Realistische Anthropologie - Konstellationen zwischen realistischer Prosa und der Wissenschaft vom Menschen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt konnte die hypothetisch postulierte „realistische Anthropologie" der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als einen intrikaten Zusammenhang literarischer, wissenschaftlicher und medienhistorischer Wechselwirkungen, Nachbarschaften und ,Popularisierungen' rekonstruieren. Literatur und Wissenschaften partizipieren wechselseitig an ihren je eigenen narrativen, diskursiven und philosophisch-rhetorischen Verfahren und Strukturen und etablieren ein hybrides globalisiertes Bewußtsein, das kolonialistisch-rassistische Hierarchisierungen und Asymmetrien ebenso einschließt wie Parallelisierungen, Nivellierungen und Konfingenzerfahrungen. Das in der „realistischen Anthropologie" generierte und tradierte Wissen vom Menschen erweist sich als Konglomerat ethnographischer, anthropologischer, („völkerpsychologischer") und literarischer Momente, die ihre institutionellen und medialen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Verfahrenstechniken mitschreiben, mitreflektieren und somit erkennbar machen. Die für das Projekt zentralen Publikumszeitschriften erweisen sich so als Effekt und Faktor einer Globalisierung, die das perspektivisch je unterschiedlich beschriebene integrierte oder desintegrierte Zusammenleben unterschiedlicher Menschengruppen und die ,moderne' Ortslosigkeit und die Mobilität der Individuen (Verschollenheit) narrativ reflektiert, beschreibt und zugleich vorantreibt. Besonderes Augenmerk wurde den kulturellen Mechanismen ,Vergleichung' und ,Verdichtung' (Moritz Lazarus) gewidmet, die Komplexitätssteigerung wie Komplexitätsreduktion in sich bergen. Sie ermöglichen einen kulturellen Prozeß, der sich mehr und mehr als aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten (,Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen') komponiert begreift. Überraschend war vor allem die Geschwindigkeit der Digitalisierung, die neue Überlegungen zur Materialerschließung und -Veröffentlichung erforderlich machte. Unmittelbare Anwendungsmöglichkeiten sind für ein Projekt geisteswissenschaftlicher Grundlagenforschung nicht zu erwarten; jedoch war bei der Quellen- und Matenalerschließung beeindruckend, zu welch komplexen Formen das Medium der Publikumszeitschrift in Zitationen, Paraphrasen und Argumentationen fähig war. Mindestens mit Hilfe des Verfahrens ,Vergleichung' könnte man die aktuellen Formen von Wissensgenerierung und -distribution neu beobachten, ohne in kulturkritische Stereotypen zu verfallen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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"Wilde Schwächlinge" auf dem Weg "zu den Müttern". Die Ordnung des Matriarchats und die Politik der Provinz in Wilhelm Raabes Roman "Abu Telfan oder die Heimkehr vom Mondgebirge". In: Dirk Göttsche/Ulf-Michael Schneider (Hgg.): Signaturen realistischen Erzählens im Werk Wilhelm Raabes. Würzburg: Königshausen und Neumann 2010, S. 137-156
Susanne Himer
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Die Legitimität der Transgression. Zur Rationalität hegemonialer Gewalt in Gustav Freytags Roman »Soll und Haben«, in: ZfdPh 129 (2010), Sonderheft: Grenzen im Raum - Grenzen in der Literatur, hg. v. Eva Geulen u. Stephan Kraft, S. 265-281
Michael Neumann
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Erzählte Familien und familiäres Erzählen im ,bürgerlichen' Realismus. In: Stefan Horlacher (Hg.): "Wann ist die Frau eine Frau?" "Wann ist der Mann ein Mann?" Konstruktionen von Geschlechtlichkeit von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Würzburg: Königshausen und Neumann: 2010, S. 137-154
Kerstin Stüssel
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Magie der Geschichten. Weltverkehr, Literatur und Anthropologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Konstanz: Konstanz University Press 2011
Michael Neumann u. Kerstin Stüssel
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Verschollen. Erzählen, Weltverkehr und Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Magie der Geschichten. Weltverkehr, Literatur und Anthropologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 265-281. Konstanz 2011
Kerstin Stüssel
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Wandern und Sammeln. Zur realistischen Verortung von Zeichenpraktiken, in: Magie der Geschichten. Weltverkehr, Literatur und Anthropologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 131-154. Konstanz 2011
Michael Neumann
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»Männerhaus« und »Entwicklungstheorie«. Zur literarischen Konfiguration der symbolischen Architektur sozialer Ordnungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: DVjs 85 (2011), H. 2, S. 265-280
Michael Neumann
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Entlegene Orte, verschollene Subjekte, verdichtetes Wissen. Problematisches Erzählen zwischen Literatur und Massenmedien. In: Roland Berbig/Dirk Goettsche (Hg.): Metropole, Provinz und Welt: Raum und Mobilität in der Literatur des Realismus. Berlin: de Gruyter 2013. S. 239-257
Kerstin Stüssel