). Hong Kong: 8.-11.12.2009
Reinhart, G.; von Bredow, M
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Risk Minimization in Global Sourcing by Managing the Bargaining Power in Buyer Supplier Relationships. 3rd International Conference on Changeable, Agile, Reconfigurable and Virtual Production (CARV 2009). München: 5.-7.10.2009
Oehmen, J; Gruber, P.; von Bredow, M.; Alard, R.
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Strategische Machtfaktoren in Kunden-Lieferanten-Verhältnissen am Beispiel Schweizer Unternehmen und ihren chinesischen Lieferanten. Industrie Management; Jarhg. 25 (2009) 4, S. 29-33
Oehmen, J.; Schönsleben, P.; von Bredow, M.; Gruber, P.; Reinhart, G.