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"Ich schwöre untertänig Treue und Gehorsam": Der politische Eid im Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts

Antragstellerin Dr. Vanessa Conze
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2008 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 56112590
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der politische Eid, ein Ritual, das seit Jahrhunderten zur Schaffung politischer Loyalität und damit zur Sicherung politischer Herrschaft dient, galt in der Literatur überwiegend als vormoderndes „politisches Sakrament“. Durch seine enge Verzahnung mit dem christlichen Glauben – der Schwur galt immer vor Gott als Zeugen – schien der Eid mit der Aufklärung und der strukturellen Veränderung politischer Herrschaft infolge von Modernisierungsprozessen spätestens seit dem späten 18. Jahrhundert seine Wirkung zu verlieren. Die nun vorliegende Studie hat gezeigt, dass der Eid seither zwar in der Tat fundamentalen inhaltlichen Wandlungsprozessen unterlag, jedoch auch über weite Strecken des 19. und des 20. Jahrhunderts hinweg nur wenig von seiner Bedeutung im öffentlichen Diskurs über Herrschaft und „Treue“ verlor. Vielmehr entwickelte sich der politische Eid zu einem Herrschaftsinstrument des modernen Staates. Alle politischen Systeme in Deutschland, egal wie unterschiedlich sie fundiert waren, nutzten den Eid im 19. und 20. Jahrhundert mit der Absicht, Staatsdiener über den Zugriff auf ihr Gewissen an die bestehende Staatsordnung zu binden. Ob Monarchie, Demokratie/Republik oder Diktatur, sie alle ließen ihre Beamten (und Soldaten) „Treue“ schwören. Dabei verband zwar jedes System mit diesem Schwur unterschiedliche Absichten und Ansprüche, dennoch kann überraschen, wie lange der politische Eid in dieser Form „funktionierte“. Obwohl er modernen Vorstellungen von den Religions- und Gewissensfreiheit zuwider läuft, indem er den Anspruch auf den Zugriff des Staates auf das Gewissen des Staatsbürgers repräsentiert, dauerte es bis in die sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, bis der Eid als Ritual in der Bundesrepublik grundsätzlich Frage gestellt wurde. Dies hängt einerseits mit einem erst zu diesem Zeitpunkt einsetzenden Liberalisierungs-, Individualisierungs- und Säkularisierungsschub zusammen; andererseits aber war im deutschen Fall auch die Auseinandersetzung mit dem „Führereid“ des Nationalsozialismus unabdingbar, um eine kritische Distanz zum Eid zu entwickeln. Abgeschafft wurde der Eid indes nicht, so dass deutsche Beamte und Berufssoldaten bis heute schwören.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Treue schwören. Der Konflikt um den Verfassungseid in der Weimarer Republik, in: Historische Zeitschrift 297 (2013), 354-389
    Conze, Vanessa
 
 

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