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Eine andere Geschichte. Rodulf Glaber (ca. 980–1047), die Umbrüche des 11. Jahrhunderts und Geschichtsschreibung als Gegenwartsdeutung.

Antragsteller Dr. Christoph Haack
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 567740505
 
Das Projekt untersucht eine Schlüsselquelle der Geschichte des 11. Jahrhunderts, die Historiarum libri quinque des burgundischen Mönches Rodulf Glaber (ca. 980–1047). Diese „fünf Bücher“ bieten die ganz herausragende Möglichkeit, den Schreibprozess eines hochmittelalterlichen Geschichtswerkes in mehreren Schritten (ca. 1020–1050) nachvollziehen zu können, da das Autorenexemplar/Teilautograph erhalten ist (Paris, BnF, lat. 10912). Mit dieser besonderen Ausgangslage zielt das Projekt darauf, eine zeitgenössische Perspektive auf einen Zeitabschnitt zu gewinnen, der von der Forschung als Umbruchsituation qualifiziert worden ist. Rodulfs Werk wurde klassischerweise als zentraler Beleg für einen abrupten Epochenbruch um 1000 gelesen, in einer sog. „Feudalen Revolution“. Dieser Epochenbruch wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einem sehr lang gestreckten Prozess über das 11. Jahrhundert hinweg umgedeutet, Rodulfs Werk hat in dieser Diskussion aber kaum noch eine Rolle gespielt. Das Projekt zielt darauf, Rodulf Glaber in diese Neudeutung einzuordnen und sein Werk als Verhandlungsort zeitgenössisch virulenter Fragen nutzbar zu machen. Das Projekt setzt 1) an der Untersuchung des Autorenexemplars zur Rekonstruktion des Schreibprozesses an und 2) an der Analyse der exzeptionellen Erzählstruktur der Historiarum libri quinque, die um die christlichen Millennien von 1000 und 1033 herum organisiert sind. Mit diesen Ansatzpunkten wird die Frage gestellt, ob und in welcher Weise Rodulf Wandel beschrieb und seine eigene Gegenwart als Moment von beschleunigtem Wandel erfasste. Das Projekt ist 3) theoretisch eingebunden in die geschichtswissenschaftliche Diskussion um „Zeitlichkeiten“, d.h. unterschiedliche, kulturell spezifische Zeiterfahrungen. Es nutzt diese Diskussion, um eine neue Perspektive auf die eigentümliche Organisation des Werkes zu gewinnen. Und 4) nimmt das Projekt auch Rodulfs bislang sehr randständige hagiographische Arbeit, eine Vita seines Abtes Wilhelm von Volpiano († 1031), mit in den Blick, um erstmals systematisch das Gesamtwerk zu untersuchen und so über beide Texte und Genreformen hinweg das Geschichtsverständnis des Autors zu erschließen. Als konkretes Ergebnis zielt das Projekt auf einen Beitrag zur Geschichtsschreibung und zum Geschichtsverständnis im früheren 11. Jahrhundert. Es löst einen Schlüsseltext aus seinem klassischen Deutungskontext, um so ein prominentes, bislang in einer neu gefassten Debatte aber kaum genutztes Quellenwerk auswerten zu können. Auf diese Weise erschließt es eine zeitgenössische Bewertung von Wandel; zugleich leistet es einen mediävistischen Beitrag zur geschichtswissenschaftlichen Theoriediskussion der „Zeitlichkeiten“, die auch als Diskussion um alternative Formen der Geschichtsschreibung geführt wird.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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