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FOR 550:  Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Die Funde von Nebra, Sachsen-Anhalt, und ihre Bedeutung für die Bronzezeit Europas.

Fachliche Zuordnung Geisteswissenschaften
Geowissenschaften
Materialwissenschaft und Werkstofftechnik
Förderung Förderung von 2004 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5471121
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die außerordentliche Bedeutung der Funde von Nebra forderte die Wissenschaft heraus, sich systematisch mit deren kulturellem Umfeld zu beschäftigen. Die besondere Stellung des mitteldeutschen Zweiges der klassischen und der späten Aunjetitzer Kultur wurde zwar früh erkannt, jedoch in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. kaum weiterführend untersucht. Die Forschergruppe setzte sich deshalb zum Ziel, ein umfassendes, weit über den bisherigen Kenntnisstand reichendes Weltbild der mitteleuropäischen Frühbronzezeit zu entwerfen, in dem alle wichtigen Bereiche, wie Handel, Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie, Wissen und Religion sowie die Umwelt berücksichtigt und in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit untersucht werden sollten. Umfang und Art der geplanten Untersuchungen wurden aus geographischer Sicht in drei Ebenen untergliedert. Die Mikroregion umfasste den gesamten Mittelberg und den anschließenden Bereich des Unstruttales. Das Ziel des eigenfinanzierten Moduls A1 lag in der systematischen Ausgrabung des Fundortes selbst und einer anschließenden diachronen, siedlungsarchäologischen Untersuchung dieser Kulturlandschaft im Wandel der Zeit. Die Makroregion des Forschungsprojektes umfasste das Kerngebiet der nach dem Grab von Leubingen benannten Leubinger Gruppe der Aunjetitzer Kultur. Dieses Gebiet entspricht weitgehend jenem, welches aufgrund seines, insbesondere in den Hortfunden bezeugten Metallreichtums einer sog. Metallgruppe der Aunjetitzer Kultur zugewiesen wurde (Module A5, A6 und NW2). Ihre außerordentliche wirtschaftliche Bedeutung wurde meist mit der vermuteten Ausbeutung der Erzvorkommen im südöstlichen Harzvorland verbunden. Die Frage nach der Herkunft des Goldes aus den Horten und Großgräbern der Eliten der Leubinger Gruppe blieb bislang ebenso unbeantwortet. In mehreren Modulen wurde deshalb die Herkunft der Metalle nun systematisch verfolgt (Module NW2-5). In den Metallzeiten markierten Gräber der Eliten häufig das antike wirtschaftliche Verkehrsnetz, da die Kontrolle über die Wege, auf denen Rohstoffe gehandelt wurden, nicht weniger wichtig war wie die Verfügungsgewalt über die Quellen selbst. Dies betraf im Falle der Leubinger Gruppe nicht nur den Regionalhandel mit Salz und Kupfer, sondern auch die Fernhandelswege, auf denen das Zinn in die Region kam bzw. diese wieder verließ, sowie das Gold, das mit dem Zinnhandel erwirtschaftet wurde. Untersucht werden sollte deshalb, wie es zu einer regionalen Konzentration von Macht, Herrschaft, Wirtschaft und Kult kommen konnte. Für die Beurteilung der gesellschaftlichen Systeme in der Makroregion waren die Untersuchungen der Module A1 bis A8 unabdingbar. Alle Informationen sollten in einer zentralen Datenbank zusammengeführt und im Anschluss in einer umfassenden landschaftsarchäologischen Auswertung auf GIS-Basis ausgewertet werden (Modul A5). Bei den Untersuchungen wurde die Metaregion auf Gesamteuropa ausgedehnt. Hier sollte untersucht werden, weshalb sich Importe etwa aus dem nordischen, dem atlantischen Bereich und solche aus dem Karpatenbecken andererseits in der