SFB 626: Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der SFB 626 hat sein Titel gebendes Forschungsthema – ‚ästhetische Erfahrung’ und ‚Entgrenzung’ - in den drei Förderphasen unterschiedlich gewichtet. In der ersten Förderphase stand vorrangig die Untersuchung der ästhetischen Erfahrung im Zentrum. In der zweiten die Frage der Entgrenzung. In der dritten Formprobleme, ästhetisches Urteil und Raum. Der Aufbau des gesamten SFB verband Teilprojekte aus Disziplinen, die jeweils unterschiedliche Kunstformen zum Gegenstand haben (Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Theater, Tanz- und Filmwissenschaft) mit Disziplinen, die wie z.B. die Religionswissenschaft, Philosophie oder Psychologie ‚Erfahrung’ und ‚Entgrenzung’ auch im Hinblick auf prima facie weder der Kunst noch dem substantivierten ‚Ästhetischen’ zuschlagbare Phänomene untersuchen. Die zentralen Ansätze, die hier zu diskutieren waren, bestimmen das Verhältnis der Kunst zu anderen Feldern der Erfahrung wie Glauben, Wissen, kulturelle Überlieferung etc. Im Zentrum standen dabei Untersuchungen derjenigen ästhetischen Verfahren, die auf eine Entgrenzung der einzelnen Künste untereinander abzielen und auf diejenigen theoretischen Bestimmungen, die der Entgrenzung z. B. von ästhetischer Erfahrung als politischer oder religiöser nachgingen. Für die zweite Förderphase hat sich somit eine Binnendifferenzierung der Fragestellung ergeben: Wie lässt sich der Anspruch an eine explizit politische Ästhetik reformulieren und in Fragen der Partizipation, des sensus communis und des Handlungsmodells neuerer Kunstformen zerlegen. Der kunstkomparatistische Ansatz brachte in der Vernetzung ein weiteres Desiderat hervor: die Rolle der Medialität zu berücksichtigen, die als Scharnier entgrenzender Verfahren offensichtlich wurde. Welches Medium in entgrenzenden Verfahren zum Tragen kommt, entscheidet u.a. über die Richtung der Grenzüberschreitung (initiiert z.B. der Einsatz von Video auf der Bühne des Musiktheaters z.B. bei Christoph Schlingensief oder Heiner Goebbels eine Entgrenzung auf den Film hin oder auf die Performance-Ästhetik einer Liveübertragung?). Einer undifferenzierten These globaler Entgrenzung ließen sich so neue Formen der Paragone-Diskurse entgegen halten, die üblicherweise als ontologische Behauptung essentialisierter Medienspezifizität zurück gewiesen werden. Dabei ergab sich, dass gerade die ästhetischen Verfahren der Entgrenzung in der künstlerischen Praxis mit großer Genauigkeit Differenzen zwischen den Künsten thematisieren und diese neuerlich auch durchaus konkurrierend hervortreten lassen. In den Schwerpunkten wurde gezielt zu den Verflechtungen von Sprache, Bild, Musik und technischen Medien gearbeitet. Aus den Forschungsergebnissen der beiden letzten Phasen hatten sich folgende Desiderate ergeben: Die beiden Grundbegriffe der ‚ästhetischen Erfahrung’ und der ‚Entgrenzung’ können nicht als statische gedacht werden, vielmehr müssen sie als temporal, prozessual und relational genauer bestimmt werden. Erfahrungen werden gemacht im doppelten Sinne eines aktualen Vollzugs, den seine zeitliche Ausdehnung, sein mentaler Prozess und seine relationale Verbindungsverknüpfung kennzeichnet: Jemand ist gerade dabei, eine Erfahrung von etwas zu machen, oder hat bereits die Erfahrung von etwas gemacht. Für uns schloss sich hier die Frage an, welches die Träger solcher Verschiebungen sind. Zur Klärung dieser Frage gingen wir von einem heuristisch eingeführten Begriff aus: generische Formen. ‚Generische Formen’ grenzen wir ab vom traditionellen Begriff des Genres, das durch Codes und Konventionen bestimmt wird, aber auch von strukturalistisch gedachten Konzepten des Generativen. Dagegen verstehen wir unter generischen Formen solche, die allgemein genug bestimmt sind, um als Passepartout Grenzen wie die von Genres, Symbolen etc. zu überschreiten. Wenn etwa Fiktion oder auch Komik auf Genres reduziert werden, wird ihre Tragweite keineswegs erschöpft. Vielmehr kommt es darauf an, jene Formdynamiken zu erhellen, die quer zu Genres stehen und keine teleologische Endform eingeschrieben haben. Der zweite Schwerpunkt griff auf ein altes Thema der Ästhetik zurück: das ästhetische Urteil. Auch hier waren wir nicht primär an der ideengeschichtlichen Konturierung des Kantschen Begriffs interessiert, sondern