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Temporale Ikonizität im Narrativ

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 559688251
 
Eine Aufgabe der Diskurssemantik und -pragmatik ist es, zu erklären, warum Satzfolgen wie der berühmte, Julius Caesar zugeschriebene Spruch 'Veni, vidi, vici'/'Ich kam, ich sah, ich siegte' dahingehend verstanden werden, dass die Ereignisse in einer temporalen Reihenfolge dargestellt werden. Es heißt nicht 'Danach siegte ich', aber wir verstehen trotzdem, dass der Sieg nach den beiden anderen Ereignissen stattfand. Einerseits hat hier Forschung in Semantik und Pragmatik gezeigt, dass ebendiese chronologische Interpretation nicht allgegenwärtig ist: Sie kann durch widersprechendes Weltwissen und durch sprachliche Hinweise wie verbale Zeitform und Aspekt "aufgehoben" werden. Andererseits ist es eine verbreitete Idee, dass die narrative Reihenfolge eine Manifestation von Ikonizität ist. Im Gegensatz zu symbolischen Zeichen, bei denen die Zuordnung zwischen Formen und Bedeutungen willkürlich ist, sind ikonische Zeichen durch die Ähnlichkeit zwischen Form und Inhalt gekennzeichnet. "Die Kette der Verben 'veni, vidi, vici' berichtet in erster Linie über die Reihenfolge von Caesars Taten [...]. Die zeitliche Reihenfolge der Sprachereignisse neigt dazu, die Reihenfolge der erzählten Ereignisse in der Zeit widerzuspiegeln..." (Jakobson 1965, S. 27). Diese Idee ist in formalen Ansätzen zur Diskursforschung jedoch nie technisch umgesetzt worden, und es bleibt unklar, wie sie sich in das komplexe Bild der zeitlichen Interpretation einfügt. Die jüngste Zunahme des Interesses an visueller Kommunikation (Gebärdensprache, Gestik, Bildsprache), in der ikonische Zeichen viel häufiger vorkommen als in der gesprochenen und geschriebenen Sprache, hat zu rasanten Weiterentwicklungen der semantischen und pragmatischen Theorien von Ikonizität geführt. Gleichzeitig gibt es immer mehr Belege dafür, dass der ikonische Aspekt der narrativen Zeitlichkeit über die relative Reihenfolge der Ereignisse hinausgeht und sich auf das Tempo, die Dauer der Ereignisse, die Abstände zwischen den Ereignissen sowie die absolute Übereinstimmung der Zeit der Geschichte mit der Zeit des Erzählens erstreckt. In Anbetracht dieser neuen Entwicklungen ist es an der Zeit, temporale Ikonizität im Narrativ neu zu betrachten. Ziel dieses Projekts ist es, neue empirische Beweise für temporale Ikonizität zu erbringen und eine Theorie zu entwickeln, die ikonische und symbolische Aspekte der Interpretation von Narrativen integriert. Aufgrund der engen Beziehung zwischen Ereigniszeiten und Äußerungszeiten im Narrativ öffnet die Untersuchung temporaler Ikonizität auch ein Fenster zu einer grundlegenderen Frage: Was ist Äußerungszeit und welche Merkmale der Äußerungszeit sind für die Interpretation von Äußerungen relevant? Ohne dieses Wissen kann dieser zentrale kontextuelle Parameter der linguistischen Pragmatik nicht vollständig verstanden werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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