Transnationale Netzwerke, Religion und neue Migration
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Leitfrage des Forschungsprojektes nach der Herstellung und Aufrechterhaltung transnationaler religiöser Netzwerke afrikanischer und asiatischer Migranten in Deutschland sowie Rückwirkungen dieser Netzwerke in die jeweiligen Herkunftsgesellschaften wurde schwerpunktmäßig am pentekostalen charismatischen Christentum untersucht. Die Revitalisierung von Religion in postsozialistischen Gesellschaften, die globale Explosion des pentekostalen Christentums sowie die Verbreitung „traditionaler" religiöser Praktiken stehen in einem engen Zusammenhang mit der zunehmenden Mobilität von Migranten. Damit wird Religion selbst zu einer treibenden Kraft in Globalisierungsprozessen und isl nicht nur eine Reaktion auf diese Prozesse. Religiöse Akteure aus Ghana und Vietnam gründen pentekostal charismatische Kirchen in Deutschland, in ihren jeweiligen Herkunftsgesellschaften und anderen Ländern. Sie stellen transnationale Netzwerke her und halten sie aufrecht. Wenngleich nationalstaatliche Bezogenheiten und eine „ethnische Linse" in jüngsten Forschungen zunehmend kritisiert werden, spielen ethnische, linguistische und politische Zugehörigkeiten weiterhin eine bedeutende Rolle. Die Teilhabe an globalen Zugehörigkeiten wird - durch die Konstruktion symbolischer Geographien und imaginärer Räume - auch religiös motivierten Akteuren ermöglicht, die nicht reisen können und in einem physischen Sinne immobil sind. Anhänger pentekostal charismatischer Kirchen - Eliten und einfache Gläubige - stellen Verbindungen zwischen verschiedenen Lokalitäten her. Dabei ist die Intensität dieser Verbindungen abhängig von der Situierung der jeweiligen Lokalität in globalen Machthierarchien. Orte sind jedoch nicht als abgeschlossene Einheiten zu verstehen, sondern entstehen in ihrer Spezifik erst durch die Vernetzungen, in die sie eingebunden sind. Die zunehmende Sichtbarkeit und damit auch die gesellschaftliche Positionierung pentekostal charismatischer Netzwerke in der Diaspora zeigt sich unter anderem an den räumlichen Karrieren - vom Wohnzimmer zur Megakirche -, wobei die Ansiedlung der von Migranten gegründeten Kirchen in Gewerbehallen und ehemaligen Industriegebieten auch als Hinweis auf eine bestimmte Ästhetik zu lesen ist, die mit Bühne und Inszenierung, mit akustischer und visueller Technik einhergeht. Mit Hilfe dieser Technik werden religiöse Botschaften in verschiedene Kontinente verschickt. Ein zentraler Teil der öffentlichen Inszenierung besteht in der Einwerbung von Spendengeldern. Diese Gaben, so der pentekostale Diskurs, werden reichlich belohnt. Reichtum steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem „Wohlstandsevangelium" pentekostaler Netzwerke und muss im Kontext neoliberaler Ökonomien gedeutet werden. Schließlich ist die Diversität religiöser Praktiken Gegenstand des pentekostalen Diskurses auch in der Diaspora. Selbst wenn „traditionelle" religiöse Praktiken als „das andere" konzeptualisiert werden, spielen Ahnenverehrung, Wahrsagerei und Besessenheitskulte im Migrationskontext eine herausragende Rolle. Götter und Geister begleiten Migranten auf ihren Reisen und erzeugen, wie die transnationalen Akteure, globale Vernetzungen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2008. Götter ohne Pass. Religiöse Vielfalt und neue Migration in Deutschland. Böll-Stiftung
Gertrud Hüwelmeier, Kristine Krause
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2008. Spirits in the market place - Transnational networks of Vietnamese migrants in Berlin. In: Michael Peter Smith and John Lade (eds). Transnational Ties: Cities, Identities, and Migrations, CUCR book series, Volume 9. pp. 131-144
Gertrud Hüwelmeier
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2008. Spiritual Spaces in Post-Industrial Places: Transnational churches in North East London. In: Michael Peter Smith and John Eade (Eds.): Transnational Ties: Cities, Identities, and Migrations, Comparative Urban and Community Research Book Series, Vol. 9. NJ: Transaction Publishers, pp.109-130
Kristine Krause
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2008. Transnational Therapy Networks among Ghanaians in London. Journal of Ethnic and Migration Studies, Vol. 34, No. 2, special issue 'African -European Linkages', edited by Ralph Grillo and Valentina Mazzucato, pp. 235-251
Kristine Krause
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2009. Götter auf Reisen. In: terra cognita 15. Schweizer Zeitschrift zu Integration urid Migration. Schwerpunktthema „Transnationalität. Netzwerke von Migrantinnen und Migranten." pp 94-97
Gertrud Hüwelmeier
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2010. Der Heilige Geist im Gewerbegebiet. Transformationen der religiösen Landschaft Berlins am Beispiel pentekostaler Netzwerke. In: Alexa Färber (ed.), Stoffwechsel Berlin. Urbane Präsenzen und Repräsentationen (mit Kristine Krause). Berliner Blätter. Panama Verlag. Berlin, pp 83-95
Gertrud Hüwelmeier, Kristine Krause
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2010. Dämon oder Holy Spirit? Geistbesessenheit in einer vietnamesisch-pentekostalen Gemeinde in Berlin. In: Dorothea Schulz and Jochen Seebode (Hrsg.) Spiegel und Prisma: Ethnologie zwischen postkolonialer Kritik und Deutung der eigenen Gesellschaft. Hamburg: Argument Verlag, pp. 203-216
Gertrud Hüwelmeier
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2010. Female believers on the move. Gender and religion in Vietnamese Pentecostal networks in Germany. In: Bonifacio, Glenda Lynna Anne Tibe & Angeles, Vivienne (eds.): Gender. Religion and Migration: Pathways of Integration. Lanham, Maryland. Lexington Books, pp. 115-13
Gertrud Hüwelmeier
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2010. Götter in einer deutschen Universitätsstadt. In: Ansichten, Einsichten, Absichten. Beiträge aus der Marburger Kulturwissenschaft. Herausgegeben von Antje van Eisbergen, Franziska Engelhardt, Simone Stiefbold. Marburg. Förderverein der Marburger kulturwissenschaftlichen Forschung e.V. pp. 155-171
Gertrud Hüwelmeier
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2010. Introduction. In: Hüwelmeier, Gertrud/Krause, Kristine (eds.): Traveling Spirits. Migrants, Markets, and Mobilities. Oxford/New York, pp. 1-16
Gertrud Hüwelmeier, Kristine Krause
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2010. Traveling Spirits. Migrants, Markets and Mobilities. Oxford/New York. Routledge. Edited volume
Gertrud Hüwelmeier, Kristine Krause
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Moving East. Transnational Ties of Vietnamese Pentecostals. In: Hüwelmeier, Gertrud/Krause, Kristine (eds.): Traveling Spirits. Migrants, Markets, and Mobilities. Oxford/New York, pp 133-144
Gertrud Hüwelmeier
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2011. Cosmopolitan Charismatics? Tansnational ways of belonging and cosmopolitan moments in the religious practice of New Mission Churches. Ethnic and Racial Studies, special-issue, Cosmopolitan Sociability: Locating Transnational Diasporic and Religious Nehvorks edited by Nina Glick Schiller, Tsyplma Darieva and Sandra Gruner-Domic
Kristine Krause
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2011. Socialist cosmopolitanism meets global Pentecostalism. Charismatic Christianity Among Vietnamese Migrants in Germany. In: Nina Click Schiller, Tsyplma Darieva and Sandra Gruner-Domic (eds.): Cosmopolitan Sociability: Localing Transnational Diasporic and Religious Networks. Ethnic and Racial Studies, Special Issue
Gertrud Hüwelmeier
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Mediating the Apocalypse-The Disaster of the Titanic in Vietnamese Pentecostal Discourse. In: Spirits and their media. Edited by Heike Behrend and Martin Zillinger. Fordham University Press
Gertrud Hüwelmeier