am Prozeduralen des Urteilens als einer Komponente, die sowohl dem Machen von Erfahrungen als auch der vektoriellen Bestimmung von Entgrenzung eingeschrieben ist. Unser Interesse setzt also vor allem an der Frage der Urteilsbildung an, die dazu führt, ein Objekt unabhängig von der institutionellen Denomination als ein ästhetisches oder ein einer bestimmten Kunst nicht mehr oder schon zugehöriges zuzurechnen. Das führte uns zum dritten Schwerpunkt, den Erfahrungsräumen. Diese fungieren als Rahmungen (Museum oder Straße etc.) für das Urteilen über Objekte aber auch als Materialisierungen von Entgrenzung. Besonders das Spiel zwischen mentalen Prozessen der Zeiterfahrung (Verweildauer, Rhythmus etc.) und der räumlichen Extension und Überschreitung des Kunstraums. Forschungsziel war also eine Reformulierung der Grundbegriffe und die Justierung ihrer Passgenauigkeit für die Erläuterung der Gegenwartskunst.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Dimensionen ästhetischer Erfahrung, 1. Aufl., Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1640, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003
Joachim Küpper (Hg.)
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Ästhetik der Installation, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003
Juliane Rebentisch
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Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste. Epistemische, ästhetische und religiöse Formen von Erfahrung im Vergleich, Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft: Sonderheft 4, Hamburg: Meiner, 2004
Gert Mattenklott (Hg.)
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Art and Cognition! Consequences for experimental aethetics, in: Bulletin of Psychology and the Arts 5/2 (2005), S. 11-20
Helmut Leder, Dorothee Augustin, Benno Belke
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Zwischen Ding und Zeichen. Zur ästhetischen Erfahrung in der Kunst, München/Paderborn: Fink, 2005
Gertrud Koch, Christiane Voss (Hg.)
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Kunst, Fortschritt, Geschichte, Kaleidogramme 5, Berlin: Kadmos, 2006
Christoph Menke, Juliane Rebentisch (Hg.)
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Sprachen ästhetischer Erfahrung, Paragrana, Bd. 15, H. 2, Berlin: de Gruyter, 2006
Gert Mattenklott, Martin Vöhler (Hg.)
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Subjekt und Medium in der Kunst der Moderne, Berlin / Zürich: Diaphanes, 2006
Christoph Menke, Michael Lüthy (Hg.)
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Bildtext - Textbild. Probleme der Rede über Text-Bild-Hybride, 1. Aufl., Rombach Wissenschaften: Reihe Cultura 43, Freiburg im Breisgau: Rombach, 2007
Dirck Linck; Stefanie Rentsch (Hg.)
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How to Do Things with Art, Berlin: Diaphanes, 2007 (engl. Aufl. 2010)
Dorothea von Hantelmann
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Randgänge der Zeichnung, München/Paderborn: Fink, 2007
Werner Busch, Oliver Jehle, Carolin Meister (Hg.)
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The Osmotic Dynamics of Romanticism. Observing Nature – Representing Experience 1800-1850, Berlin: Reimer, 2007
Erna Fiorentini (Hg.)
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Bewegte Erfahrungen: zwischen Emotionalität und Ästhetik, Zürich / Berlin: Diaphanes, 2008
Anke Hennig, Brigitte Obermayr; Antje Wessels, Marie-Christin Wilm (Hg.)
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Inspiration und Adaptation. Tarnkappen mittelalterlicher Autorschaft, Hildesheim: Weidmann, 2008
Renate Schlesier, Beatrice Trinca (Hg.)
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Jacques Rancière: Ist Kunst widerständig?, Berlin: Merve, 2008
Jan Völker, Frank Ruda (Hg.)
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Kraft. Zu einem Grundbegriff ästhetischer Anthropologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008
Christoph Menke
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Das unklassische Bild. Von Tizian bis Constable und Turner, München: Beck, 2009
Werner Busch
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Form. Zwischen Ästhetik und künstlerischer Praxis, Zürich / Berlin: Diaphanes, 2009
Armen Avanessian, Franck Hofmann, Susanne Leeb, Hans Stauffacher (Hg.)
