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Gesprächsbücher vor Erasmus. Drei Editionen lateinischer Gesprächsbücher des 15. Jahrhunderts.
Antragsteller
Dr. Oliver Humberg
Fachliche Zuordnung
Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Griechische und Lateinische Philologie
Griechische und Lateinische Philologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 554409680
Lateinische Gesprächsbücher reagieren auf die sanktionsbewehrte Notwendigkeit mittelalterlicher Scholaren, auch untereinander ausschließlich lateinisch sprechen zu müssen. Ihr Sprachunterricht vermittelte jedoch kaum das Rüstzeug zur sprachlichen Bewältigung der jugendlichen Lebenswirklichkeit. Gesprächsbücher nun waren geeignet, „auf humorvolle und mitunter sogar komische Weise an einen angstfreien Umgang mit kolloquialem Latein heranzuführen“ (Thomas Haye). Durch ihre Alltagsorientierung vermitteln diese Texte eine Fülle kulturgeschichtlich wertvoller Einblicke in die Lebenswelt des 15. Jahrhunderts, überliefern speziell bildungshistorisch relevante Details zur Unterrichtspraxis und zu studentischen Ritualen, die oft nur aus diesen Gesprächsbüchern selbst zu erfahren sind, und bieten noch unausgeschöpftes Quellenmaterial für Fragestellungen der Mentalitätsgeschichte und der Kindheitsforschung. Von philologischem Interesse sind diese Gesprächsbücher materialiter als dasjenige Lehrmaterial, mit dem die erste Generation von Frühhumanisten und Neulateinern in Deutschland selbst die lateinische Sprache erlernt hat, formaliter erfordern sie wegen der höchst unterschiedlichen Überlieferungs- und Forschungslage jeweils besondere, auf das Material abgestimmte methodische Ansätze. Drei Teilprojekte erschließen zum einen das älteste ermittelte, bislang praktisch unbekannte Gesprächsbuch, das um 1408 in Oberschlesien entstanden ist; dann das einzige Gesprächsbuch, das in durchgängiger studentischer Glossierung aus dem Unterricht des Autors selbst vorliegt; schließlich dasjenige Gesprächsbuch, das nicht nur zeitgenössisch die breiteste Rezeption erfahren hat und mehrfach lokal adaptiert worden ist, sondern das auch in den letzten 100 Jahren in Frankreich und Großbritannien unabhängig voneinander übersetzt und bildungsgeschichtlich kommentiert worden ist. Angestrebt werden in allen Fällen kritische Editionen auf Basis der stemmatisch durchleuchteten direkten Textzeugen, Rekonstruktion der sekundären Fortschreibungen und Nachweis lokaler Aktualisierungen. Im zweiten Fall kommt dazu die vollständige Erschließung der interlinearen wie marginalen Glossierungen mit Nachweis der rund 800 angeführten Stilautoritäten sowie die Entwicklung und Anwendung einer geeigneten typographischen Konzeption zur Darstellung mehrschichtiger Glossierungen. Das dritte Teilprojekt verspricht einen gegenüber den bisherigen Editionen erheblich verbesserten Text. Die unabhängig voneinander und ohne Wissen um die ursprüngliche Lokalisierung des Materials entstandenen deutschen, englischen und französischen Kommentare werden erstmals kritisch gesichtet und zusammengeführt. Aus den ausgewerteten Inkunabeln lassen sich schließlich Kriterien für die Stemmatik von Druckschriften herausarbeiten. Alle drei Teilprojekte wollen Beiträge zur historischen und philologischen Sacherschließung leisten. Rückblickend dürften sie auch erlauben, den Methodengebrauch des Fachs teilweise neu zu bewerten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
