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SFB 654:  Plastizität und Schlaf

Fachliche Zuordnung Medizin
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Förderung Förderung von 2005 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5486356
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der SFB 654 "Plastizität und Schlaf" wurde an der Universität Lübeck eingerichtet. Er wurde nach zwei erfolgreichen Förderperioden in der dritten Förderperiode in einen Transregio-SFB umgewandelt, der die Universitäten Tübingen (Sprecheruniversität) sowie Lübeck und Kiel einbezog. Die Forschung des SFBs basierte auf dem Konzept, dass Schlaf der Konsolidierung biologischen Gedächtnisses dient. Der Konsolidierungprozess wurde dabei als „Active Systems Consolidation“-Prozess konzeptualisiert. Schlaf bietet optimale Bedingungen für derartige aktive Konsolidierungsprozesse, weil im Schlaf die Verarbeitung von externen Stimuli, die die Konsolidierung stören würden, auf ein Minimum beschränkt bleibt. Von zentraler Bedeutung war die Annahme, dass die Gedächtnisbildung im Schlaf ein allgemeiner biologischer Prozess ist, der nicht nur die Gedächtnisbildung im neurobehavioralen System betrifft, sondern auch in anderen Information verarbeitenden Systemen, wie dem metabolischen System und dem Immunsystem. Darüberhinaus wurde angenommen, dass die Schlaf-bezogene Gedächtnisbildung in diesen Systemen teilweise durch vergleichbare Mechanismen gesteuert wird. Im Rahmen dieses Konzepts zeigte die Forschung des SFBs, dass Schlaf in der Tat die Konsolidierung von Gedächtnisinhalten in den drei interessierenden Systemen, d.h. im neurobehavioralen System, im metabolischen System und im Immunsystem, verstärkt. In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass Schlaf im neurobehavioralen System die Konsolidierung von vor dem Schlaf erlebten Episoden verstärkt und dass Schlaf in ähnlicher Weise im Immunsystem das Gedächtnis für vor dem Schlaf geimpfte Antigene verstärkt. Bezüglich des metabolischen Systems wurde gezeigt, dass Schlaf Setpoints der homöostatischen Regulation verschiedener Parameter dieses Systems, wie des Blutglucosespiegels und des Körpergewichts, stabilisiert. Diese metabolischen Setpoints sind dabei als die für die homöostatische Regulation dieser Parameter wesentlichen Gedächtnisinhalte anzusehen. Darüberhinaus klärte die Forschung des SFBs einige wichtige Mechanismen auf, die der Gedächtnisbildung im Schlaf zugrunde liegen. Dazu rekurrierte der SFB, der zunächst stark humanexperimentell ausgerichtet war, im Laufe der Zeit mehr und mehr auf Tierforschung. Die Studien zeigten u.a., dass das Deltaschlafstadium (Slow Wave Sleep) für die Gedächtnisbildung in den drei interessierenden Systemen sehr viel wichtiger ist als das REM-Schlafstadium (REM für „rapid eye movement“). Für die Konsolidierung episodischer Inhalte im neurobehavioralen System und von Antigen-Information im Immunsystem spielen die „Slow Oscillations“ sowie die Spindeln, die beide das EEG im Deltaschlaf dominieren, eine entscheidende Rolle. Und dieselben EEG-Oscillationen sind auch für den stabilisierenden Einfluss des Deltaschlafs auf Setpoints im metabolischen System verantwortlich. Ferner zeigte diese Forschung, dass die Gedächtnisbildung in den drei Systemen durch eine Hemmung der Freisetzung des Stresshormons Kortisol im Deltaschlaf befördert wird. Die Ergebnisse der Forschung des SFBs dienten als Basis, um die sogenannte „Active Systems Consolidation“-Theorie der Gedächtnisbildung im Schlaf zu entwickeln. Die Erstellung dieses Konzepts samt seiner empirischen Basis kann als die eigentliche Leistung des SFBs angesehen werden. Das Active Systems Consolidation-Konzept beschreibt die Gedächtnisbildung als eine allgemeine biologische Funktion des Schlafes und erklärt, wie im Schlaf neues Langzeitgedächtnis im neurobehavioralen System und im Immunsystem gebildet wird. Das Konzept bezieht sich nicht auf Gedächtnis-stabilisierende Effekte des Schlafs auf die (teils genetisch vorgegebenen) Setpoints im metabolischen System, sofern diese durch einen einfacheren, ebenfalls an Schlaf gekoppelten, passiven „synaptischen Renormalisierungsprozess“ erklärt werden können. Demgegenüber erfordert die Langzeitgedächtnisbildung für neue externale Ereignisse im Immun- und neurobehavioralen System – wie durch das Active Systems Consolidation-Konzept beschrieben – einen zweistufigen Gedächtnisprozess, bei dem die Information zunächst in ein als initialer Speicher fungierendes Zellnetzwerk enkodiert wird, um dann im Schlaf von dort allmählich in ein als Langzeitspeicher fungierendes Zellnetzwerk umverteilt zu werden. Die Active Systems Consolidation-Theorie ist das gegenwärtig meist diskutierte Konzept in diesem Forschungsfeld. Das Konzept gewinnt als „systemischer Ansatz“ zudem zunehmend an Bedeutung für die Erforschung immunologischer Gedächtnisbildung. Neben diesem Konzept hat die Forschung des SFBs zwei neue Technologien hervorgebracht, mit denen der Schlaf bzw. die Gedächtnisbildung im Schlaf gezielt verbessert werden können. Es wurde gezeigt, dass der Deltaschlaf direkt und selektiv durch eine sogenannte „auditorische Closed-loop Stimulation“ der dieses Schlafstadium charakterisierenden Slow Oscillations vertieft werden kann. Es wurde außerdem gezeigt, dass durch die sogenannte „Targeted Memory Reactivation“ während des Deltschlafes zuvor enkodierte Lerninhalte gezielt verstärkt werden können. Der Einsatz beider Methoden ist gegenwärtig in der Schlaf-und-Gedächtnisforschung stark verbreitet. Zudem befinden sich kommerziell erwerbliche Geräte in der Entwicklung, mit denen diese Techniken der Schlaf- und Gedächtnisverbesserung für die breite Öffentlichkeit nutzbar werden sollen. Insgesamt hat der SFBs mit dazu beigetragen, dass Deutschland eine Spitzenstellung im Bereich der Schlaf- und zunehmend auch im Bereich der Gedächtnisforschung einnimmt. Die Forschung des SFBs hat nicht nur dazu beigetragen, dass Bewusstsein für Bedeutung des Schlafs in der breiten Öffentlichkeit zu schärfen. Die Forschung dieses SFBs hat vielmehr auch wesentlich zur Entwicklung neuer Technologien beigetragen, mit denen Schlaf und seine kognitiven Ressourcen konsequent gesellschaftlich genutzt werden können.

 
 

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