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Georg Kreisler – Grenzgänger, Rombach Wissenschaften, Reihe Litterae 169, Freiburg im Breisgau: Rombach, 2009
Michael Custodis, Albrecht Riethmüller (Hg.)
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Grenzen der Katharsis in den modernen Künsten. Transformationen des aristotelischen Modells seit Bernays, Nietzsche und Freud, Berlin / New York: de Gruyter, 2009
Martin Vöhler, Dirck Linck (Hg.)
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Un-Reinheit. Konzepte und Praktiken im Kulturvergleich, München/Paderborn, 2009
Angelika Malinar (Hg.)
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Vita aesthetica. Szenarien ästhetischer Lebendigkeit, Zürich / Berlin : Diaphanes, 2009
Winfried Menninghaus, Armen Avanessian, Jan Völker (Hg.)
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Die Mimesis und ihre Künste, München/Paderborn: Fink, 2010
Gertrud Koch, Christiane Voss, Martin Vöhler (Hg.)
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Improvisieren: Paradoxien des Unvorhersehbaren. Kunst – Medien – Praxis, Bielefeld: Transcript, 2010
Gabriele Brandstetter, Annemarie M. Matzke (Hg.)
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Jetzt und dann. Zeitkonzepte in Philosophie und Medien, München/Paderborn: Fink, 2010
Gertrud Koch, Anke Hennig,Georg Witte (Hg.)
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Kunsthandeln, Zürich / Berlin: Diaphanes, 2010
Karin Gludovatz, Dorothea von Hantelmann, Michael Lüthy, Bernhard Schieder (Hg.)
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Realismus in den Künsten der Gegenwart, Zürich / Berlin: Diaphanes, 2010
Dirck Linck, Michael Lüthy; Brigitte Obermayr, Martin Vöhler (Hg.)
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Ästhetisierung : der Streit um das Ästhetische in Politik, Religion und Erkenntnis, Zürich / Berlin: Diaphanes, 2010
Ilka Brombach, Dirk Setton, Cornelia Temesvári (Hg.)
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Imaginäre Medialität – Immaterielle Medien, München/Paderborn: Fink, 2012
Gertrud Koch, Kirsten Maar, Fiona McGovern (Hg.)
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Screen Dynamics. Mapping the Borders of Cinema, Wien: Synema, 2012
Gertrud Koch, Volker Pantenburg, Simon Rothöhler (Hg.)
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Der Leihkörper, München/Paderborn: Fink, 2013
Christiane Voss
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Form und Wirkung. Phänomenologische und empirische Kunstwissenschaft in der Sowjetunion der 1920er Jahre, München/Paderborn: Fink, 2013
Brigitte Obermayr, Georg Witte, Aage Hansen-Löve (Hg.)
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Konturen des Kunstwerks. Zur Frage von Relevanz und Kontingenz (Bd. der SFB-Jahrestagung 2011), München/Paderborn: Fink, 2013
Frédéric Döhl, Daniel Martin Feige, Thomas Hilgers, Fiona McGovern (Hg.)
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Performance and the Politics of Space. Theatre and Topology, London / New York: Routledge, 2013
Erika Fischer-Lichte, Benjamin Wihstutz
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Assign and Arrange. Methodologies of Presentation in Art and Dance, Berlin: Sternberg, 2014
Maren Butte, Kirsten Maar, Fiona McGovern, Marie-France Rafael, Jörn Schafaff (Hg.)
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Kunst als menschliche Praxis. Eine Ästhetik, Berlin: Suhrkamp, 2014
Georg W. Bertram
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Mechanische Verlebendigung. Ästhetische Erfahrung im Kino, München/Paderborn: Fink, 2014
Chris Tedjasukmana
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Zitieren, appropriieren, sampeln. Referenzielle Verfahren in den Gegenwartskünsten, Bielefeld: Transcript, 2014
Renate Wöhrer, Frédéric Döhl (Hg.)
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Affekt und Urteil, München/Paderborn: Fink, 2015
Thomas Hilgers, Gertrud Koch, Christoph Möllers und Sabine Müller-Mall (Hg.)
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Kunst und Wirklichkeit heute, Affirmation – Kritik – Transformation, Bielefeld: Transcript, 2015
Lotte Everts, Johannes Lang, Michael Lüthy, Bernhard Schieder (Hg.)