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Schmerz und das soziale Gehirn: die Rolle von Oxytocin bei der sozio-emotionalen Regulation chronischer Schmerzen
Antragsteller
Professor Dr. Valery Grinevich
Fachliche Zuordnung
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 561551432
Chronische neuropathische Schmerzen, die sich sowohl auf das zentrale als auch auf das periphere Nervensystem auswirken, sind weit verbreitet und haben enorme Auswirkungen auf die Lebensqualität von Betroffenen. Bis zu 8 % der Allgemeinbevölkerung und 25 % der Patienten mit chronischen Schmerzen sind davon betroffen. Trotz umfangreicher Forschungsarbeiten in den letzten zwei Jahrzehnten gibt es nach wie vor nur wenige wirksame Behandlungsmöglichkeiten, und nur wenige Medikamente haben sich als wirksam erwiesen. Schmerz ist eine komplexe Empfindung, die durch die Modulation des peripheren nozizeptiven Systems durch zentrale Mechanismen beeinflusst wird, was die bidirektionalen Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Körper verdeutlicht. Emotionale Störungen wie Kummer, Angst und Depression gehen häufig mit chronischen Schmerzen einher, und chronische Schmerzpatienten sind prädisponiert, diese Erkrankungen zu entwickeln. Vor allem soziale und emotionale Zustände haben einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und die Folgen chronischer Schmerzen, was den Schmerz als soziales Phänomen hervorhebt. Das „Schmerznetzwerk“ des Gehirns, insbesondere „emotionale Zentren“ wie die Amygdala und der präfrontale Kortex, spielen eine entscheidende Rolle bei der Schmerzwahrnehmung. Nicht-pharmakologische Ansätze, die auf diese Zentren abzielen, werden auf Grund ihrer spezifischen Wirkweisen zunehmend befürwortet. Soziale Interaktionen wirken sich stark auf diese emotionalen Zentren aus, was die Notwendigkeit unterstreicht, die neurobiologischen Mechanismen zu erforschen, die soziales Verhalten und Schmerzwahrnehmung sowohl bei Menschen als auch bei Tieren miteinander verbinden. Oxytocin, ein Neuropeptid, das im zentralen Nervensystem produziert und ausgeschüttet wird, moduliert verschiedene Verhaltensweisen und Emotionen, darunter das soziale Gedächtnis, Angst und das Schmerzempfinden. Während Oxytocin bei Tieren und Menschen analgetische Wirkungen auf akute Schmerzen gezeigt hat, bleibt seine direkte Rolle in der Interaktion zwischen sozialem Verhalten und der Schmerzwahrnehmung unklar. Unsere Hypothese besagt, dass Oxytocin über seinen Einfluss auf das Schmerznetzwerk des Gehirns eine zentrale Rolle bei der Vermittlung der Interaktion zwischen sozio-emotionalen Zuständen und chronischen Schmerzen spielt. Unser Konsortium, das sich aus führenden Experten des Oxytocin-Systems, soziales Verhalten und Schmerzforschung zusammensetzt, plant, diese neurobiologischen Mechanismen mit Hilfe fortschrittlicher chemogenetischer, optogenetischer, pharmakologischer und elektrophysiologischer Techniken zu erforschen. Wir wollen untersuchen, wie die Oxytocin-Freisetzung in verschiedenen Schmerznetzwerk-Stationen sozio-emotionale Zustände und chronische Schmerzen beeinflusst. Darüber hinaus werden wir Verhaltenstests bei Ratten mit Nervenverletzungen durchführen, um die wechselseitigen Auswirkungen von chronischem Schmerz und sozialem Verhalten und deren Modulation durch OT zu untersuchen. Der menschliche Teil des Projekts wird die Beziehung zwischen genetischen Varianten der Oxytocin-Rezeptor-Signalgebung und der Schmerzwahrnehmung in einer Stichprobe von Menschen untersuchen. Letztendlich zielt diese Forschung darauf ab, die Rolle des Oxytocin-Systems im Gehirn bei der Modulation chronischer Schmerzen und seinen Einfluss auf das Zusammenspiel zwischen chronischen Schmerzen und sozialen Interaktionen aufzudecken. Unsere Ergebnisse könnten den Weg für neue pharmakologische und verhaltenstherapeutische Behandlungen ebnen, die auf das Oxytocin-System abzielen. Somit könnten in Zukunft sowohl chronische Schmerzen als auch die damit verbundenen psychologischen Symptome gelindert werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich, Israel, Norwegen, Polen, Ungarn
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Privatdozentin Dr. MELINDA CSERVENÁK, Ph.D.; Professor Alexandre Charlet, Ph.D.; Professorin Dr. Ewelina Knapska; Professor Daniel Quintana, Ph.D.; Professor Shlomo Wagner, Ph.D.