Alexander Popes Homer-Übersetzungen (1715-26) und die Herausbildung eines historischen Bewusstseins im Augustan Age
Final Report Abstract
In diesem Projekt wird der Versuch unternommen, Alexander Popes Auseinandersetzung mit Homer neu zu lesen und damit einen Beitrag zu einer literatur- und ideengeschichtlichen Aufarbeitung der englischen Variante der querelle des anciens et des modernes zu leisten. Es kann gezeigt werden, dass sich in Popes Homer-Verständnis ein historisches Bewusstsein abzuzeichnen beginnt, das zwischen dem traditionellen, dem Denken der frühen Neuzeit verpflichteten historiographischen Modell und dem im 19. Jahrhundert einsetzenden Historismus steht. In der Forschung werden für die Enstehung eines historischen Bewusstseins bislang hauptsächlich die sogenannten modernes verantwortlich gemacht, die sich in der seit Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich und England ausgetragenen querelle dadurch auszeichneten, dass sie die Relevanz antiker Autoritäten für die Gegenwart grundsätzlich in Frage stellten. Die These von der Geburt des Geschichtsbewußtseins aus dem Geiste der modernes wird in diesem Projekt einer kritischen Prüfung unterzogen. Ausgangspunkt dieser Überprüfung sind die Debatten um Homer, die als Kristallisationspunkt der querelle gelten können. In der Darstellung dieser Diskussionen ist man in der Forschung bislang einem dichotomisierenden Modell gefolgt: Auf der einen Seite stehen die Verehrer Homers, die anciens, deren Blick idealisierend in die Vergangenheit gerichtet ist. Auf der anderen Seite sind die progressiven modernes positioniert, deren Fortschrittsdenken Homers Werke nicht mehr standhalten können. Alexander Pope wird dabei dem Lager der anciens zugeordnet, bereitet seinen Interpreten jedoch nicht unerhebliche Schwierigkeiten, da er in seinen Kommentaren zur Homer-Übersetzung vom Wissen der modernes, insbesondere der Philologen unter ihnen, regen Gebrauch macht. Nicht selten wird darum Popes Position hinsichtlich der querelle als paradox beschrieben. Im Anschluss an einen – in der angelsächsischen Forschung kaum zur Kenntnis genommenen – Beitrag von Hans Robert Jauß zur französischen querelle kann gezeigt werden, dass der Fall komplizierter und einfacher zugleich lag: komplizierter insofern, als die Unterscheidung von ahistorischen anciens und historisierenden modernes nicht aufrechtzuerhalten ist, denn es waren gerade die anciens – und nicht wie oft behauptet die modernes –, die der Historisierung Vorschub leisteten. Während sich die modernes darauf beschränkten, die historische Differenz – etwa im Hinblick auf die Sitten – zu Homer als unüberwindbar zu beschreiben, insistierten die Vertreter der anciens auf der Andersartigkeit und Einmaligkeit Homers und unternahmen Versuche, dessen historische Alterität näher zu bestimmen und zu erklären. Damit lieferten die anciens einen wesentlichen Beitrag zu einer ‚historistischen’ Wende. Berücksichtigt man diese Neubewertung der anciens im Hinblick auf Alexander Pope, vereinfacht sich wiederum die Deutung seiner Position. Popes Anstrengungen müssen dann nicht mehr länger als ‚paradox’ beschrieben werden, sondern können – im Kontext der anciens – als durchaus kohärent gelten.
Publications
- “Of Men and Pigs: Reconciling Epic and Magic in Alexander Pope’s Translation of the Odyssey”. In: Jarmila Mildorf, Hans Ulrich Seeber, Martin Windisch, Hgg. Magic, Science, Technology, and Literature. Kultur und Technik Band 3. Berlin: LIT, 2006, 93-109
Susanne Rupp