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Rolle der Ergebniserwartungen bei klinischen Fremdratings für die Behandlungsresponse bei Depression - Ist eine Verblindung des Zeitpunkts der Einschätzung notwendig, um den Beurteilungsbias zu minimieren?
Antragstellerinnen / Antragsteller
Privatdozentin Dr. Gertraud Gradl-Dietsch; Dr. Marcel Wilhelm
Fachliche Zuordnung
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendspychiatrie
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 553393816
Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdratings hinsichtlich der Wirksamkeit von Antidepressiva bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind länger bekannt. Expertenratings zeigen in randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) für Major Depression (MDD) oft höhere Effektstärken als Selbsteinschätzungen. Die beantragte Studie prüft die Hypothese, ob die Expertenratings am Behandlungsende zu diesen Diskrepanzen beitragen. Dabei wird klinisches Fachpersonal mit dem Rating zweier gestellter Videos (20 Minuten) beauftragt. Hier spielen jeweils eine Schauspielerin eine mittelgradige Depression im Kontext einer Psychopharmako-Studie sowie im Kontext einer Psychotherapie-Studie. Die Teilnehmenden werden in dem Glauben gelassen, dass es sich um echte Patientinnen handelt. Je nach Bedingung gibt ein Trailer (5 Minuten) die Rahmung vor, ob es sich bei dem Video um die Baselinemessung oder die Abschlussmessung nach Therapieende handelt. Die Ratings erfolgen mittels Hamilton Depression Scale-17 (HAMD-17). Es wird angenommen, dass zur vermeintlichen Baselinemessung höhere Scores angegeben werden als am vermeintlichen Therapieende. Die Studie wird an zwei Standorten (Essen, Marburg) durchgeführt, um eine größere Allgemeingültigkeit zu gewährleisten. Zwei Altersgruppen (späte Adoleszenz, mittleres Alter) sowie zwei Behandlungskontexte (Psychopharmakotherapie, Psychotherapie) werden dargestellt, was insgesamt acht Videos ergibt. Insgesamt sollen 358 Fachpersonen aus Medizin und Psychologie sowohl aus psychiatrischen Krankenhäusern als auch aus Psychotherapieeinrichtungen rekrutiert werden. Diese werden zufällig einem der Videos zugewiesen und geben ihre klinischen Ratings ab. Die Hauptanalyse wird den Unterschied in den Depressionsscores basierend auf den rahmenden Trailer beleuchten. Sekundäre Analysen werden potenzielle Moderatoren untersuchen, einschließlich der Altersgruppe der Patientin, der Erfahrung des Raters oder der Raterin und ihrer Einstellungen bezüglich der Wirksamkeit von pharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlungen. Zusätzliche explorative Auswertungen sollen potenzielle Effekte der demografischen Daten und des beruflichen Hintergrunds untersuchen. Diese Studie adressiert eine kritische Lücke in unserem Verständnis der potenziellen Voreingenommenheit, die klinische Ratings in RCTs verzerren. Durch Darstellung des Erwartungseffekts der Raterinnen und Rater werden die Ergebnisse wertvolle Einblicke in die Ergebnisinterpretation klinischer Studien bieten und zukünftige Studiendesigns beeinflussen. Durch Anwendung eines neuartigen video-basierten experimentellen Designs zielt diese Studie darauf ab, Licht auf den potenziellen Einfluss des Raterbias auf Depressionsscores zu werfen. Die Ergebnisse werden bedeutende Implikationen für das Design und die Interpretation von RCTs bei MDD und möglicherweise anderen psychischen Störungen haben, bei denen Fremdratings klinischer Expertinnen und Experten eingesetzt werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen