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Sexuelle Staatsbürgerschaft jenseits der Grenzen: Europäische Queer-Mobilitäten in Zeiten des Krieges

Antragstellerin Dr. Olga Plakhotnik
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Humangeographie
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Politikwissenschaft
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 561289364
 
In Februar kamen 2022 Hunderttausende ukrainische Kriegsgeflüchtete in Deutschland an. Man kann davon ausgehen, dass einige von ihnen queer waren. Das Gleiche gilt für Belarussen, die im Jahr 2020 vor dem politischen Terror des Lukaschenka-Regimes flohen. Queere Menschen aus der Ukraine und Belarus, die rechtlich keine „Flüchtlinge“ sind, aber die Härten der Zwangsumsiedlung erfahren haben, sind Gegenstand dieser Studie. Dieses theoriegeleitete und empirisch fundierte Projekt untersucht die komplexen Zusammenhänge zwischen Sexualität und transnationaler Mobilität am Beispiel der queeren Migrationen 2020-2022 aus der Ukraine und Belarus nach Deutschland. Es untersucht die Komplexität der Erfahrungen queerer Migrant_innen, die diskursive Konstruktion queerer Diaspora und das Potenzial für Solidaritäten über nationale Grenzen hinweg. Das Projekt basiert auf einem konzeptionellen Rahmen der "sexual citizenship", die in einem performativen Sinne als Diskurs, Praxis und Affekt der Zugehörigkeit verstanden wird. Diese Perspektive ermöglicht es, sich der queeren Migration als „sexual citizenship über die Grenzen hinweg“ zu nähern - ein dynamischer Prozess der Identitätsbildung, Mobilität und Immobilität. Die Analyse der Staatsbürgerschaft hilft zu verstehen, wie unterschiedliche politische Regime in den Herkunftsländern, einschließlich der Sexual- und Genderpolitik des Staates, und das Mobilitätsregime in Deutschland (vorübergehender Schutz für ukrainische Staatsangehörige und fehlender Schutz für belarussische) die diskursive Konstruktion queerer Diasporas in besonderer Weise prägen. Ein anderer analytischer Forschungsrahmen - die Kolonialität - befasst sich mit dem globalen Regime von Sexualität und Gender und der entsprechenden Produktion von Wissen und Subjektivität (Quijano 2000). Diese Analyse erklärt zum einen die periphere Position von Belarus und der Ukraine gegenüber Deutschland, auch in Bezug auf die Sexualpolitik. Andererseits stellt sie die belarussische und ukrainische queere Diaspora in den Kontext anderer unterschiedlich rassifizierter Migrant_innengruppen in Deutschland. Dieses Forschungsdesign hat das Potential, den dominanten Rahmen des „methodologischen Nationalismus“ (Wimmer und Glick Schiller 2003) zu überwinden und Diaspora zu entessentialisieren: sie nicht als eine klar definierte Gruppe zu betrachten, sondern als einen machtgeladenen Prozess über Grenzen, Kontexte und soziale Akteure hinweg. Zu den Ergebnissen des Projekts gehören ein Sammelband, die Artikel und Entstehung eines wissenschaftlichen Netzwerks. Die Ergebnisse werden die Wissenschaft über Menschen aus der Ukraine und Belarus unter den neuen Umständen (Krieg/ Staatsterror und Migration) bereichern. Die Forschungserkenntnisse werden für Politikwissenschaften, Soziologie und Gender Studies angesichts des aktuellen Rechtsrucks in Deutschland und Europa, einschließlich des Anstiegs migrations- und queerfeindlicher Tendenzen, von besonderer Bedeutung sein.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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