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Zwischenrecht. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts in der frühen Bundesrepublik

Antragstellerin Dr. Laila Schestag
Fachliche Zuordnung Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 552549452
 
"Das Völkerrecht geht unter allen Umständen dem Bundesrecht und auch dem Bundesverfassungsrecht vor“. Mit diesem Satz des späteren Außenministers Heinrich von Brentano nahm der Parlamentarische Rat die bis heute gültige Fassung von Art. 25 GG einstimmig an. Noch in der ersten Hälfte der 1950er Jahre stieß der Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts vor dem Grundgesetz, ihr Überverfassungsrang, auf breite Zustimmung. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre setzte dann eine graduelle Herabstufung ihrer Bedeutung ein, die bis zur Mitte der 1970er Jahre in den Zwischenrang mündete, den die Verfassungsauslegung den allgemeinen Regeln des Völkerrechts noch heute ganz überwiegend zuweist: Sie stehen über dem einfachen Recht, aber unter dem Verfassungsrecht. Bei dieser Beobachtung setzt das zentrale Anliegen der Untersuchung an: Sie versucht ideengeschichtlich nachzuvollziehen, was es mit der skizzierten Entwicklung vom Überverfassungsrang zum Zwischenrang auf sich hat. Die Arbeit untersucht zunächst die Bedeutung des allgemeinen Völkerrechts in der unmittelbaren Nachkriegszeit zwischen Mai 1945 und Mai 1949 (Erster Teil). Sie geht von den Debatten aus, die im Parlamentarischen Rat um Art. 25 GG geführt wurden, berücksichtigt darüber hinaus aber auch die Verfassungsdiskussionen aus den Jahren zuvor: Schon unmittelbar nach Kriegsende war Völkerrecht ein Thema, das in den Verfassungsentwürfen der politischen Parteien, zonaler Gremien, im Grundgesetzentwurf des Herrenchiemseekonvents und in den Länderverfassungen von Anfang an mitgedacht wurde. Dabei legt sie drei zentrale Motive frei, die ursprünglich hinter Art. 25 GG standen: Sie betreffen die symbolische Funktion des allgemeinen Völkerrechts nach 1945 als außenpolitisches Argument (1), seine normative und maßstabsbildende Funktion im Innern (2), sowie seine praktische Funktion gegenüber den Besatzungsmächten (3). Im Zentrum steht die Frage nach dem innerstaatlichen Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts, in der sich die Frage ihrer Bedeutung am deutlichsten manifestiert. Die weitere Analyse der Rangfrage in der Bonner Republik reicht bis in die Mitte der 1970er Jahre (Zweiter Teil). Entlang einer genealogischen Aufbereitung und diskursiven Verortung zentraler verfassungsrechtlicher Begriffe wie der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des Grundgesetzes oder der „offenen Staatlichkeit“ zeigt die Untersuchung vor dem Hintergrund der weiteren politischen Entwicklungen seit Mai 1949, dass sich anhand der scheinbar rein interpretatorischen Frage nach dem Rang nicht nur die Selbstpositionierung der deutschen Verfassung zum Völkerrecht, sondern vor allem der politische Selbstfindungsprozess der frühen Bundesrepublik als Staat untersuchen lässt. Denn indem das Grundgesetz in Art. 25 das Verhältnis der allgemeinen Regeln des Völkerrechts zum deutschen Recht regelt, das deutsche Recht also ins Verhältnis zu einer anderen Rechtsordnung setzt, thematisiert es gleichzeitig seine eigene normative Identität.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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