Entwicklung eines Managementmodells zur ganzheitlichen Optimierung der Umweltverträglichkeit als Teil der Projektrealisierung am Beispiel des Tunnelbaus
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Umweltauswirkungen bei großen Infrastrukturprojekten, wie dem Tunnelbau, sind unumgänglich und im Interesse der Allgemeinheit erforderlich, um die benötigte Infrastruktur bereitstellen zu können. Das dabei entstehende Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie, in dem entschieden werden muss, was ökologisch erforderlich und ökonomisch realisierbar und sinnvoll ist, gilt es zu optimieren. Mit der derzeitigen Methodik der Umweltverträglichkeitsprüfung lässt sich dieser Konflikt nicht lösen, da zum einen die Datenaufnahme zu Schutzgütern und potentiellen Beeinträchtigungen in der frühen Phase der Genehmigungsplanung durchgeführt und abgeschlossen wird und zum anderen die wirtschaftlichen sowie technischen Aspekte nicht parallel und integriert betrachtet werden. Die Auswahl einer "vorteilhaften" Realisierungsvariante und die Formulierung von Auflagen sowie Umweltschutzmaßnahmen basieren damit bisher auf einem unscharfen Planungsstand und Umweltrahmenbedingungen, die sich bis zur Realisierung des Projektes, die derzeitig in der Regel erst Jahre später erfolgt, wesentlich verändern können. Spätere Kontrollen der Rahmenbedingungen und anderer Annahmen erfolgen in diesem Verfahren zudem nur in besonderen Fällen und selten vertieft. Anpassungen der Projektrealisierung aufgrund neuer Erkenntnisse, dem aktuellen Stand der Technik oder Innovationen werden durch die frühen Weichenstellungen und Festlegungen stark gehemmt oder gar aufgrund der Belastungen, die Ergänzungs- oder Änderungsverfahren mit sich bringen, verhindert, selbst wenn ökonomische und ökologische Vorteile realisiert werden könnten. Mit der Anwendung des in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich entwickelten Managementansatzes, der erstmals im Bereich der Infrastrukturprojekte eine lebenszyklusübergreifende kontinuierliche und ganzheitliche Betrachtung und Abwägung der ökologischen und ökonomischen Aspekte eines Projektes verfolgt, könnten diese Defizite gezielt angegangen werden. Die wesentliche Neuerung des entwickelten Ansatzes ist, neben den Aufnahmen der Umwelt-verträglichkeitsstudie (UVS), die Wechselwirkungen zwischen konstruktiven, baulichen sowie betrieblichen Optionen und der Umwelt sowie parallel die jeweiligen ökonomischen Aspekte systematisch zu dokumentieren und eine ökologisch-ökonomische Abwägungen der möglichen Optionen durchzuführen. Durch die damit erreichte Transparenz zu Optionen, Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Aspekten und deren Abhängigkeiten sowie Hintergründen wird die kontinuierliche Umweltbetrachtung und Optimierung des ökologisch-ökonomischen Verhältnisses über fortlaufende Vergleiche und Abwägungen möglicher Optionen und Optionskombinationen und gegebenenfalls daraus resultierenden Anpassungen entlang des Lebenszyklus durch die jeweiligen Beteiligten gefördert. Die Ermittlung der vorteilhaften Lösungen erfolgt dadurch unter Berücksichtigung des neusten Standes der Technik bzw. Wissens sowie der tatsächlich vorhandenen Rahmenbedingungen, was eine Überprüfung und kontinuierliche Aktualisierung der Datenbasis mit fortschreitender Planung und Realisierung erfordert. Als Folge der Anwendung des Ansatzes sind allzu starre Festlegungen bei Auflagen und Umweltschutzmaßnahmen als Ergebnis der Genehmigungsphase nicht erforderlich, vielmehr kann der tatsächliche Bedarf, auf der Grundlage eines ersten Rahmens, im Projektverlauf zusammen mit der Konkretisierung der Realisierungsoptionen entwickelt und fortgeschrieben werden. Dafür ist allerdings die Mitarbeit und Verantwortlichkeit aller Projektbeteiligten sowie die Sicherstellung der erforderlichen Qualifikationen in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Technik über den gesamten Lebenszyklus erforderlich. Durch die Entwicklung und Umsetzung ökologisch-ökonomisch vorteilhafter Lösungen und die effiziente Verwendung der für den Umweltschutz zur Verfügung stehenden Mittel wird eine nachhaltige, effiziente Projektrealisierung gefördert. Weiter untergliederte Genehmigungsverfahren, die zu einer verlängerten Gestaltungsfreiheit beitragen, könnten mit der Anwendung der Methodik einhergehen und dadurch insgesamt sogar eine Verkürzung der Genehmigungsverfahren bewirken sowie die Planungssicherheit durch Lerneffekte entlang eines stufenweisen Verfahrens fördern. Ein Austausch zwischen Projektbeteiligten findet im derzeitigen Prozess nur an den Schnittstellen und in besonderen Fällen statt, was sich mit der neuen Methode ändern würde. Insbesondere für den zukünftigen Fall, dass Wissensträger vermehrt aus dem Berufsleben ausscheiden, sowie den im Projektgeschäft üblichen Fluktuationen und dem dadurch verloren gehenden Wissen, bildet der Ansatz ein adäquates Mittel um Informationen zu sichern und abrufen zu können. Durch die Transparenz der Datenbank wird zudem das Lernen im Projekt ermöglicht und eine Sensibilisierung der Beteiligten in allen Bereiche (Ökologie, Ökonomie, Technik) gefördert. Ein Wissensmanagement-system in diesem Bereich, das Daten in Form von Empfehlungen oder Anhaltswerten für zukünftige Projekte gezielt zur Verfügung stellen kann ist allerdings Aufgabe für zukünftige Projekte. Das Modell kann somit in erster Linie zur Optimierung des Planungs-ergebnisses dienen und den Beteiligten reale Projektinformationen zur Anwendung und als Dokumentation zur Verfügung stellen, wodurch bei zusätzlichen oder geänderten Informationen entlang des Lebenszyklus eine gezielte Anpassung der Realisierung unterstützt wird. Die Verwendung beschränkt sich dabei nicht auf den Tunnelbau oder einen speziellen Projektbeteiligten. Damit das Managementsystem zum Einsatz kommen kann, sind weitere vertiefende Untersuchungen im Rahmen eines interdisziplinären Forschungs-projektes erforderlich, das mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet sein muss. In diesem Forschungsprojekt müssten der erforderliche Rahmen zur Anwendbarkeit einer solchen Methodik geschaffen und das System an die Bedürfnisse einer speziellen Anwendung angepasst werden. Einiger Forschungsbedarf besteht auch im Bereich der Erforschung von potentiellen Umweltauswirkungen einzelner Optionen, bei den Umweltauswirkungen an sich sowie den wirtschaftlichen Aspekten.