Berufliche Strategien und Statuspassagen von jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund im deutsch-französischen Vergleich
Final Report Abstract
Ziel des Projekts war die Analyse der Bildungsverläufe und Arbeitsmarkteinmündungsprozesse junger Erwachsenen mit Migrationshintergrund in Deutschland und Frankreich. Im Mittelpunkt stand die Fragen, in wie weit die von ihnen entwickelten beruflichen und sozialen Handlungsstrategien das Muster ihres Überganges ins Erwachsenalter bestimmen und welche Mechanismen für „erfolgreiche“ Übergänge verantwortlich sind. Die Ergebnisse stützen sich auf Auswertungen repräsentativer Surveydaten für beide Länder und einer Feldstudie (N=175 semi-biographische Interviews). Die Ergebnisse zeigen, dass die soziale Herkunft, der schulische Kontext und der Familienkontext wichtige Bedingungen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn darstellen. Berücksichtigt man diese Faktoren, zeigen sich Vorteile für die Nachkommen der türkischen Migranten in Deutschland und der nordafrikanischen Migranten in Frankreich. Die Feldstudie hebt die Bedeutung der Familie bei der Weitergabe von Werten, Unterstützung und Kontrolle hervor, aber auch die Relevanz der Selbstbehauptung im Wohnquartier und in bestimmten Fällen der „Distanzierung“ vom Quartier und von den Peers für „erfolgreiche“ Verläufe. Institutionelle Faktoren, insbesondere in Bezug auf das Bildungssystem aber auch auf die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, strukturieren die Verläufe. In Frankreich wird eine Polarisierung der Bildungssituation der Migrantennachkommen, in Deutschland eine Absetzung nach unten (Relégation) beobachtet. Dies liegt daran, dass die soziale Selektion innerhalb des Bildungssystems in Deutschland sehr früh, während sie in Frankreich später und auch zwischen den Zweigen des sekundären Bereichs stattfindet. Vergleichbare Tendenzen sind jedoch beobachtbar: junge Erwachsene türkischer Herkunft in Deutschland (insbesondere die Frauen) und junge Erwachsene nordafrikanischer Herkunft (hier insbesondere die Männer) setzen eher auf eine längere Bildungslaufbahn für den sozialen Aufstieg. Weiterhin konnte für die problematischen Lebensverläufe festgestellt werden, dass das Übergangssystem in Deutschland die Möglichkeit einer zweiten Chance der beruflichen Qualifizierung bietet, während das französischen Bildungssystem kaum eine zweite Chance gibt: Einmal aus dem Bildungssystem entlassen, werden sich die jungen Erwachsenen sich selbst überlassen. Dies könnte erklären, warum sehr problematische Bildungsverläufe mit einem frühen Abgang vom Bildungssystem und damit einhergehende blockierte Übergänge in den Arbeitsmarkt in Frankreich häufiger als in Deutschland und auch häufiger bei Männern als bei Frauen zu finden sind. Während ein Nicht-Erwerbstätigkeits-Verlauf für Frauen generell in Frankreich nicht zu finden war, weisen junge Frauen türkischer Herkunft in Deutschland signifikant häufiger als junge Frauen deutscher Abstammung solche Verläufe. Im Hinblick auf die Handlungsstrategien war es möglich zu zeigen, dass formelle Strategien, die mit Bildungszielen einhergehen, dem frühen Lebensverlauf unterliegen und dass exogene Faktoren wie Probleme in der Herkunftsfamilie, Peer-Gruppen und Gelegenheitsstrukturen im Quartier zur Entwicklung einer informelleren Strategie führen können. Dabei spielt die „Ökonomie des schnellen“ Geldes, d.h. die Möglichkeit sich durch illegale Aktivitäten über Wasser zu halten eine wichtige Rolle. Zudem zeigte sich auch, dass die Erwägung einer selbständigen Tätigkeit in der ethnischen Ökonomie als informelle Strategie auch zum Erfolg führen kann. Ein zentrales Ergebnis der qualitativen Analysen besteht weiterhin in der prägenden Bedeutung von typischen Wendepunkten in den prekären biografischen Verläufen. Mit den biografischen Wendepunkten gehen Veränderungen in der Lebenssituation, aber gerade auch in subjektiven Orientierungen und Handlungslogiken einher. Für die Wendepunkte spielen soziale Nahbeziehungen, institutionelle Kontexte und Gelegenheitsstrukturen eine Rolle. Informelle Handlungsstrategien werden durch einen ersten biographischen Wendepunkt eingeleitet, der teils im Zusammenhang mit Diskriminierung (vorwiegend in Frankreich), teils als sozialer Netzwerk- und Sogeffekt (vorwiegend in Deutschland) biographisch rekonstruiert wird. Es sind vor allem Lernprozesse sowie institutionelle Angebote im Sinne einer „zweiten Chance“, die einen zweiten Wendepunkt einleiten, der zu einer Rückkehr zu formellen Handlungsstrategien führt.
Publications
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Tucci, Ingrid
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Tucci, Ingrid; Ariane Jossin; Carsten Keller und Olaf Groh-Samberg
- (2011): National context and logic of social distancing: children of Immigrants in France and Germany. In: M. Wingens, M. Windzio, H. de Valk und C. Aybek (Hg.): A lifecourse perspective on migration and integration, Springer Verlag: 143-164
Tucci, Ingrid