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Untersuchungen zur Sprachsituation im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet. Neue Dialektgrenzen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze nach vier Jahrzehnten politischer Spaltung?

Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2005 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5457014
 
Empirische Grundlage des Projekts sind auf Tonbändern dokumentierte Sprachdaten, die kurz nach der deutschen Wiedervereinigung (1992 bis 1994) im Rahmen des DFG-Projekts Erhebungen zur Dialektsituation im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet durch Feldforschung gesammelt wurden. Die Erhebungen, die in zehn Ortspaaren entlang der früheren Grenze zwischen DDR und BRD sowie in dem ehemals geteilten Dorf Mödlareuth mit Dialektsprechern aus vier Altersgruppen durchgeführt wurden, umfassten jeweils die Abfrage dialektaler Merkmale (Lautung, Morphologie, Lexik, Syntax), soziolinguistische Fragen zu Dialektgebrauch und -bewertung sowie - zur Gewinnung von spontanem Kontrollmaterial - einen längeren freien Redeteil, in dem die Gewährspersonen im Dialekt erzählen sollten, wie sie die Grenzöffnung im November 1989 erlebt haben.Dieses umfangreiche Datenmaterial wird daraufhin untersucht, ob und gegebenenfalls wie die vier Jahrzehnte dauernde Spaltung ehemals einheitlicher Kommunikationsräume entlang der politischen Grenze zwischen DDR und BRD auch zu einer sprachlichen Grenzbildung geführt hat. Dabei geht es sowohl um sprachgrenzbildende diatopische Merkmale der sprachlichen Varietäten (Dialekte, "Umgangssprachen", regionalen Varianten der Standardsprache) selbst als auch um die Frage, wie diese politische Grenze die subjektiven Vorstellungen der Sprecher von Dialektgrenzen ("mentalen Sprachkarten") beeinflusst hat und ob beziehungsweise inwieweit sich diese Vorstellungen mit den objektiven sprachgeographischen Grenzen decken.An der Klärung dieser Fragen sind unterschiedliche sprachwissenschaftliche Disziplinen beteiligt: Aus Perspektive der Dialektologie wird gefragt, ob sich die Dialekte beiderseits der Grenze in Lautung, Formenbildung und Wortschatz auseinanderentwickelt haben. Aus Perspektive der Soziolinguistik wird gefragt, ob es einen Ost-West-Unterschied im Abbau des Dialekts, in seinen Gebrauchsbedingungen, in seiner sozialen Bewertung und in der Selbsteinschätzung der Dialektsprecher gibt. Das Projekt ist das erste Vorhaben, das sich den sprachlichen Folgen der Überland-Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland widmet. Nicht zuletzt ist es von gesellschaftspolitischer Relevanz: Indem es auf ehemalige wirtschafts-, kultur- und sprachräumliche Gemeinsamkeiten der jahrzehntelang hermetisch voneinander abgeriegelten Gebiete aufmerksam macht, kann es dazu beitragen, dass im Prozess des Zusammenwachsens der Bevölkerungen aus der vormaligen DDR und der früheren Bundesrepublik wieder ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit entsteht.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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