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Handlungsfähigkeit: Verletzlichkeit und Wiederermächtigung in Betroffenen-Biographien

Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 534685649
 
Das Forschungsprojekt untersucht, wie Handlungsfähigkeit, Verwundbarkeit und Wiederermächtigung in den Autobiografien von Menschen erzählt werden, die sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche erlitten haben. Die Berichte Betroffener zeigen, wie tief der Missbrauch Spuren hinterlässt, oft verbunden mit Ohnmacht, Hilflosigkeit und dem Gefühl, keine Hilfe zu finden. Diese Erfahrungen beeinträchtigen die Betroffenen oft noch lange nach den eigentlichen Taten psychisch, physisch und sozial. Dennoch berichten viele von ihrem Weg, diese Machtlosigkeit zu überwinden, über ihre Erlebnisse zu sprechen, sie zu deuten und schließlich wieder Kontrolle über ihr Leben und ihre Religiosität zu gewinnen. „Macht“ wird dabei aus der Perspektive der Betroffenen als individuelle Handlungsfähigkeit thematisiert: Einerseits als die Handlungsmacht des Täters, andererseits als die begrenzte Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Der Missbrauch greift tief in die Persönlichkeit ein und erschwert es, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Gleichzeitig überschreiten die Berichte der Betroffenen die individuelle Ebene und thematisieren auch die Rolle von Unterstützung durch Dritte sowie die institutionelle Dimension der Kirche, die sowohl beim Missbrauch selbst als auch bei den späteren Aufarbeitungsprozessen eine zentrale Rolle spielt. Das Projekt untersucht in narrativ-ethischer Perspektive die Dimensionen von Handlungsfähigkeit anhand veröffentlichter autobiographischer Bücher. Mittels der Analyse der sprachlichen Gestaltung, mit der Betroffene ihre Erlebnisse deuten und wieder Handlungsmacht erlangen, wird insbesondere die Bedeutung religiöser Semantiken für den Verlust und das Wiedererlangen von Handlungsfähigkeit herausgearbeitet. Zugleich wird erforscht, wie Betroffene für das Erlittene im Spannungsfeld von biografischer Reflexion und den Anforderungen des öffentlichen Sprechens eine angemessene Sprache zu finden versuchen. Schließlich werden die memoriale und die politische Dimension der autobiographischen Zeugnisse von Betroffenen theologisch-ethisch untersucht. Dabei wird das Erzählen der eigenen Biografie als Ausdruck der Identitätssuche und -stabilisierung verstanden. Es zeigt sich eine fragile, aber tragfähige Identität, mit der es den Betroffenen gelingt, weiterzuleben. Das Forschungsprojekt trägt zu theologischen und ethischen Fragen bei, indem es die besondere Verwundbarkeit und Ohnmacht in religiösen Biografien untersucht und Widerstandspotenziale gegen die Dominanz der Missbrauchserfahrung herausarbeitet. Es zeigt auf, wie Betroffene Ressourcen für ein Weiterleben und möglicherweise eine resilientere Religiosität nach dem Missbrauch entwickeln.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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