Makroregion treffen, während die Scheibe selbst geistig-religiöse Einflüsse aus dem östlichen Mittelmeer belegt. Der Austausch von Gütern, Symbolen und religiösen Vorstellungen setzt ein entwickeltes Wegenetz voraus. Mitteldeutschland ist aber nicht nur rezipierender - oder vermittelnder -, sondern in großem Umfang auch gebender Partner. Günstige geomorphologische und ökologische Voraussetzungen wie auch das Vorkommen für die Zeit wichtiger Rohstoffe spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Motive auf der Himmelsscheibe von Nebra setzen systematische, über Generationen hinweg durchgeführte Himmelsbeobachtungen und das Verstehen komplexer Kausalitätszusammenhänge voraus. Bislang blieb die astronomische Deutung von archäologischen Denkmälern, etwa vom Stonehenge-Typ oder Woodhenge-Typ, oder aber auch der sog. Rondelle spekulativ. Mit Modul A2 (Teilprojekt 2) sollten die per Luftbildarchäologie entdeckten Kreisgräben, die vom Gesamtplan her sicher nicht stichbandkeramisch (dazu Teilprojekt 1) und mit frühbronzezeitlichen Anlagen aus Österreich und der Tschechischen Republik vergleichbar waren, in einer ersten Projektphase datiert und anschließend gezielt ausgegraben werden. Die zweite Projektphase widmete sich dann der systematischen Erschließung der komplexen frühen frühbronzezeitlichen Anlage von Pömmelte. Nebra und die sog. Großgrabhügel der Makroregion zeigen erstmals für Mitteleuropa die Bildung von Eliten, die sich durch zahlreiche Statussymbole und Machtabzeichen, wie Stabdolche, Schwerter, Prunkäxte usw., zuerkennengeben (Module A4 und A7). Die Schwerter aus Nebra mit ihren verzierten Klingen in der für die Region neuartigen Tauschiertechnik und ihren Goldgriffen sind unverkennbare Zeichen von Macht, Herrschaft und Prestige ihrer Träger. NW1 zielte deshalb auf eine detaillierte Untersuchung der Verzierungstechniken und des damit verbundenen Wissenstransfers ab. Die zahlreichen Deponierungen mit Prestige und Status symbolisierenden Gegenständen stellten indirekt nicht nur die Frage nach der sozialen und wirtschaftlichen, sondern auch nach der symbolischen und religiösen Bedeutung des Metalls sowie nach dem kultischen Charakter der Deponierungen (Modul A6). Die beigegebenen Schmiedewerkzeuge im Grab von Leubingen warfen ihrerseits die Frage nach der gesellschaftlichen Stellung des Metallurgen in der frühen Metallzeit (A9) auf. Nachdem erste naturwissenschaftliche Resultate bereits 2003 Hinweise darauf lieferten, dass die in der Scheibe vorgefundenen Spurenelementmuster im Kupfer bislang in vergleichbarer Konzentration nur in den Ostalpen und dort ganz besonders im Mitterberg in Österreich vorkamen, sollten, um zu einer sicheren Aussage zu gelangen, weitere Untersuchungen die erheblichen Lücken im Datenbestand zu den restlichen Kupferlagerstätten in Europa erschliessen. Diese betrafen vor allem auch die hiesigen Erzvorkommen im Harz oder auch im Erzgebirge, die bislang gerne als wesentlichen Grund der wirtschaftlichen Stärke Mitteldeutschlands in der Frühbronzezeit angesehen wurden. Noch unbefriedigender waren die Grundlagen für die Herkunftsbestimmung der Applikationen aus Gold, das nach dem unzulänglichen Forschungsstand vor FOR 550 am ehesten in Siebenbürgen verortet wurde. Hier galt es, erstmals einen sicheren Überblick zu den europäischen Goldlagerstätten insgesamt zu gewinnen, sowie die Analysemethoden zu verfeinern. Diese Fragen zu klären, war ein wichtiger Schwerpunkt des naturwissenschaftlichen Teils der Forschergruppe (s. Module NW3 bis NW5).

 
 

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