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Interaktion und Organisation: Aschkenasische Juden in Oberitalien während des 15. und frühen 16. Jahrhunderts
Antragsteller
Professor Dr. Lukas Clemens
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Frühneuzeitliche Geschichte
Religionswissenschaft und Judaistik
Frühneuzeitliche Geschichte
Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 517713369
Norditalien war für die Neugestaltung aschkenasischer Lebenswelten im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit wegen der dort bewahrten kulturellen Identitäten von enormer Bedeutung. Das Teilprojekt erforscht Akteure sowie sich prozesshaft entwickelnde bzw. wandelnde Organisationsformen und Netzwerkstrukturen jüdischen Lebens auf dem venezianischen Festlandterritorium, das infolge der im späten 14. Jh. einsetzenden Zuwanderung aus den deutschen Gebieten des Reichs durch aschkenasische Traditionen geprägt wurde. Diese treten in der gemeindlichen Überlieferung zutage. Doch wie sich die Lebensverhältnisse und Organisationsformen der Italo-Aschkenasim in der Terraferma während des 15. und des ersten Drittels des 16. Jhs. insgesamt, ihre Beziehungen zu den aschkenasischen Kernlandschaften nördlich der Alpen, ihre Interaktionen mit der christlichen Mehrheitsgesellschaft, aber auch mit den eingesessenen italienischen Juden gestalteten, ist bislang nur in Ansätzen und kaum über unsystematisch erhobene Betreffe zu einzelnen Kommunen hinaus untersucht. Die Rahmenbedingungen aschkenasischer Identität in der venezianischen Diaspora sind auf Grundlage detaillierter vertraglich ausgehandelter geschäftlicher, kultischer und interreligiöser Vereinbarungen zu rekonstruieren, wie sie in zahlreichen Verträgen (condotte) zwischen jüdischen Banken und den Repräsentanten christlicher Herrschaft getroffen wurden. Unter den Bestimmungen lassen sich immer wieder Abmachungen finden, die Traditionen aus dem Reichsgebiet aufgreifen und festschreiben. Auffällig ist die hervorgehobene Rolle von Frauen, die als autonome Vertragsnehmer einer jüdischen Bank oder gemeinsam mit männlichen Bankiers auftreten konnten. Auf der Grundlage derartiger Informationen, aber auch mit weiteren Hinweisen aus der kommunalen wie notariellen Überlieferung einzelner Städte lassen sich die Familien-, sowie Geschäftsstrukturen aschkenasischer Juden, sowie ihre Lebenswelten innerhalb eines mediterranen und damit neuartigen kulturellen Umfeldes nachzeichnen. Eine gemeinschaftlich eingesetzte, womöglich durch herrschaftlichen Steuerdruck initiierte jüdische Regionalorganisation in der Terraferma findet sich bereits seit dem späten 14. Jh. Nicht zuletzt mit Blick auf derartige Praktiken übergreifender Entscheidungsfindung ist nach den Strategien jüdischer Akteure zu fragen, politische Prozesse zu beeinflussen. In der ersten Förderphase werden zunächst die kommunalen und notariellen Akten zu Padua (Archivio di Stato di Padova) und Mestre (im Archivio di Stato di Venezia) gesichtet, deren jüdische Gemeinden u. a. durch den Zuzug aus Treviso seit den 40er Jahren des 15. Jhs. überlokale Bedeutung erlangten. In einer zweiten Förderphase ist beabsichtigt, nun verstärkt innerjüdische Zeugnisse auszuwerten, wobei ausgewählte Indivduen und deren Verhältnis zur aschkenasischen Tradition im Fokus stehen werden, wie sie sich in religiösen Praktiken, Sprache und kulturellen Dispositionen äußern.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen