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Der Privatbrief im registrum epistularum Gregors des Großen. Form, Funktion und Formatierung eines kirchenpolitischen Machtinstruments
Antragsteller
Dr. Tristan Spillmann
Fachliche Zuordnung
Griechische und Lateinische Philologie
Mittelalterliche Geschichte
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 546593983
In meinem Vorhaben möchte ich die Privatbriefe im Briefregister Papst Gregors des Großen (590-604) analysieren und paradigmatischdie Formalisierung der päpstlichen Kommunikation in einer für das Papsttum zentralen Institutionalisierungsphase im ausgehenden 6. Jahrhundert nachvollziehen. Beim Privatbrief handelt es sich um ein spezifisches Format in der fest im antiken Kulturrepertoire inventarisierten Epistolographie, das sich in unterschiedlichen kommunikativen Situationen als tragfähige Interaktionsform erwies. Eine Ausprägung stellte im Altertum der Freundschaftsbrief dar, der primär die zwischen Adressant und Adressat zu instituierende oder zu aktualisierende amicitia thematisierte und literarisch inszenierte. Ferner bot diese Erscheinungsform die Möglichkeit, implizit politisch heikle Sachverhalte vorzubringen, reziprok die Standpunkte zu prüfen und zugleich subtil diskursive Positionierungen vorzunehmen, was den jeweiligen Handelsspielraum ermitteln und, abhängig von den vorherrschenden amikalen Verhältnissen, ebenso erweitern konnte. Bischöfe, zu denen auch die Bischöfe von Rom als Päpste gehörten, machten sich den Privatbrief zunutze, um außerhalb ihrer unmittelbaren jurisdiktionellen Einflusssphären bei unklaren bzw. asymmetrischen Verhältnissen ihre Haltung zu artikulieren, Beziehungen zu knüpfen oder auszubauen und ebenso kirchenpolitisch aktiv zu werden. An ausgewählten Handlungsfeldern des Pontifikats Gregors des Großen, die unmittelbar mit der Anwendung des Briefformates selbst verschränkt sind, möchte ich den sprachlichen Vollzug päpstlicher Gestaltungsoptionen herausarbeiten, d.h. die kommunikativen Praktiken zur Anmeldung, Behauptung und Durchsetzung apostolischer Autorität und ihre chiffrierte Kennung in den Blick nehmen. Des Weiteren soll die Korrespondenz in ihrem zeitlichen Kontext betrachtet werden, der aufgrund des dezentralisierten poströmischen Raumes und der fehlenden Regulationen multilateraler Kommunikationsformen dem Papsttum diplomatische Opportunitäten für die Durchsetzung eigener Interessen und Gestaltungsmöglichkeiten bot. Das Vorhaben soll eine wesentliche Konsolidierungsphase des Papsttums im Hinblick auf ein kommunikatives Instrument in den Blick nehmen und neben der rhetorischen Ausgestaltung ebenso die institutionelle Bedeutung des päpstlichen Privatbriefes multiperspektivisch beleuchten. Des Weiteren möchte ich mit meiner Studie ein methodisches Instrumentarium, d.h. eine praxeologische Brieftypologie ausformulieren und erproben, mit der die problematische Klassifizierung päpstlicher Schriftlichkeit adressiert und ein anschlussfähiges Analysemodell für weitere päpstliche Briefsammlungen angeboten werden soll. Mit dem päpstlichen Privatbrief wird eine bislang vernachlässigte epistolare Gattungsausprägung literaturwissenschaftlich zur Kenntnis genommen und als solche ebenso kulturhistorisch verortet werden.
DFG-Verfahren
WBP Stipendium
Internationaler Bezug
Großbritannien, Schweiz
Gastgeberinnen / Gastgeber
Professorin Dr. Carmen Cardelle de Hartmann; Professor Dr. Carlos Machado