Detailseite
Projekt Druckansicht

Mikroskopische Charakterisierung von inkommensurablen Grenzflächen in modulierten Fehlpassungsschichtstrukturen mittels ultrahochauflösender Durchstrahlungselektronenmikroskopie

Fachliche Zuordnung Herstellung und Eigenschaften von Funktionsmaterialien
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 58467905
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Fokus des Projekts standen die inkommensurablen Grenzflächen von Fehlpassungsschichtkristallen, wobei insbesondere (PbS)1.14NbS2 als Modellsystem diente. Ziel war es, durch Anwendung der neuen Möglichkeiten der aberrationskorrigierten hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM) strukturelle Eigenschaften solcher Schichtkristalle und ihrer Grenzflächen, die bisher nur über räumlich mittelnde Beugungsverfahren (XRD) zugänglich waren, erstmals mikroskopisch auf atomarer Skala nachzuweisen. In einer grundlegenden Analyse konnten zunächste die weitreichenden Vorteile der aberrationskorrigierten HRTEM gegenüber der konventionellen HRTEM (mit C sbehafteter Objektivlinse) aufgezeigt werden. Im Gegensatz zur Situation bei einfacheren Kristallstrukturen tragen bei Fehlpassungsschichtkristallen aufgrund des komplexen Schichtaufbaus aus inkommensurablen Teilstrukturen eine Vielzahl von Raumfrequenzen zur Elektronenbeugung und damit zur Kontrastentstehung in HRTEM-Abbildungen bei. Dies hat zur Folge, dass konventionelle HRTEM-Abbildungen solcher Strukturen bei guter Übertragung (Informationslimit < 1Å) viel stärker von der Delokalisierung beeinträchtigt werden, als man es von einfacheren Kristallstrukturen kennt, wo die Delokalisierung häufig nur an Grenzflächen und Defekten sichtbar wird. Mittels konventioneller HRTEM ist eine direkte Strukturabbildung der Fehlpassungsschichtkristalle schon im perfekten Volumen nicht möglich. Im Gegensatz dazu ermöglicht die aberrations-korrigierte HRTEM aufgrund der nahezu kompletten Unterdrückung (< 0.5 Å) der Delokalisierung über den gesamten Bereich der übertragenden Raumfrequenzen bei geeignet dünnen Proben eine direkte Strukturabbildung, wobei sich der NCSI-Kontrast (negative Cs imaging) hierfür als besonders günstig erweist. Auf der Basis dieser Vorteile wurden quantitative Analysen zur atomaren Struktur durchgeführt. So konnte erstmals die tetragonale Verzerrung des PbS im Fehlpassungsschichtkristall (PbS)1.14NbS2 direkt mikroskopisch vermessen werden und damit Strukturdaten aus räumlich mittelnden XRD-Analysen bestätigt werden. Bei den HRTEM-Analysen von Atomsäulenpositionen wurden Genauigkeiten bis 6 pm erzielt. Darüber hinaus konnte eine präferenzielle Stapelunordnung für das „Interkalat“ PbS nachgewiesen werden, wohingegen beim NbS2-Untergitter als „Wirtskristall“ eine nahezu perfekte Stapelordnung gefunden wurde. Auch mit dieser Beobachtung konnten Interpretationen von Beugungsexperimenten bestätigt werden, die eine einseitige Stapelunordnung aus dem präferenziellen streaking von PbS-Reflexen geschlossen hatten. Schließlich wurde die Verzerrung der Unterstrukturen in langwelligen Undulationen ausgewertet. Alle Analysen wurden an Einzelabbildungen im NCSI-Kontrast durchgeführt, wobei diese aus Defokusserien extrahiert wurden. Die Rekonstruktion der Austrittswellenfunktion ergab für die vorliegenden Systeme keinen Gewinn an Information, da die Qualität der rekostruierten Wellenfunktionen durch die prominente amorphe Deckschicht der TEM-Lamellen beeinträchtigt wurde. Insgesamt stellte sich heraus, dass für eine noch weitergehende Analyse von HRTEM-Abbildungen die Präparation hochwertiger TEM-Lamellen derzeit begrenzend ist. So gelang es bisher nicht, wie ursprünglich erhofft, die gegenseitige Modulation der inkommensurablen Strukturen auf atomarer Skala direkt zu vermessen. Eine neue Richtung wurde mit nanomechanischen in-situ TEM-Analysen eingeschlagen, bei denen das unterschiedliche Deformationsverhalten der Fehlpassungsschichtkristalle bei aufgelöster Gleitkraft in kommensurabler und inkommensurabler Kristallrichtung direkt verglichen wurde. Die ersten Ergebnisse dieser Untersuchungen, die am NCEM in Berkeley durchgeführt wurden, zeigen einen prominenten Einfluss der Inkommensurabilität auf das Deformationsverhalten. Weitere Untersuchungen sind in Erlangen geplant.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Aberration-corrected HRTEM of the incommensurate misfit layer compound (PbS)1.14NbS2, in Quantitative Electron Microscopy for Materials Science, edited by E. Snoeck, R. Dunin-Borkowski, J. Verbeeck, and U. Dahmen, Mater. Res. Soc. Symp. Proc. Vol. 1026, 1026-C10-01, (2008)
    M. Garbrecht, E. Spiecker, W. Jäger, K. Tillmann
  • Aberration-corrected high-resolution transmission electron microscopy of the misfit layered compound (PbS)1.14NbS2, Dissertation CAU Kiel, (2009)
    M. Garbrecht
  • Advantages of aberration correction for HRTEM investigation of complex layer compounds, Journal of Microscopy 237, 341-346 (2010)
    E. Spiecker, M. Garbrecht, W. Jäger, K. Tillmann
  • Quantitative atom column position analysis at the incommensurate interfaces of (PbS)1.14NbS2 misfit layered compound with aberration-corrected HRTEM, Ultramicroscopy 111, 245-250 (2011)
    M. Garbrecht, E. Spiecker, K. Tillmann, W. Jäger
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung