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Psychiatrische Genetik in Deutschland, ca. 1910-1960: Nationale Entwicklungen im internationalen Kontext

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2005 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5452274
 
Erste Ergebnisse des Projekts dokumentieren, dass in den Jahren ab ca. 1910, etwa 10 Jahrenach der Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze, breit über die Anwendung MendelscherModelle im Bereich der Psychiatrie theoretisiert wurde. Der Beitrag von Rüdin war hierbeigrundlegend. Eine erste Analyse nordamerikanischer Fachzeitschriften im Bereich Psychiatriezeigt, dass sich die deutsche und die nordamerikanische Forschung zur psychiatrischenGenetik durch sehr unterschiedliche Traditionen auszeichneten und vor allem an der Frage dersog.„polymorphen Vererbung“ der Geisteskrankheiten schieden. Hierdurch ergaben sichzunächst Hemmnisse bei der frühen Rezeption der Rüdin’schen Forschungsansätze in den USA. InGroßbritannien existierte in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dagegenpraktisch keine empirische Forschung oder theoretische Debatte zur psychiatrischen Genetik.Seit Ende der 1920er Jahre wurde einerseits in Deutschland aufgrund der rasch steigendenAkzeptanz eugenischer Programmatik die Finanzierung der (psychiatrischen) Humangenetikmassiv forciert, andererseits verlor die eugenisch motivierte Forschung zur psychiatrischenGenetik in den USA durch die Veränderungen innerhalb der eugenischen Bewegung(Verlagerung in den außer-akademischen Raum) an Bedeutung, so dass die von Rüdinvertretene Forschungsrichtung ihre Führungsrolle nicht nur behaupten, sondern sogar ausbauenkonnte. Dabei war die nochmals verstärkte finanzielle Förderung seit dem Regierungsantritt derNationalsozialisten (mit der Motivation der wissenschaftlichen Fundierung der„Erbgesundheitspolitik“) eine wichtige Bedingung. Die internationale Anziehungskraft derGDA lässt sich vor allem durch ihre besondere Konzentration auf methodische Fragen, die ihregroße Stärke war, erklären. Erste Ergebnisse der bisherigen Projektarbeit deuten darauf hin, dassdie an der Münchner GDA praktizierten Forschungsmethoden auch nach Kriegsbeginn imAusland mit Interesse verfolgt und weiterentwickelt wurden. Auch in der unmittelbarenNachkriegszeit setzten verschiedene Arbeitsgruppen in den USA, Großbritannien, Dänemarkund Schweden bis in die späten 1950er Jahre die Münchner Forschungstradition fort, während inDeutschland die psychiatrische Genetik ihrer bisher so großzügigen Förderung beraubt wurde.Nach 1945 existierte aufgrund der öffentlichen Diskreditierung von Eugenik nur noch eineRumpfgruppe der ehemaligen GDA in München, deren Existenz noch Mitte der sechzigerJahre infrage gestellt wurde. So verlor die psychiatrische Genetik in Deutschland radikal dieBedeutung, die sie in den dreißiger Jahre erworben hatte, und vollzog erst spät den Einstieg indas molekularbiologische Paradigma. Diese Entwicklungen sollen im weiteren Verlauf desProjekts detailliert rekonstruiert und die hierfür relevanten Bedingungsfaktoren analysiertwerden.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
 
 

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