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Reliquien, Krieg und Macht: Politische und militärische Nutzung christlicher Reliquien in Byzanz und im mittelalterlichen Westen (ca. 600-1200 n. Chr.).

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Alte Geschichte
Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 559011388
 
Seit Jahrhunderten verehren die Christen die sterblichen Überreste heiliger Persönlichkeiten und Gegenstände, die durch ihre Berührung geheiligt wurden, als Reliquien und glauben an ihre Heiligkeit und Wunderkräfte. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vernachlässigten die meisten Wissenschaftler den Reliquienkult und betrachteten ihn als ein Produkt mittelalterlicher Unwissenheit und Aberglaubens. Diese Sichtweise begann sich in den 1960er bis 1970er Jahren zu ändern, insbesondere durch die Studien von Peter Brown. In den letzten Jahren wurden bemerkenswerte neue Ansätze und Methoden für die Untersuchung von Reliquien entwickelt, wie z. B. die Untersuchung der mit ihrer Verehrung verbundenen sensorischen Aspekte. In dieser Studie soll die Verwendung christlicher Reliquien in militärischen Kontexten durch die Herrscher von Byzanz und den verschiedenen westeuropäischen Staaten zwischen dem 7. und 12. In der Studie werden schriftliche literarische Quellen wie Chroniken und Hagiographien mit materiellen und ikonographischen Zeugnissen wie Reliquien und Reliquienschreine (mit ihren Kunstwerken und Inschriften) verglichen. Das Hauptziel besteht darin, die soziokulturelle Funktion und Bedeutung der Verwendung christlicher Reliquien in kriegerischen und militärischen Kontexten in der mittelalterlichen Mittelmeerwelt zu verstehen. Die Forschung hat einen doppelten theoretischen Hintergrund, indem sie "Kriegs- und Gesellschaftsstudien" und die "Theorie des Handelns der Dinge" kombiniert. Dementsprechend zielt das Projekt darauf ab, eine Reihe von Überzeugungen und sozialen Praktiken der Vergangenheit zu identifizieren und ihre soziokulturelle Funktion durch eine kritische Untersuchung verschiedener Primärquellen zu verstehen. Darüber hinaus werden Reliquien als "charismatische Objekte" konzeptualisiert: materielle Dinge, die innerhalb eines bestimmten kosmologischen Rahmens eine starke Aura von Macht und Ehrfurcht ausstrahlen können, die Machtbeziehungen, Narrative von Autorität, Gemeinschaft und Identität schaffen und als symbolisches Kapital von mittelalterlichen Herrschern in performativen Ritualen zur Sakralisierung und Legitimierung politischer Macht eingesetzt werden. Dieses Projekt ist originell und innovativ. Erstens gibt es keine systematische Studie über die Verwendung von Reliquien in militärischen Kontexten. Zweitens beschränkt sich die Forschung nicht auf schriftliche Texte oder materielle Quellen, sondern untersucht mit einem interdisziplinären Ansatz ein breites Spektrum von Belegen. Drittens werden neue Perspektiven wie die Theorie des Wirkens von Dingen, das Konzept charismatischer Objekte und performative Reliquien einbezogen. Schließlich ist das Projekt auch deshalb relevant, weil es die Beziehung zwischen materieller Kultur, übernatürlichem Glauben, Macht, Religion und Krieg untersucht - eine grundlegende Frage zum Verständnis menschlicher Gesellschaften in Vergangenheit und Gegenwart.
DFG-Verfahren WBP Stelle
 
 

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